Die Politik tut, was sie kann
Wir müssen gar nicht Kritik an Baerbock, Habeck oder Scholz üben. Sie machen, was sie machen können. Denn die vermeintliche Krise der Politik ist in erster Linie einer Krise der Medien.
Schuldig im Sinne der Anklage: Auch ich personalisiere natürlich den Niedergang dieses Landes. Beliebt bei mir: Annalena Baerbock, Robert Habeck, Olaf Scholz. Es gäbe mehrere Lieblinge des Elends. Und meine Auswahl, ich gebe auch das zu, ist nicht sonderlich originell. Wer Kritik an den Zuständen übt: Die drei Namen fallen unter Garantie. Außer man ist Grüner und völlig dem Fanatismus verfallen.
Wenn ich aber darüber nachdenke, drängt sich mir eine Erkenntnis auf: Die drei und andere Regierungsmitgangster machen doch lediglich das, was man sie machen lässt. Sie mögen freilich verantwortlich sein für das, was sie tun – auch wenn das juristisch überhaupt keine Rolle spielt –, aber die eigentliche Schuld tragen andere. Denn was wäre der Schurke ohne seinen Komplizen? Und oft ist der Komplize der, der den Schurken erst zu dem werden lässt, was er ist. Der politische Niedergang jedenfalls: Er ist ein medialer.
Politik, Moral und der Versuch eines Korrektivs
Die Politik ist ein sumpf. Wer von moralisch einwandfreier und integrer Politik träumt, der tut genau das: Träumen eben. Schon auf kommunaler Ebene sind die Interessenlagen so divers – ursprüngliche Bedeutung des Wortes, hier sind keine Männer im Fummel und keine Frauen mit Anhängsel gemeint –, dass von einer moralischen Handhabung eines Amtes nicht auszugehen ist. Die Verlockungen sind zudem nicht zu unterschätzen. Es dem Politiker als Schwäche auszulegen ist nachvollziehbar, aber eben auch ein bisschen einfach. Es ist menschlich, sich locken zu lassen. Das entschuldigt nichts, erklärt aber vieles. Damit ist auch nicht gemeint, dass sich übervorteilende Politiker aus dem juristischen Schneider sind.
Was benötigt ein Fach, das per se darauf ausgelegt ist, unterwandert, korrumpiert und missbraucht zu werden? Dem das gewissermaßen in der Natur liegt? Kontrolle – richtig! Und nicht die, die kontrolliert werden müssen, kontrollieren. Das tun andere, welche von Außen. Checks and Balances funktioniert so. Der Journalismus ist der Versuch eines Korrektivs. Er gelingt nicht immer, muss ja auch gegen Widerstände anschwimmen – jedenfalls in einer Welt, die nicht aus den Fugen geraten ist.
Wahrscheinlich in einer idealisierten Welt. Denn Medien waren nie völlig frei davon, der Macht etwas zu lax auf die Finger zu gucken. Aber besser als heute war es auf alle Fälle schon mal.
Als Andrea Nahles sich vor Jahren aus der Politik verabschiedete, trat sie vor die Mikrofone und bedanke sich bei den Journalisten für die gute Zusammenarbeit. Es sei mal dahingestellt, ob Nahles immer gut wegkam in den Medien. Eine Generalabfuhr erhielt sie indes nie. Aber klar ist doch auch: Was für ein Abschied ist das denn? Wenn sich ein Politiker bei seinem Rücktritt bei der Presse für das gute Zusammentun bedankt, hat nicht der Politiker was falsch gemacht, sondern die Journalisten und die Pressehäuser. Aber kaum jemand hat das damals aufgegriffen, man hat sich daran gewohnt, dass Politik und Presse eine Einheit darstellen.
