Die Geschichte von Anna und den Befreiern

Vor einigen Wochen tauchte im Internet ein Video auf. Es erzählt die Geschichte einer ukrainischen Babuschka und ihre Hoffnung auf die Ankunft der Befreier. Es ist von schlechter Qualität, verwackelt, mit viel akustischem und visuellem Rauschen. Zu sehen ist eine alte Frau, die mit der Fahne der Sowjetunion auf Soldaten in einem gepanzerten Fahrzeug zugeht, die sie für Soldaten der russischen Armee hält. Die Soldaten lassen sie in dem Glauben. Sie fragen, ob Babuschka sie erwartet hätte. Die Alte bejaht, bekennt sich zu Putin, meint, sie hätte für Putin gebetet.

Einer der Soldaten überreicht ihr Lebensmittel, die sie annimmt. Während der gesamten Szene meint der Soldat an seinen Hintermann gerichtet immer wieder, “nimm das auf, nimm das auf”. Während er ihr einige Konserven und schließlich eine Tüte mit Lebensmitteln, überreicht, übernimmt der Soldat die Fahne von Babuschka. Es wirkt zunächst wie eine hilfreiche Geste. Sie zeigt sich dankbar. Dann aber nötig er die alte Frau, “Slava Ukraine” zu sagen. Jetzt versteht sie: Es sind die falschen. Sie gibt die Lebensmittel zurück. Die Fahne der Sowjetunion liegt inzwischen am Boden, der Soldat steht auf ihr. Sie fordert die Flagge zurück. Für diese Flagge seien ihre Eltern gestorben, lässt sie den Soldaten wissen.

 

Es ist ein berührendes Video. Es wurde von ukrainischen Soldaten gemacht.  Ziel der Aufnahme war die Verhöhnung der ukrainischen Babuschka. Das Gegenteil wurde erreicht.

Babuschka umkreist die Erde

In Ekaterinburg, der russischen Millionenstadt an der Grenze zu Asien im Ural tauchte ein Graffiti auf. Es zeigt die alte Frau mit der Fahne der Sowjetunion in der Hand. Ihr Schatten aber hat die Gestalt der berühmten Mutter-Heimat-Statue auf dem Mamajew-Hügel in Wolgograd, die zur Schlacht gegen den Faschismus ruft. Russland wurde eine Heldin geboren. Eine anonyme. Wer die Frau ist, wo sie genau wohnt, bleibt zunächst unbekannt.

Das Video wurde vielfach kopiert, bearbeitet, weiter geteilt. Varianten des Graffiti wurden erstellt und fanden schnelle Verbreitung. Die alte Frau ziert inzwischen T-Shirts und Tassen. Das Video fand in einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats Erwähnung. Roskosmos, die russische Raumfahrtagentur hat eine Zeichnung der alten Frau auf eine Trägerrakete aufgebracht. Die ukrainische Babuschka kreist jetzt über uns.

Babauschka und die Deutschen

Von all dem haben deutsche Medienkonsumenten nichts mitbekommen. Aus einem ganz einfachen Grund: Die berührende Geschichte der ukrainischen Babuschka bricht völlig mit dem in unseren Medien verbreiteten Narrativ.

Natürlich höre ich schon die Einwände, das Video sei eine Inszenierung der russischen Propaganda. Vielleicht, keine Ahnung. Vermutlich eher nicht. Denn dazu ist dreierlei zu sagen. Zum einen braucht Russland diese Form der Propaganda aktuell nicht. Die Mehrheit steht hinter der Operation zur Befreiung des Donbass. Das Bild in Russland über die Vorgänge in der Ukraine ist sicherlich auch einseitig, aber dennoch deutlich differenzierter als bei uns. Zweitens ist Russland klar, dass diese Form der Propaganda im Westen mit seinen gleichgeschalteten Medien ohnehin niemanden erreichen würde. Drittens steht dieses Video nicht allein. Es gibt zahlreiche Zeugnisse, dass die russische Armee in vielen Dörfern, Städten und Gemeinden tatsächlich als Befreier begrüßt worden ist. Die ukrainische Babuschka ist lediglich das berührendste Beispiel.

