Allianz der Überarbeiteten

Nachdem zwei Abgeordnete ans Ende ihrer Kräfte kamen, behauptet die Politik, dass sie die Arbeitsbedingungen an Grenzen bringe, während andere meinen, Politiker sollten sich nicht so anstellen. Beide machen es sich zu einfach.

Plötzlich war die Gilde der Politikerinnen und Politiker ergriffen – vom eigenen Unglück. Der Stress des eigenen Berufsstandes, traurig dokumentiert durch Schwächeanfälle etwaiger Kollegen, stimmte dann doch nachdenklich. Die Belastung sei höher geworden, mahnte die Zunft. Das Pensum dramatisch gestiegen. Dazu noch die Mühsal durch die AfD. In den Netzwerken wird darüber freilich gespöttelt und geschimpft, die Politik jammere ja nur auf hohem Niveau – wobei die politischen Arbeitstiere es einem wirklich einfach machen, zu so einer Reaktion zu gelangen.

Der SPD-Beinahevorsitzende Karl Lauterbach etwa, der einen besorgten Tweet absetzte, war da mal wieder beispielhaft. Er schrieb: »Die Arbeitsbedingungen im Bundestag sind weder gesund noch gut für die Gesetze, die wir machen. So kann es nicht bleiben.« Sieht das bei anderen Berufsfeldern aber so viel anders aus? Sagen nicht Pflegekräfte schon seit Jahren, dass es so nicht bleiben kann? Und die Polizei? Der Zoll? Die Lehrer und Ärzte? Und überhaupt alle, die in trauter Regelmäßigkeit Überstunden leisten müssen? Auch sie mahnen an, dass die Bedingungen krankmachen und die Arbeitsqualität mindern.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Defi Brillator
Defi Brillator
4 Jahre zuvor

Merke: Alles Schlechte dieser Erde passiert durch Arbeit! Mikroplastik, Atommüll, unaufbereitbares Wasser, Feinstaub, Niedriglohn, Lebensverkürzung, Burnout und Depression. 2 Tage mal nicht gearbeitet = Umwelt- und Eigenschutz pur!

Heldentasse
Reply to  Defi Brillator
4 Jahre zuvor

Was schlecht oder gut ist, entscheidet die Perspektive. So wie es jetzt läuft ist doch für geschätzte 0,1% der Menschen sehr gut. Weil die Mehrheit sich gegenseitig zum Nutzen dieser kleinen Minderheit ausbeuten, und fertig machen. Das interessante dabei sind auch viele Abgeordnete der Sozen, die dies noch mal beschleunigt haben.

Beste Grüße

niki
niki
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Arbeit ist für die Menschen ja oft mehr als nur Geldverdienen.

Da ist die Frage warum dem so ist..? Denn oft wird (Lohn-)Arbeit als der Lebenssinn in der Gesellschaft gepriesen. Es kommt mir wie eine Gehirnwäsche vor um den ärmeren Teil der Menschen leichter ausbeuten zu können.

Ich bin jetzt mal ganz gemein und behaupte dass Arbeit in der heutigen Form, mit dem Rattenschwanz des übermäßigen Konsums, Wachstums usw. dahinter, inkompatibel mit unserer Biosphäre ist und wir unbedingt von diesem Lebensmodell sozial verträglich gestaltet wegkommen müssen.

Es wird unbestritten ganz vielen Menschen auf einmal in eine ganz tiefe Sinnkrise stürzen, da diese nichts anderes kennen und ihr soziales Leben auf der Arbeit stattfindet. Diese Menschen haben abseits der Arbeit das Denken und Beschäftigen komplett verlernt…

niki
niki
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Eigentlich könnte es mir egal sein, da meine Familie und ich keinerlei Nachkommen haben werden… Ist es aber nicht!
Trotzdem habe ich aber eine schlechte Nachricht für ganz viele Menschen (Don’t shoot the messenger): Die Arbeit wird uns ausgehen in den allermeisten Bereichen…
Vielleicht nicht sofort, aber es ist wenn man nicht ganz blind durchs leben läuft, ist diese Tendenz sichtbar. Gar nicht mal durch die Digitalisierung, da wird bei weitem Übertrieben, sondern schlicht unsere Biosphäre macht das ganze nicht mehr mit…

Und darum wird das Thema Klima uns noch viel mehr beschäftigen als uns lieb ist und gar auf die Füße fallen. Für ganz viele wird dass ihre Lebensweise vollkommen auf den Kopf stellen und viele werden sich mit Händen und Füßen gegen wehren, sogar wenn man das ganze sozial gestaltet, was ich bei weitem nicht sehe…!