Die Politik ist der Spielraum, den die Medien ihr lassen
Der amtierende Bundeskanzler hat nicht nur die Richtlinienkompetenz inne, sondern auch das kaum anfechtbare Recht, von seinem Vergessen Gebrauch zu machen. Natürlich berichten die Medien von einem Olaf Scholz mit Gedächtnislücken. Aber sie machen ihm nicht die Hölle heiß. Also kann er ungeniert den Warburg- und Cum-Ex-Skandal vergessen. Es fragt ja keiner nach. Wo sind die Recherchen, die den Kanzler schlecht schlafen lassen? Kurz und gut: Er kann sich das leisten, nicht weil er ein abgrundtief verschlagener Charakter ist – vielleicht ist er es, vielleicht ist er es nicht –, sondern weil der Journalismus seine Arbeit verweigert.
»Die Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt«, hat Dieter Hildebrandt einst erklärt. Dieses Bonmot gilt heute noch immer. Aber die Politik ist noch so viel weniger geworden. Sie ist eben auch nur noch der Spielraum, den die Medien ihr lassen. Und sie lassen ihn mit Wonne. Danke für die gute Zusammenarbeit eben!
Natürlich haben die Medien keinen wirklichen Verfassungsrang, die Publikative als vierte Gewalt ist eher so ein Antrieb aus Sendungsbewusstsein gewesen. Der gründete aus der Erkenntnis, dass Demokratie nichts tauge, wenn nicht relativ unabhängige Medien berichten und den Machthabern aus Politik und Wirtschaft auf die Finger schauen. Sie hätten das Zeug, durch Information öffentlichen Druck aufzubauen. Die Mächtigen wissen das natürlich auch und kamen zu dem Zirkelschluss: Medien könnten etwaigen öffentlichen Druck auch entgegenwirken: Sie müssen nur selektiver berichten, aus- und nicht einblenden.
Dass das teilweise mit Druck seitens der Mächtigen einhergeht, ist ja nicht zu verleugnen, denn Medien – insbesondere die Staatsmedien – hängen am Tropf des Staates und derer, die sich seines bemächtigen. Es ändert aber auch nichts daran, dass mehr Journalismus auch dort möglich wäre, die Öffentlichkeit kann eine Macht sein, wenn man sie gegen die Mächtigen ins Felde führt.
Gefesselte Medien, entfesselte Politik
Nochmal sei betont: Die Politik ist nicht unschuldig, nicht in dem Sinne, wie ein unbeaufsichtigtes Kleinkind unschuldig ist, wenn es in Abwesenheit einer Aufsicht Dinge treibt, die es nicht soll. Aber da das Wesen der Politik nie unschuldig sein kann, ist es eben auch nicht verwunderlich, dass sie Sachen dreht, die sie nicht sollte oder darf. Der Journalismus ist ein Stück weit auch Nanny und Gouvernante, eine Aufsichtsinstanz, die zwar nicht verbieten oder Einhalt gebieten, die aber Druck durch Veröffentlichung erzeugen kann. Wenn er das nicht tut, entfesselt er die der Politik immanenten Triebe umso mehr.
Die Krise der Politik, von der wir häufig lesen und die wir unter verschiedenen Labels kennen, etwa unter jenem des »Demokratieverfalls«, ist an sich keine politische Krise. Sie ist eine Krise der Medien. Die politische Kaste wandelt tendenziell immer am Rande des Demokratieverfalls, weil sie von Figuren umrankt wird, gemeinhin aus der Wirtschaft, die von Demokratie wenig bis gar nichts halten. Es liegt im Wesen der zeitgenössischen Politikerzunft, sich verleiten, bedrängen, abdrängen und manipulieren zu lassen – und wegzublicken oder zuzugreifen, wo sich Opportunitäten auftun.
Das ist keine Kleinigkeit, denn das widerspricht der Abordnung, als die sie ja gewählt wurden. Aber das System war nie rund, es bot immer Ausflüchte. Die demokratischen Instanzen sind nicht geeignet, abwegige Politiker einzufangen – wenn sie es denn wollten, was sie aber regulär nicht tun. Das können nur Außenstehende, die die Potenz haben, ihre Beobachtungen weiterzugeben. Diese Außenstehenden nannte man mal Journalisten. Heute sind sie Mitverschworene. Und sie sind Insider, keine Outsider mehr.