Man sollte daher eher den Gedanken zulassen, dass etwas mit unserem Narrativ und mit unseren Medien nicht stimmt. Sie beschreiben sich selbst als unabhängig, sind aber faktisch Teil der Kriegs- und Propagandamaschine. Wären sie tatsächlich unabhängig, hätten zumindest einige von ihnen die Geschichte der ukrainischen Babuschka gebracht. Es ist eine herzergreifende Geschichte am Rande des Krieges. Inzwischen wurde die ukrainische Babuschka auch gefunden. Sie heißt laut Medienberichten Anna und wohnt in der Region Charkow. Man kann gespannt sein, was weiter passiert, zumal in wenigen Tagen, am 9. Mai das Kriegsende 1945 und damit der Tag der Befreiung vom Faschismus begangen wird. Ein für Russland wichtiger Feiertag.

Anna und der Krieg

Statt von Anna hätte man auch vom “Konzert der Hoffnung” berichten können, das vor einigen Tagen in Mariupol stattfand – ein Benefizkonzert anlässlich der Befreiung der Stadt. Oder man hätte einen der vielen Berichte aufnehmen können, in denen die Einwohner von Mariupol der russischen Armee dankbar sind und von Kriegsverbrechen der ukrainischen Seite berichten. Das aber passt alles nicht ins Narrativ, ich weiß. Das wissen auch die Redaktionen. Daher wird es einfach weggelassen. Aber echter Journalismus hat eben nicht die Aufgabe Narrative zu bedienen und Haltung zu trainieren, sondern die Komplexität von Welt darzustellen. Dazu gehören auch Fakten und Vorgänge, welche die eigene Weltsicht stören. Dazu gehört, dass es im Osten der Ukraine zahlreiche Zeugnisse dafür gibt, dass viele Menschen den russischen Einmarsch nicht als Bedrohung, sondern als Befreiung empfinden.

Deutsche Propaganda

Klar, das hätte Auswirkungen. Die Bereitschaft der Deutschen, Waffen dorthin zu schicken und Kriegspartei zu werden, würde sofort rapide abnehmen. Es würde die ganze Kriegsgeilheit, die Deutschland aktuell im Griff hält, kräftig dämpfen. Die jetzige Bereitschaft, eine Eskalation mitzutragen, beruht unter anderem auf der falschen Annahme, die Menschen in der Ukraine würden unter dem Einmarsch der Russen leiden und wären prinzipiell gegen ihn. Das ist falsch. Die Lage ist viel differenzierter, aber die deutschen Medien bilden diese Vielschichtigkeit in keiner Weise ab.

Dass unsere Medien darüber nicht berichten, ist kein Versehen, denn die Bilder und Zeugnisse sind für jeden Journalisten einfach und schnell zu recherchieren. Sie werden nicht gebracht, weil der deutsche Journalismus eben nicht frei und unabhängig, sondern aktuell Teil der Kriegsmaschinerie ist. Er dient der Eskalation und erzieht zur Bereitschaft zum Krieg. Deutschland wiederholt seine Fehler zwanghaft immer und immer wieder. Der Zustand des deutschen Journalismus zeigt auch, dass die Annahme, falsch ist, wenn der Staat keine eigene Medien unterhält,  gäbe es keine Vereinnahmung. Die Schaffung von öffentlich-rechtlichen Medien ist nicht hinreichend, um vor dem Abrutschen in die Propaganda zu bewahren. Der deutsche Journalismus ist an seiner Aufgabe gescheitert.

Das Video von Anna, das aufgenommen wurde, um sie zu demütigen, sollte uns die Augen öffnen. Die Verhältnisse sind nicht so einfach, wie sie uns medial dargestellt werden.  Es ist nicht Putins Krieg, Selensky ist nicht der Gute und unsere Medien sind längst in den Krieg eingetreten. Anna aber wünsche ich aus vollem Herzen, dass sie demnächst wieder Lebensmittel überreicht bekommt. Dieses Mal von den herbeigesehnten Befreiern. Und uns wünsche ich besseren Journalismus sowie die Fähigkeit aus der Geschichte zu lernen.

