Wie die Ukraine tschechische Gewehre kaufte

von Vasiliy Muravitsky

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war die Ukraine lange Zeit ein Land mit großen militärischen Kapazitäten. Anfang und Mitte der 1990er-Jahre verfügte das Land beispielsweise über Atomwaffen, die größer waren als das derzeitige indische Atomwaffenarsenal und über eine Flotte strategischer Bomber, die heute nur noch von zwei Ländern in der Welt eingesetzt werden: den USA und Russland.

Die Ukraine verfügte über einen riesigen Bestand an Raketen, einschließlich ballistischer und operativ-taktischer Flugabwehrraketen, den größten Bestand an Geschützgranaten und eine vollständig in sich geschlossene Produktion von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen.

Im Jahr 2014 brach in der Ukraine ein Krieg aus. Der Krieg ist in seiner glühenden Form immer noch im Gange. Die ukrainischen Behörden, insbesondere Poroschenko und jetzt Selenskyj, haben immer wieder erklärt, wie sehr sie die Armee lieben und wie viel Geld sie in sie investieren, und dass es keine stärkere Armee gebe.

Aber wenn man sich die Vorgänge in der ukrainischen Armee und im militärisch-industriellen Komplex der letzten sieben Jahre genauer ansieht, wird man sehr überrascht sein. Ja, das Budget der ukrainischen Armee wurde drastisch erhöht, und die Armee zählt zu den größten in Europa. Doch ihr Potenzial nimmt trotz des Krieges, riesiger Infusionen und sogar Waffenhilfe aus den USA stetig ab. Das Bild in den Medien und die Realität unterscheiden sich drastisch.

Hierzu möchte ich ein einfaches Beispiel anführen. Die Ukraine war bis 2014 einer der einflussreichsten Waffenexporteure. Inzwischen haben die Importe die Exporte nahezu erreicht.

Das Jahr 2018. Die ukrainischen Medien überschlagen sich mit schreienden Schlagzeilen: „Bogdans neueste Waffe: erstaunliche Eigenschaften deklassiert!“ Die Mitarbeiter des Präsidenten (damals Poroschenko), die für Geld angeheuert wurden, schwärmten von der erstaunlichen Wunderwaffe, die die ukrainischen Waffenschmiede hergestellt haben. Es handele sich um die neueste, „atemberaubende“, rein ukrainische Panzerartillerie, die in der Lage ist, mit einer 155 mm NATO-Granate von 40 bis zu sogar 50 km weit zu schießen! Es sollte eine Drohung gegen die Separatisten und Russland sein!

Poroschenkos Berater mit dem Nachnamen Birjukow schrieb buchstäblich eine Facebook-Ode an diese Kreation, die angeblich schon ganz bald den Kriegsverlauf verändern würde. Diese Ode ist so übertrieben, dass sie an Vulgarität grenzt. Aber wenn man genauer hinsieht, ist der sogenannte „Sieg“ eine Manifestation der tiefgreifendsten Niederlage. Die Ukraine verfügte über große Bestände an Granaten des Kalibers 152. Es wurde nur für die Selbstfahrlafette sowjetischer Produktion und zur Herstellung von Waren in den Warschauer Blockländern verwendet.

Die NATO verwendete ein 155-mm-Kaliber, das natürlich nicht für sowjetische Artilleriesysteme geeignet war, doch nur dieses war in der Ukraine in Betrieb. Es handelt sich nicht nur um Systeme, sondern um eine Unterart von Truppen, einen wichtigen Bestandteil der gesamten Armee. Es ist jedoch die Artillerie, die im Donbass Krieg führt. Die Zahl der 152-mm-Selbstfahrlafette in den ukrainischen Streitkräften betrug 2016 mehr als 250 – eine beeindruckende Zahl!

2014 explodierte in der Tschechischen Republik ein Munitionsdepot. Die Tschechische Republik und eine Reihe ehemaliger Warschauer Blockstaaten verfügen über Bestände an sowjetischen Waffen, die seit 2014 an die Ukraine geliefert werden.

Im Jahr 2021 behauptete die Tschechische Republik, Russland habe die Explosionen verursacht und forderte Schadenersatz. In der Tat könnte sich in diesem Lagerhaus 152-mm-Munition für ukrainische Selbstfahrlafetten befunden haben, die möglicherweise für die Lieferung an die Ukraine vorbereitet wurde.

