Pathologischer Profit

Bleiben Sie gesund! Nein, dieser Satz ist nicht als »Corona-Gruß« gedacht, er ist ein Ratschlag: Denn krank zu sein, können Sie sich nicht leisten — nicht jetzt und noch weniger in Zukunft.

Bis neulich habe ich noch im Gesundheitswesen gearbeitet. Etwas mehr als sechs Jahre war ich in einer Krankenhausverwaltung tätig, zuletzt direkt in der Patientenaufnahme. Als Quereinsteiger staunte ich nicht schlecht, wie miserabel ausgestattet der Betrieb zuweilen war. Klar, auch bevor ich dort tätig wurde, wusste ich ob dieser Umstände. Wenn man sie dann aber am eigenen Leib erfährt, ist es schon noch mal was anderes. Aus Gründen habe ich dann den Absprung geschafft.

Schon alleine aufgrund meiner Berufserfahrung neige ich dazu, nach Büchern Ausschau zu halten, die sich mit den Verwerfungen des Gesundheitswesens befassen. Dabei fiel mir auf, dass es nicht viele gibt, die sich wirklich kritisch mit den Nickligkeiten des Systems auseinandersetzen. In den Medien reduziert sich die Kritik am Gesundheitswesen — wenn es denn überhaupt eine gibt — an der schlechten Bezahlung von Pflegekräften. Dabei sind im Systemischen so viel skandalöse Fehlanreize gesetzt, dass von einer Medizin für die Menschen nur noch schwerlich gesprochen werden kann. Gerade jetzt, da die Politik dazu neigt, das deutsche Gesundheitswesen als funktionstüchtig zu loben, weil es während der Pandemie nicht völlig in sich zusammenbrach, ist es wichtig, die systemische Frage aufzuwerfen.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Corinna
Corinna
1 Jahr zuvor

Das Buch „Der betrogene Patient“ von Gerd Reuther befasst sich ebenfalls, zumindest stellenweise, mit den Verwerfungen im Gesundheitswesen. Da hatte ich beim Lesen so einige AHA-Effekte.

Pentimento
Pentimento
1 Jahr zuvor

,

wichtiger Artikel, dankeschön. habe auch den ersten Teil mit Interesse noch einmal gelesen.

Ich erinnere noch Krankenhäuser, in denen man gern gewesen ist, und sich gut aufgehoben fühlte, denn es waren Mediziner, die dort das Sagen hatten, nicht die Verwaltung, und den Schwestern wurde mit Respekt begegnet. Die Kliniken wurden von der Stadt verwaltet und waren oft der Universität angegliedert.

Meine Mutter war Röntgenassistentin, und zwei meiner Geschwister sind Ärzte geworden. In den Semesterferien habe ich regelmäßig als Stationshilfe etwas Geld verdient. Selbst das machte Freude. Heute würde das wohl keiner mehr wollen. Damals aber war bei vielen tatsächlich noch Idealismus im Spiel.

Gut, daß es Dir noch gelungen ist, Dich dort auszufädeln. Viel Glück bei Deiner neuen Tätigkeit.

Last edited 1 Jahr zuvor by Pentimento
Daniel D. Dietze
Daniel D. Dietze
1 Jahr zuvor

Klasse Beitrag!

„Dass die Versorgung im Krankenhaus sich am Profit orientiert und nicht am Patientenwohl, ist schon lange kein Geheimnis mehr.“

Ich glaube, ich erwähnte es hier schon. Ich möchte es dennoch hervorheben. In den Elblandkliniken ist ehrlicherweise vom „Kundenwohl“ die Rede. Auf ausliegenden „Kundenkarten“ kann man seine Un-/Zufriedenheit äußern.
Ich durfte auch mal (beruflich bedingt) in dem ein oder anderen Krankenhaus Mäuschen spielen (alles legal) und hatte über Wochen tiefe Einblicke inventarischer Natur. In so gut wie jedem Zimmer, in so gut wie jeder Schublade, an so gut wie jedem technischen Gerät (in auskunftsbereiter Begleitung eines Medizintechnikers) und im Inventursystem der Kliniken. Das war stets sehr aufschlussreich. Seit dem frage ich mich nicht mehr, wo die massiven Ausgaben herkommen, wenn sie doch bei den meisten Mitarbeitern gar nicht ankommen. Wenn beispielsweise Fragen der Ausstattung nicht in Bezug auf Funktionstüchtigkeit beantwortet werden, sondern in einem Abschreibungsrechner, fehlt zumindest mir persönlich der Bezug zur Realität.