Du beschreibst schon etwas richtiges: Arbeitslosigkeit stellt ein Problem dar, da viele Menschen nur auf der Arbeit ihr soziales Leben haben und abseits davon auch nicht vorstellen können. Und deswegen wird mit aller Macht auf Arbeitslose eingetreten! Vor allem auf die die abseits von Arbeit ein alternatives Lebensmodell haben… In der Quintessenz macht es die Ausbeutung so wahnsinnig leicht!

Und genau beim letzteren müssen wir ansetzen!

Defi Brillator
Defi Brillator
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Das ist doch schon längst passiert. Der Staat funktioniert nur noch als Handlanger der Konzerne, die deutsche Arbeitswelt gefällt sich in einer Mixtur aus Feudalismus und Faschismus und alle machen brav mit, auf dass das Private ebenso betroffen sei. Je flacher die Hierarchie, desto größer der Führer. Faschismus 2.0.

niki
niki
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Für viele ist der Arbeitsplatz auch ein Andockpunkt für soziale Kontakte. Man kommt unter Leute, hat Kontakt zu Menschen: Das ist es doch, was Arbeitslosigkeit so schwierig gestaltet in unserer Gesellschaft.

Wenn die Arbeit zeitlich den zentralen Punkt im Leben einnimmt, ist es doch woanders kaum möglich soziale Kontakte zu knüpfen…
Und da Arbeitslose oft verachtet werden, selbst von anderen Arbeitslosen selbst, sind diese stark ausgegrenzt was natürlich eine soziale Isolation darstellt.
Für mich ist die geschilderte Problematik gesellschaftlich gewollt, damit man fast jedermann zum Arbeiten drängen und die keine Lust zur Ausbeutung haben gesellschaftlich ausgrenzen kann.
Da so langsam sich aber alternative Lebensmodelle ohne Arbeit abzeichneten, benötigten die herrschende Klasse hier im Land noch eine andere Peitsche. Hartz4!

ChrissieR
ChrissieR
Reply to  niki
4 Jahre zuvor

Morsche, Niki!

Danke für Deinen Text! Sowas in der Richtung wollte ich auch schreiben, aber Du hast mir die Arbeit abgenommen!
Ich chille dann mal wieder!

Bis denne

Christine

pen
pen
Reply to  Defi Brillator
4 Jahre zuvor

***

Roberto De Lapuente
Roberto De Lapuente
Reply to  pen
4 Jahre zuvor

Nanana. Achte mal auf deine Wortwahl.

niki
niki
Reply to  Roberto De Lapuente
4 Jahre zuvor

***
????

niki
niki
4 Jahre zuvor

Die Haltung, wonach jeder stets meint, der andere arbeite nicht genug, ist jedenfalls keine gesunde Basis für etwaige Veränderungen.

Keine gesunde Basis? Das ist weit weit untertrieben…!!!! Das ist eher ein Hinweis darauf, dass die Gesellschaft reif für die Klapsmühle ist…

Heldentasse
4 Jahre zuvor

Ich warte nun noch auf den wichtigen Artikel über die Reichen, die Stress haben beim verprassen ihrer Kohle und nie genau wissen, ob sie auch ohne Knete geliebt würden.

Beste Grüße

Oma
Oma
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Für diese Leute hier gehört der A 11 Beamte zu dem armen Massen

Heldentasse
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Jetzt wirst du unfair. Bundestagsabgeordnete sind ja nicht per se „die Reichen“.

Folgt man grob Herrn Mausfeld. und drückt dies dann polemisch aus, sind wir die gesellschaftlichen „Schafe“, die (Super-) Reichen die Machtelite sprich „Herdenbesitzer“, und da zwischen stehen die „Schäfer“ die im Sinne der Herdenbesitzer auf die Schafe aufpassen, und diese leiten. Ich denke grob vereinfacht kann man in einer marktkonformen repräsentativen Demokratie die Parlamentarier wohl mehr zu den Schäfern als zu den Schafen rechnen.

Soll ich mir nun als Schaf einen Kopf machen, wenn mein Schäfer überarbeitet ist?