Ähnliche Bombenanschläge auf Lagerhäuser fanden nach 2014 in der Ukraine statt. Während wir in der Tschechischen Republik die Handlungen der russischen Geheimdienste nicht ausschließen können (denn wieso sollten wir?), können wir in der Ukraine nicht den Einfluss von Korruption ausschließen.

Seit dem Jahre 2003 hat es allein in der Ukraine 12 größere Explosionen und Brände in Munitionsdepots gegeben, von denen einige zu großen Katastrophen geführt haben. Die meisten von ihnen stammen aus der Zeit vor 2014. In einigen Fällen wurde Nachlässigkeit als Ursache ausgemacht und manchmal versuchte man triviale Diebstähle und damit den internationalen grauen Waffenhandel, der in der Ukraine florierte, als Selbstdetonationen vorzutäuschen.

Nach Kriegsbeginn wurde beispielsweise im Panzerwerk in Zhytomyr, das Panzer und Schützenpanzer für den Export nach Afrika vorbereitete, ein plötzlicher Mangel an einer ganzen Reihe von Systembauteilen der Panzerfahrzeuge festgestellt, die eingemottet worden waren, d. h. für den Krieg oder Notfälle bestimmt waren und weder verkauft noch demontiert werden durften.

Es stellte sich heraus, dass im Laufe der Jahre Teile aus stillgelegten Fahrzeugen ausgebaut und in Exportfahrzeuge eingebaut worden waren, die wiederum aus verschiedenen Lagerbeständen Stück für Stück zusammengebaut wurden, wobei staatliches Eigentum einfach gestohlen wurde. Im entscheidenden Moment kam dies ans Licht. Zwar könnte die Hinterziehung nicht durch die Sprengung eines Panzers verborgen werden, aber durch die Sprengung der Munition wäre es möglich, die hinterlistigen Tätigkeiten zu verbergen.

So oder so ist die Ukraine infolge einer Reihe von Bombenanschlägen (von denen einige möglicherweise von den Sicherheitsdiensten inszeniert wurden), in einen erheblichen Mangel an 152-mm-Munition geraten, was nur eines bedeutet: Ein ganzer Zweig des Militärs wird zu einem Schrotthaufen, weil die Ukraine keine 152-mm-Waffen herstellt. Doch wozu braucht man Waffen, wenn es für diese kein Geschoss gibt?

Dann beschloss ein ukrainisches Militärgenie, eine Selbstfahrlafette passend zu den 155-mm-Waffen der NATO zu bauen, die bereits erwähnte „Bogdana“. Es sind mehr als 3 Jahre vergangen. Die Probeversion dieser Artillerieeinheit hat neue Testversuche gestartet. In 3 Jahren feuerte sie… 59 Schüsse, von denen etliche Leer-, Inert- und Hydroschüsse waren, d. h. die Tests wurden nicht einmal zu einem 1/100 Teil bestanden. Das Kraftfahrzeug gibt es trotz der großen PR-Kampagne und der Mittel aus dem Staatshaushalt nur in einem einzigen Exemplar. Die Produktionsstätte musste das Verteidigungsministerium mehrmals verklagen, um die Entwicklung des Produkts fortsetzen zu können.

Unter Präsident Selenskyj beschloss man dann, die Situation zu verbessern. Sie kauften 26 gewaltige tschechische «Dana»-Selbstfahrlafetten aus der Tschechischen Republik. Das Überraschendste ist, dass „Dana“ eine Entwicklung aus den späten 70er-Jahren ist und auch ein 152 mm Kaliber besitzt, wie der in der UdSSR, das heißt genau denselben, deren Defizit die Ukraine versucht zu bekämpfen, indem sie erfolglose Selbstfahrlafetten mit schönen Bezeichnungen entwirft.

Gleichzeitig versuchte Ex-Präsident Poroschenko durch seine Handlanger aktiv, die Unterzeichnung eines Abkommens über den Kauf tschechischer Artillerie zu verhindern, indem er das offen gesagt erfolglose „Bogdan“-Projekt förderte. Dieses ist laut bescheidenen Expertenschätzungen ein dummes, sinnloses und unproduktives Produkt, das zudem noch nicht fertiggestellt worden ist. Es ist erwähnenswert, dass Poroschenko nicht nur ein großer Süßwaren-Händler, sondern auch ein großer ukrainischer Waffen- und Ausrüstungslieferant ist.