„Krankenhäuser boykottiert man nicht so einfach wie Amazon.“

So ist es. Ich meine, alles was man nicht boykotteren kann, ist von öffentlichem Interesse und gehört in öffentliche Hand. Das zählt freilich auch für den öffentlichen Verkehr, die Infrastruktur allgemein und Bildung (im besten Sinne). Besten Dank für deinen privaten Beitrag zur gesellschaftlichen Bildung, Roberto.

Pentimento
Pentimento
Reply to  Daniel D. Dietze
1 Jahr zuvor

Alles was man nicht boykotteren kann, ist von öffentlichem Interesse und gehört in öffentliche Hand.

Volle Zustimmung!

Pascal
Pascal
1 Jahr zuvor

Tja, in der Tat, es ist ein Krankheitssystem, kein Gesundheitssystem, aber das ist weder neu noch veränderbar, deswegen verstehe ich auch, warum sich die beiden Autoren zu zurückhaltend äussern über das, was anders sein müsste.

Es soll aber angemerkt werden, dass Dr. Hontschik bereits Bücher darüber geschrieben hat, wie das richtige Verhältnis Arzt-Patient auszusehen hat, welche Philosophie erstrebenswert ist.

Nun ja, wenn man jemanden wie Lauterbach zum Gesundheitsminister macht, braucht sich nicht zu wundern, warum nichts anders wird, warum nichts anders werden SOLL.
Mit ihm hat man sprichtwörtlich den Bock zum Gärtner gemacht.
Aber Lauterbachs gibt es in allen westlichen Ländern, deswegen sieht auch dort oft nicht viel anders aus als D.

Juergen Wehrse
Reply to  Pascal
1 Jahr zuvor

Einen Aspekt möchte ich dazu noch erwähnen: Profit durch den Einsatz von Robotik.
Hier in Oldenburg wird fast täglich über den (hohen)Forschungsstand der Uni-Robotik berichtet: Robotik im Gesundheitswesen, Robotik in der (unbemannten)See/Luftfahrt etc. Da wird die Reise wohl hin gehen – falls nicht mal der Strom ausfällt . . .

Brian
Brian
Reply to  Juergen Wehrse
1 Jahr zuvor

Und damit einher geht dann eine immer größere Entfremdung und immer weniger Menschlichkeit…

Brian
Brian
1 Jahr zuvor

Es gibt sie durchaus, die literarische Kritik an unserem Krankheitssystem.
Ivan Illichs‘ „Die Nemesis der Medizin“ ist ja fast schon ein Klassiker, „Die Medizin heilen“ von Klaus-Dieter Platsch ist ein weiteres Buch, auch bei Harald Walach und noch einigen anderen ist dies ein Thema.
Den Begründer meiner Profession hat die Vorgehensweise der damaligen Medizin (so um die 1870er Jahre; die sich von der heutigen nur im Strukturellen, Technischen unterscheidet, nicht aber von der Sichtweise, dem Prinzip) so sehr gestört, daß er in jahrzehntelanger Arbeit eine medizinische Behandlungsform entwickelte (und sich dabei natürlich auf Erkenntnisse früherer Zeiten stützte), die man wirklich ganzheitlich nennen kann (auch wenn mir dieser Begriff mittlerweile zu inflationär benutzt wird).
Machen wir uns nichts vor : wir brauchen in vielerlei Hinsicht dringendst einen Neustart
(nicht nur im medizinischen Bereich). Aber ganz bestimmt nicht im Sinne des Schwaben-Imperators, Billy the kid und wie sie alle heißen…
Allerdings bräuchte es dazu mittlerweile ein Wunder. Und an die glaube ich nicht.