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Gert-Ewen Ungar

Gert Ewen Ungar legte sich kurz nach dem Abi sein Anagramm zu. Er und seine Freunde versprachen sich damals bei einem Kasten Bier, ihre Anagramme immer für kreative Arbeiten zu verwenden. Dass sein Anagramm jemals mehr als zehn Leuten bekannt werden würde, war damals nicht abzusehen und überrascht ihn noch heute. Das es dazu kam, lag an seinem Blog logon-echon.com. Mit seinen Berichten über seine Reisen nach Russland stiegen die Zugriffszahlen und es entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit RT DE. Anfang 2022 stieß er zu den neulandrebellen und berichtet über Russland, über Politik, über alles Mögliche.

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29 Gedanken zu „Die Geschichte von Anna und den Befreiern

  • 4. Mai 2022 um 10:52
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    Vielen Dank.
    Auch bei Thomas Röper las ich etwas zu dieser Babuschka und auch dass sie inzwischen gefunden wurde, es ihr gut geht.
    https://tinyurl.com/sjpk3ek8

    Die Idee, einen Fraktur-Buchstaben zu benutzen, darauf muss man erstmal kommen.
    @Cetzer
    Dir fällt sicher noch was zu dieser Büroklammer ein.

    • 6. Mai 2022 um 16:02
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      Büroklammer

      Was die Büroklammer zusammengefügt hat, soll der Aktenschredder nicht scheiden.

      Das Bild vom Wald hat mich in die gespannte Ruhe vor dem Sturm versetzt, weil im nächsten Moment eine fotogene Wildschwein-Horde¹ durch Unterholz und Wanderweg brechen wird.

      ¹Unter dem Kommando des berüchtigten Rottenführers Putin

      • 6. Mai 2022 um 16:12
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        @Cetzer

        LOL

      • 6. Mai 2022 um 19:31
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        @ Cetzer
        Aaah!!!
        Das gefällt mich sehr.

  • 4. Mai 2022 um 13:09
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    Lieber Anna als Annalena, lieber gutmütig und lebensfroh als hasserfüllt und strunzdumm, lieber armes Mütterchen als macht- und geldgierige Aussenministerdarstellerin.

    Leider zeigt sich heutigentags Anteilnahme oft so emphatielos wie durch kapitalistische Vermarktung auf T-Shirts und Kaffeetassen, und ich nehme mal an von den Erlösen bekommt die gutmütige Anna nicht mal ein Lebensmittelpaket zu sehen. Schöne neue Welt. Nicht.

    • 4. Mai 2022 um 16:08
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      Ein Kommentar der diese rührende Geschichte auf den Punkt bringt.
      Danke an den Author für den Beitrag!

      Mir tun die Ukrainer leid. Hoffentlich jagen sie diesen eitlen Selbstdarsteller, ihren Präsidenten bald davon, und ergben sich. Als POW der Russen haben sie es besser, als wenn sie für die USA in einem von deren endlosen Kriegen kämpfen. Zum Glück spricht sich das langsam herum.

    • 4. Mai 2022 um 16:37
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      Ist mein Kommentar verschwunden?

      • 4. Mai 2022 um 17:45
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        Vermutlich das Übliche, ich hatte nun eine Weile keinen Ärger damit. Musst wohl warten, bis Gerd den freischaltet. Repost als Antwort tut meist.

      • 4. Mai 2022 um 17:49
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        Ich hab nix gelöscht

        • 4. Mai 2022 um 18:00
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          Vielleicht hab ich vergessen auf abschicken zu klicken..

          Danke für den Artikel! Sehr anrührend. Tolle Frau, diese Babuschka.

        • 4. Mai 2022 um 20:09
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          Ich bin sicher, dass Du nichts gelöscht hast :). Aber manchmal schickt WP Postings in den „Awaiting for Approval“-Keller. Da muss sie dann einer händisch rausfischen. Nervt, weil es den Diskussionsfluss im Thread stört.

          • 4. Mai 2022 um 20:19
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            @aquadraht

            In der Tat.
            Was nützt ein Kommentar, der erst veröffentlicht wird, wenn der Zug schon längst abgefahren ist und bereits über den nächsten Artikel diskutiert wird?