Die Politik tut, was sie kann. So lange sie es kann. So oft sie kann. Und so drastisch sie kann. Sie ist entfesselt und der Grund ist lapidar: Weil. Sie. Es. Kann. Und warum kann sie es? Weil es der Journalismus nicht mehr kann. Nicht mehr können will. Weil er es vorzieht, nicht zu hart zu recherchieren, zu direkt zu konfrontieren, weil er dazu übergangen ist, Teil des politischen Apparates zu werden – und weil er nicht mehr Teil der Gewaltenteilung sein möchte. Aus dem Versuch eines Korrektivs, das die Zustände durchleuchtet, aus der Publikative, ist eine Affirmative geworden. Eine Instanz, die Missstände bejaht, indem sie sie nicht mehr aufs Tapet bringt.
Hallo Roberto,
das ist aus meiner Sicht eine etwas verengte Sichtweise. Ich bin verwundert darüber.
Die Politker tun, was sie tun, weil die Presse sie nicht korrigiert. Hmmm…
Das unterstellt erstens, daß unsere Politiker schon früher genau so zerstörerisch, amoralisch und totalitär gehandelt hätten, wie sie es heute tun, wenn nicht damals die Presse wenigstens noch halbwegs ihren Job gemacht hätte.
Ich denke viel eher, die Politiker haben früher einen anderen, demokratischeren Job gemacht, weil sie erstes noch nicht in so großem Stil gekauft waren, wie sie es heute sind. Es war ja noch eine ganz andere Generation, mit anderer Lebenserfahrung und einem ganz anderen Bildungsgrad.
Und ja, sicher auch ein bißchen, weil die Presse damals noch nicht in dem Maße gekauft war, wie sie es heute ist. Und das gilt für die gesamte Presse, Staatsmedien und „freie Presse“ (ein lustiges Wort).
Und dann – am wichtigsten – die Politik hat früher einen besseren Job gemacht, weil die Gruppen sie haben machen lassen, die sie im Hintergrund eigentlich kontrollieren und die eigentlich die Fäden ziehen.
Und das ist und war schon immer der tiefe Staat, die Reichen und Mächtigen in Deutschland (und inzwischen der Welt) und jene, auf deren Gehaltslisten sie unmittelbar stehen.
Hier die Presse, die genau den gleichen Leuten untersteht, denen auch die Politiker (führend) dienen, verantwortlich zu machen, ist wie das Betrachten eines winzigen Teilausschnittes eines Bildes und von dort auf das Gesamtbild schließen zu wollen.
Die Presse und die Politik sind ein Team, das schon seit vielen Jahren (oder Jahrzehnten) im Dienste nicht des Bürgers, sondern der Mächtigen spielt. Die checks und balances Story war meiner Meinung nach mindestens seit 9/11 nicht mehr real und nicht erst in jüngerer Zeit. Man hat diese Story eben solange am Leben erhalten, wie man sie brauchte, um Demokratie zu simulieren.
Du gehst von einer moralischen Politik aus. Die gibt es nicht. Wird es nie geben. Hat es nie gegeben. Das Prinzip der Gewaltenteilung weiß das, deswegen existiert es ja. Die Medien haben Öffentlichkeit herzustellen. Das ist sicher einer Frage der Strukturierung. Darüber würde gesondert zu sprechen sein.
Hmmm. Von einer moralischen Politik gehe ich nicht wirklich aus, aber ich gebe zu, dass ich denke, dass das ggf. kurz nach dem verheerenden Weltkriegen zumindest in Deutschland anders war.
Zur Frage der Gewaltenteilung, hier: vierte Gewalt, also Medien gäbe es jetzt tatsächlich Bedarf für eine längere und sicher interessante Diskussion. Per Kommentarfunktion (die zudem nicht zuverlässig funktioniert) etwas schwierig.