Last edited 1 Jahr zuvor by Brian
Daniel D. Dietze
Daniel D. Dietze
Reply to  Brian
1 Jahr zuvor

„ein Wunder“

Sollte ich dir mal vorführen können, wie man aus Wasser Wein macht, „glaubst“ du auch an Wunder. 😉

Brian
Brian
Reply to  Daniel D. Dietze
1 Jahr zuvor

Ok, man kann (muss ?) es natürlich auch ein bißchen differenzieren.
Etwas, was für mich immer wieder an ein Wunder grenzt, ist und bleibt die Natur, in all ihrer Schönheit, ihren Vorgängen, ihren Geheimnissen.
Da stehe ich wirklich immer wieder in absoluter Ehrfurcht und Demut vor (und
das ist in diesem Falle völlig ernst gemeint).

Brian
Brian
Reply to  Brian
1 Jahr zuvor

Etwas OT :
Was mich z.Zt. völlig wahnsinnig macht, ist die m.E immer weiter um sich greifende Ignoranz bzw. ein regelrechtes Totstellen. Womit ich jetzt nur am Rande die allgemeine Gleichgültigkeit vieler Zeitgenossen bezüglich politischer
Situationen oder dem Cocolores-Thema gegenüber meine.
Fast schon banal : ich habe Probleme mit meinem (zukünftigen Ex-) Telefonanbieter und versuche das zu klären, es wird ignoriert. Ich versuche
Angelegenheiten mit verschiedenen Ämtern oder ‚Versicherungen‘ zu klären, es
wird ignoriert. Besonders krass : ein Amt hat die Annahme eines Briefes von mir
schlichtweg verweigert.
Nicht, daß solche Dinge nicht auch schon früher mal vorgekommen sind, aber
ich habe irgendwie den Eindruck, daß das zugenommen hat. Einfach verhalten
wie die drei Affen. Hat jemand von euch irgendwelche ähnlichen Erfahrungen
gemacht ?
(Ich meine, Ähnliches ist ja z.B. aktuell beim Bundesverfassungsgericht zu
beobachten; von der Politik und den Medien ganz zu schweigen).

Last edited 1 Jahr zuvor by Brian
Pentimento
Pentimento
Reply to  Brian
1 Jahr zuvor

@Brian

das habe ich auch beobachtet. Und zwar seit dem Covidroman und den damit vebundenen Lockdowns.

Es ist, als befinde sich die Welt in einer Art Totstellreflex, als seien die Menschen erstarrt. Vielleicht in Erwartung des nächsten Schlages oder in Erwartung des Endes.

Brian
Brian
Reply to  Pentimento
1 Jahr zuvor

Passt !
Allerdings denke ich auch, daß sich manche Menschen offensichtlich als unantastbar wähnen (siehe Briefannahme-Verweigerung). Das ist in dem Falle
dann einfach nur hochmütig. Aber damit kennen wir Deutsche uns ja besonders
gut aus.

Art Vanderley
Art Vanderley
1 Jahr zuvor

Guter Artikel.
„ist es wichtig, die systemische Frage aufzuwerfen.“
Und man sollte diese Aussage erweitern.
Schon die Pandemie an sich war keine Naturkatastrophe, sondern Systemversagen.China überwacht seine Bürger mit einem riesigen Hightech-Apparat, kann aber nicht für ein Minimum an Hygiene sorgen (wenn es denn nur die „nassen“ Märkte waren).
Wir, etwa mit unseren Multiresistenzen, sind auch nicht viel besser.
Erreger sind natürlichen Ursprungs, Pandemien aber immer Systemversagen, das galt auch schon für die Pocken, die Pest, Cholera oder AIDS.