  • 4. Mai 2022 um 17:12
    Permalink

    Danke, Gerd (ok ich kannte das ja schon 🙂 ), wichtig, das in unserem Verliess der Ahnungslosen wenigstens etwas publik zu machen. Hier übrigens eine Bildinterpretation aus China: https://colonelcassad.livejournal.com/7575407.html . Gerade bemüchen sich die EU-Faschisten, weitere russische Kanäle zu sperren. Widerwärtiges Pack.

    Eine Bitte: Könnt Ihr dieses Video https://t.me/Rot_Okt/292 weiter verbreiten? Gerade angesichts der Kampagen zur Entju..russung aller Aspekte der Kultur und der „Arisierung“ russischen Eigentums im Westen. Man sieht da auch, was für ein Lügner und Heuchler der Kokainissimus ist (naja oder hat schlicht Schiss gekriegt vor den Nazis, die es ja in der Ukraine nicht gibt. Wäre auch keine Entschuldigung.

    • 4. Mai 2022 um 17:57
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      ja, verbreite ich, bei RT muss man sich in die Verteilerliste eintragen, dann bekommt man tgl. die aktuelle URL.

      Heute: https://ilovetheeu.rtde.live/

      Slava Russia!

      • 4. Mai 2022 um 20:11
        Permalink

        Danke. Ich hab kein Problem mit RT, weil ich den Nameserver von Yandex als default Nameserver hab. Man kann auch bei Firefox secure DNS einschalten, das umgeht die EU auch, soweit ich weiss. Allerdings traue ich den Servern nicht so ganz, gerade klautflair nicht, und den andern kenn ich nicht.

  • 5. Mai 2022 um 7:00
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    Journalisten sind Täter.

    • 5. Mai 2022 um 19:29
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      Prust – wie gut für die Russen, dass sie nicht so einen Jute-statt-Plastik-Habeck wie wir an der Backe haben :-).

      • 5. Mai 2022 um 20:02
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        @Schwitzig

        Ich habe den Artikel zuerst auf RT gelesen und mich schlapp gelacht.
        Diese ganze US-Arschkriecher-Politik ist so absurd, dass man nicht weiß., ob man lachen oder weinen soll.

        Letzten Endes wird es darauf hinauslaufen, dass uns nur noch nackte Gewalt vor der Gewalt dieser Idioten retten kann.
        Jedwede Verninft und europäische Interesen wurden schon längst zu Grabe getragen.

        Eine andere Sprache verstehen diese transatlantischen U-Boote anscheinend nicht, weil das pseudo-demokratische System ihnen die entsprechende Macht verleiht.

        • 5. Mai 2022 um 20:54
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          Ja, ich fürchte, dass Du das korrekt einschätzt, aber hoffe, dass die Entscheidungsträger rechtzeitig genügend Angst vor den Folgen ihrer Dummheit/Verblendung/Korruption bekommen.

          • 5. Mai 2022 um 21:21
            Permalink

            @Schwitzig

            Das kannst du wohl knicken.
            Die fühlen sich wie die Kartoffelschnipsel in einer Friteuse, die immer schön oben schwimmen.
            Man mus ihnen den Stecker ziehen, um sie zur Raisson zu bringen.

        • 5. Mai 2022 um 20:54
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          Herr Steinmeier hat scheinbar die Ukraine gebeten, mit ihm zu telefonieren, umProbleme aus der Welt zu schaffen. Lächerlich, wer finanzier wen? Bald müssen wir morgens der ukrainischen Fahne huldigen!

    • 6. Mai 2022 um 16:12
      Permalink

      Für Deutschland nur ein kleines Problem:

      Wer Maske trägt, braucht keine Kondome.

      • 6. Mai 2022 um 17:58
        Permalink

        @Cetzer

        Naja, auch ohne Maske sind beim „Salto orale“ Schwangerschaften eher selten. 😉

    • 5. Mai 2022 um 21:06
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      Biolabore sind. leider. schon aktiv

    • 5. Mai 2022 um 21:24
      Permalink

      @Schwitzig

      Ist das nich schon Gentherapie, ein entartetes X-Chromosom in die Ukraine einzupflanzen? 🙂

Kommentare sind geschlossen.