Wenn ich demnächst wieder in Frankfurt bin gerne Stammtisch machen. 😁
Grüße
Da es euch vielleicht noch unbekannt ist ein neues Format, dass ich erst kürzlich entdeckt habe und wo sich ein Journalist, Satiriker und Komödiant über die (Main-)streammedien, die Politiker, Genderei, Cancel-Culture. „öffentlich verächtliche Medien“ (Zitat von ihm über die ÖRR), Talkshow-ModeratorInnen (“ Was erlauben Lanz!) und ähnlichen gesellschaftlichen Unsinn lustig macht, und auch durchaus – ohne Berührungsängeste, oder Angst vor Kontaktschuldvorwürfen seine Youtube-Videos an den Mann bringt- Er beschränkt sich nicht nur auf Politiker sondern generell was für Müll die ÖRR verbreiten….
„Der Medienfuzzi“
Hier mal ein Hinweis auf ein aktuelles Video vom Mittwoch – mehr, inkl. Sendetermine, erfahrt ihr auf dem Youtube-Kanal vom „Medienfuzzi“:
Link, auch zum Weitersagen (und Warnhinweis wegen bald einsetzender Lachanfälle 😉 )
https://www.youtube.com/watch?v=8rOO1Kuh410
Amüsierte Grüße
Bernie
Ergänzend zu meinem Hinweis zum Medienfuzzy – auch seine Shorts sind weiterverbreitenswerr – und werden fortlaufend von ihm aktualisiert 👍🤣🤣🤣🤣🤣
Mensch hat sonst so wenig zu lachen – seit die Mainstreammedien im Gleichschritt mit der Regierung 💩 bauen – der Medienfuzzi ist da eine gute Therapie z.b. gegen meine ständige Lebensmüdigkeit und Depression 👍😎
Danke für den Hinweis, Bernie.
Gerne geschen lieber Roberto J. de Lapuente, übrigens auch Tom J. Wellbrock könnte sich drüber freuen, denn Oliver Brendel, der Satiriker, läßt sich auch genüßlich, und ziemlich gut über Markus Lanz, und diverse Talkshow-Formate aus – meist aber über Lanz…..eigentlich geht’s dem Herrn Brendel nicht allein um unsinnige Politik sondern, wie oben erwähnt um berechtigte Kritik an den ÖRR – er nennt sie „öffentlich verächtliche Medien“ – und in der letzten Folge äußerte er sich auch ernst – frei nach dem Motto „Liebe Ampel, eine Bitte an euch – tretet zurück und macht den Weg für Neuwahlen frei….“…..
Ein wirklich weiterempfehlendes Format, auch die alten Folgen sind interessant, und treffen immer wieder ins Schwarze – hab da mal reingeschnuppert – Brendel ist Journalist, Komödiant und Satiriker……aber macht euch selbst ein Bild….
Viele Grüße
Bernie
Spätestens seit Corona sollte auch dem dümmsten aufgefallen sein, dass die faschistoiden Wokies der Mainstreammedien irgendetwas fordern und wenn nicht spätestens eine Woche später eine Regierung genau diese „Vorschläge“ umsetzt, werden übelste Kampagnen gegen diese gefahren.
Und noch viel schlimmer wenn auch nur leise Kritik gegen diese aus dieser kommt. Dann ist derjenige der es wagt den Mund aufzumachen zuerst „rechtsoffen“ und wenn dieser dann nicht einknickt ganz schnell „voll Nadsi“!
Bei dem Thema Russland/Putin läuft es exakt gleich ab!
Hingegen die Lieblinge von SPON, Zeit und Co., Baerbock, Habeck usw., können noch so sehr versagen und trotzdem werden die auf ein Podest gehoben, als wären diese Götter.
Und die leiseste Kritik vor allem gegen die genannten Grünen ist mindestens Majestätsbeleidigung!