Beste Grüße


Georg Kreisler – Der Politiker

Folkher Braun
Folkher Braun
4 Jahre zuvor

Das Bild des Plenarsaals auf ND ist bezeichnend. Die Galerien der Zuschauer wurden mit Absicht über die Hinterbänke-Reihen angelegt. Den Reichstag baute der Ältestenrat. Dem war das Problem der leeren Reihen hinten aus Bonn bekannt. Den Anblick wollte man tunlichst vermeiden.
Dass die Abgeordneten sich überarbeiten, halte ich für ein Gerücht. Vermutlich ist eine ungesunde Lebensweise die Ursache. Andernfalls müsste Arbeiter im Straßenbau, Pflegekräfte, Polizisten, Feuerwehrleute etc. reihenweise umfallen. Die sind ganz anders gefordert als Papierstapel-Durchleser.

niki
niki
Reply to  Folkher Braun
4 Jahre zuvor

Andernfalls müsste Arbeiter im Straßenbau, Pflegekräfte, Polizisten, Feuerwehrleute etc. reihenweise umfallen. Die sind ganz anders gefordert als Papierstapel-Durchleser

Tun die das nicht Reihenweise? Ich kenne bzw. kannte nicht wenige den Branchen, welche in der Tat die Rente nicht erlebt haben und bestenfalls in gesundheitlich bedingter Frührente gingen…
Und ja… diese „Papierstapel-Durchleser“ sind anders gefordert… Ja, anders, aber das bedeutet nicht unbedingt weniger Stress…

Molle Kühl
Molle Kühl
Reply to  Folkher Braun
4 Jahre zuvor

Folkher: Volle Zustimmung. Es soll Bundespolitiker geben, die regelrecht Komplexe kriegen, wenn sie in ihren Augen viel zu lange Zeit nicht mehr für eine Talkshow angefragt werden. Da hat das Ego aber zu knapsen.

Die These des Autors vom fleißigen BT-Abgeordneten muss insoweit relativiert werden, indem man sich doch nur mal auf einem grünen Parteitag die Aufstellung der Kandidatenliste anhört. Da gibt es ein Hauen und Stechen, eine Konkurrenz wie beim Rattenrennen. Für viele Parteigänger ist das BT oder Landtagsmandat endlich die Gelegenheit, aus der kommunalen Bedeutungslosigkeit hervorzutreten.

Nach einer Legislaturperiode müßten dann diese Parlamentarier nach den Argumnten des Autor die Schnauze so richtig voll haben und sich nicht mehr aufstellen lassen. Das ist aber nicht der Fall. Sie sind jetzt erst richtig heiß auf ihr Wichtigsein, Ihre Privilegien, ihre Pseudoprominenz und benötigen eine zweite Runde für den späteren Pensionsanspruch. Die evtl. Direktwahl ist sogar dann noch die Krönung Ihres Egos.

Auch der Behauptung, dass ohne Arbeit die Gefahr der sozialen Isolation droht muss ich widersprechen. Man werfe nur mal einen Blick in den Jachthafen von St. Tropez oder Nizza. Der Burgeoise, die sich z. B. in Luxusurlaubsorten wie St. Moritz zum Speisen in der Edelgastronomie trifft, dürften wir „Unterlinge“ nicht einmal ein Bier einschenken.

Auch Profifussballer sind meines Wissen nicht sozial isoliert und haben dazu das Privileg, mit ihrem Hobby Geld zu verdienen. Ich hab noch nie gehört, dass einer von denen sich als Arbeiter bezeichnet. Arbeit ist ein zentrales Instrument zur sozialen und geografischen Kontrolle der Unterklassen. Harzt 4 nur ein Ableger davon.

Menschen, die in ihrer Maloche auch noch ein identitätsstiftendes Element sehen, kann ich nur bemitleiden.

Folkher Braun
Folkher Braun
4 Jahre zuvor

Ein wichtiger Erfolg des „Kapitals“, also der Organisatoren der bürgerlichen Produktionsweise, war, die arbeitende Bevölkerung in vier Fraktionen zu spalten. Die erste Fraktion ist der Haustarif- Metall- oder Chemie-Mitarbeiter. Der behandelt Dich – als anliefernder oder abholender – Lastwagenfahrer wie den letzten Dreck. Das habe ich bei Bayer, BASF, Benz, BMW, Opel (ganz schlimm war Bochum), Ford (Berlin, Genk, Köln, Saarlouis) selbst erlebt. Wenn man – zweitens – bei den Mittelständlern aufkreuzt, z.B. Automobilzulieferern, stellt man Folgendes – drittens – fest: die haben ihre Transportmitarbeiter „geleast“. Die können – mit dem Stapler – nichts. Unter Vorlage des eigenen Staplerscheins darf man dann günstigstenfalls selber be- und entladen, während der qualifizierte Kollege zur Kantine wandert. Noch besser sind – viertens – die Werkvertrags-Mitarbeiter. Mit denen fehlt meist die Möglichkeit, in irgendeiner Sprache – die zu vereinbaren wäre – miteinander zu kommunizieren.
Was finden wir heraus? – Die Gewerkschaften haben der Fraktionierung der Arbeiterklasse tatenlos zugesehen. Vor allem die Erste-Klasse-Gewerkschafter aus IGM und IGBCE sollten sich mal an die eigene Nase fassen.