Dieses Beispiel ist nur ein von Dutzend anderen, die ich vorführen könnte, um darzustellen, dass der Kampf der Mächte gegen Korruption nur eine sinnlose Fiktion vor dem Hintergrund der industriellen Degradierung des Landes ist. Hinter der triumphalen Rhetorik von Stärke und unzerstörbarer Macht verbirgt sich die Realität: Der ukrainische militärisch-industrielle Komplex befindet sich in einer tiefen Krise und infolgedessen in einer starken Abhängigkeit von ausländischer Unterstützung und Waffeneinfuhren.

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Der Inhalt dieser Veröffentlichung spiegelt nicht unbedingt die Meinung der neulandrebellen wider. Die Redaktion bedankt sich beim Gastautor für das Überlassen des Textes.

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Freichrist343
Freichrist343
2 Jahre zuvor

Jedes un-demokratische System ist zum Untergang verurteilt. Zum Beispiel ist die Geburtenrate (bzw. Fertilitätsrate) in China auf 1,3 gesunken. In Russland liegt die Rate bei 1,5. In Deutschland bei 1,6. Nur eine öko-konservative Politik kann das Überleben sichern. Bitte googeln: Manifest Natura Christiana

Robbespiere
Robbespiere
2 Jahre zuvor

So wie ich das sehe, wird sich die Ukraine wg. ihres sinnlosen Säbelrasselns über kurz oder lang von ihren östlichen Gebieten genauso verabschieden können wie von der Krim.
Die Ukrofaschisten sind so dämlich, dass sie gar nicht merken, wie der Westen sie entmündigt hat.
USA und EU haben die voll am Gängelband und aus dieser tödlichen Umklammerung kommen die nicht mehr heraus.

Kiew war ein Handelsposten der Rus-Wikinger und neben Novgorod die Geburtsstätte der Russen.
Diese Bindungen für den vermeintlichen Zugang zum goldenen Westen aufzugeben, weil die EU ein „Entweder-Oder forderte, war vollkommen bescheuert und wie schon zu Jelzins Zeiten ein Werk skrupelloser Oligarchen.

Hinzu kommt, dass die Mehrheit der russisch-stämmigen Ostukrainer mittlerweile über einen russischen Pass verfügt, aus Angst vor ngriffen aus dem Westen des Landes.
Ein Einmarsch der Russen scheint auch durch die US-NATO beabsichtigt zu sein, um Russland wieder mal als Bösewischt dastehen zu lassen, nachdem die Ukraine selbst nebst F und D den Minsker Vertrag haben platzen lassen.

Der Weste spielt ein hochbrisantes Soiel über die Ukraine-Bande.

Dazu auch:

https://www.anti-spiegel.ru/2021/putin-im-o-ton-ueber-russlands-rote-linien/

GoAlive
GoAlive
2 Jahre zuvor

Sehr interessant, das meiste wusste ich nicht, nur, dass die Ukraine ein Pulverfass ist.

Aber das Imperium hat gerade andere Sorgen.

Cetzer
Cetzer
2 Jahre zuvor

Korruption und Militär passt wie Faust aufs Auge.
In einem chinesischen Film gab es eine bemerkenswerte Szene, als ein langer Tross von Wagen mit Proviant am zufriedenen Kaiser vorbeizog, der mal wieder Bock auf Krieg hatte. Voller Ungeduld aufs Töten fuchtelte der Kaiser mit dem Schwert in der Gegend rum und traf dabei zufällig einen der vielen Säcke mit Getreide, aus dem dann leise Sand rieselte. Natürlich entsprachen noch viel mehr Säcke nicht den Vorstellungen des Kaisers und seiner unwissenden Offiziere, so dass der schuldige Händler, ein vorbildlicher Alleintäter wie dereinst Anis Amri, flugs einen Kopf kürzer gemacht wurde. Natürlich konnte der Feldzug nicht mehr abgesagt werden und wurde also zur Diät-Kampagne…