Das deutsche Narrativ: „Unter jedem Stein ein Faschist oder Christ“
Was ist das eigentlich, das deutsche Narrativ? Gibt es mehr als nur eines? Und wäre es auch ohne große Erzählung möglich, ohne dass hier alles zusammenbricht? Darüber habe ich nochmals mit Roberto de Lapuente, Hartmut Finkeldey und Duke von feysinn gesprochen.
Hintergrund des Gesprächs war das kürzlich erschienene Buch „Das deutsche Narrativ„, das im Renneritz-Verlag erschienen ist.
Da wir auch das Thema „Trümmerfrauen“ streiften, sei hier auf eine Doku hingewiesen, die mit dem Narrativ der heldenhaften Nachkriegsfrauen aufräumt bzw. die heroische Sicht der Dinge relativiert.
Hier geht’s zum Podcast:
Inhalt:
00:04 Vorstellung der drei Gäste
01:27 Verlagszusammenfassung des Buches „Das deutsche Narrativ“
02:40 Warum dieses Buch?
04:59 Geht es auch ohne Narrativ?
08:20 Ist Greta Thunberg ein Narrativ?
11:40 Was ist nicht ein Narrativ?
13:00 Die Lüge des Narrativs der „Trümmerfrauen“
15:10 Ist das deutsche Narrativ durch Fakten zu entkräften? (Fleiß und Ordnung)
19:15 Das kleine Narrativ (die Propaganda) der geschönten Arbeitslosenzahlen
24.00 David Hasselhof als alternativer Erzähler?
25:00 Und noch mal Arbeitslosenzahlen/Uns geht es allen gut!
28:00 Wir sprechen über Wohlstand, nicht über Armut (Minuswachstum)
29:00 Die 2/3-Gesellschaft funktioniert, aber: ist das Demokratie?
32:00 Gab es jemals Gesellschaften ohne Narrative?
36:30 Wer ist eigentlich wie konservativ?
37:30 Die Grünen sind christlicher als die CDU
38:30 Ein Wort für das Christentum (und eins dagegen)
41:30 Warum sollte man Dukes Buch lesen?
45:00 Schlussrunde
Hmmm… Ich weiß nicht, ich fand die Diskussion etwas ziellos. Viele Themen bzw. (Teil-)Narrative angeschnitten, aber keines so richtig. Ist aber sicher auch nicht der Sinn des Buchs bzw. der Runde gewesen, sondern eher um über Narrative als solche im Allgemeinen zu reden. Ok, kann man machen.
Aber dann brauche ich eindeutig mehr Fleisch am Knochen. Ich möchte dann viel mehr darüber hören, wie Narrative strukturiert sind (jenseits des simplen „wir“ oder „die anderen“ oder „wir vs. die anderen“). Das kam mir viel zu kurz. Vieles was Duke sagt ist mehr oder weniger selbstredend und oberflächlich. Es gibt Selbstverständlichkeiten, die spannend sind, weil sie versteckt sind. Was hier aber erwähnt wurde, war aber nichts neues.
Er sagt auch, er hält nicht viel von wissenschaftlichen bzw. professionellen Herangehensweisen (oder so ähnlich)… nunja, das merkt man u.a. an seinen schnippischen Bemerkungen über das Christentum und dass vieles was er sagt nicht über den Allgemeinplatz hinausgeht und das für einen „Materialisten“. Da ist mir Mausfeld 1000-mal lieber, da viel substanzieller, analytischer und tiefgehender.
Es gab zwei Punkte, die interessant hätten werden können:
Erstens, dass Narrative anthropologisch notwendig sind. Hätte zu einer spannenden Diskussion über die menschliche Natur werden können. Kommt heutzutage leider nur noch sehr selten in der Linken (aber auch allgemein) vor.
Zweitens, dass „Gut“ und „Böse“ elementare Bestandteile von Narrativen sind. Das mag zwar zunächst den Eindruck erwecken, als würde das bloß in der üblichen Debatte über das „wir vs. die anderen“ enden. Es ist aber ein zentrales Topos, das mit vielem anderen verbunden ist (z.B. Vorstellungen vonZeit und Raum), auch in der Geschichte der Linken und ihrer Narrative – vom frühen frz. deistischen Kommunismus über Lenin bis zur heutigen „Grenzen-auf-Fraktion“ in der Linken. Dies hätte zum Verstehen beitragen können, warum auch heute in der Debatte manche Linke Dinge wie „Grenzen auf“ in fast schon religös-fundamentalistischer Manier wie eine Monstranz vor sich hertragen.
Schade, hätte Potential gehabt. Mich bewegt’s nicht zur Lektüre des Buchs.
Ich wollte da ja auch hin. Leider wurde das Thema nicht ausgiebiger behandelt. Duke schien darüber nicht sprechen zu wollen.
Die sind nicht anthropologisch notwendig, sie sind einfach da. Geschichten vom IST und vom
KÖNNTE haben sich bereits Steinzeitmenschen am Lagerfeuer erzählt und auf Höhlenwände gezeichnet. Der Entwurf und die Überprüfung von Realität ist ein Narrativ der Menschheit.
Erzählungen werden gebraucht und missbraucht.
Damit sagst du das im Grunde das Gegenteil. Wenn schon Steinzeitmenschen Geschichten über ihr Herkommen, Fortkommen, Zusammenkommen hatten, wenn sich diese Geschichtenversessenheit in allen Zeiten wiederfindet, inklusive unserer Zeit, dann kann man sich nicht hinstellen und sagen: Die sind einfach da, es gibt keine Notwendigkeit. Offenbar ja doch! Wer meint, die Menschheit erfindet ohne Notwendigkeit Erzählungen, der sagt damit auch: Die Menschheit ist ein Idiot. Und so einfach kann man es sich nicht machen.
Über die „Notwendigkeit“ steht etwas im Text. Da steht nicht „Narrative braucht man nicht!“
Religionen sind z.B. Entwürfe von Realität ( „Der Herr kam, schöpfte die Erde und Verdacht“ )…Die späteren Überprüfungen der Religions-Narrative ergaben neue Realitätsentwürfe.
Viele Narrative bleiben als Tatsache stehen weil deren Überprüfung zu unbequem ist und weil sie wichtige Werkzeuge der Macht sind. z.B. die Narrative vom Bevölkeurngsschwund und Produktivitätsschwund usw.
Mensch, ein Wortklauberer und Herauswinder wie der Feynsinn-Maestro himself. Respekt!
@politische k…!
was? Du vergleichst flatter mit Mausfeld? Spannend. Ein interessanter Kommentar. Da werde ich mir den Podcast vielleicht doch noch anhören.
: -)
Der flatter wird nie ein echter Realpolitiker wie der Mausfeld, außerdem ist der flatter nur Arzt ( Dr. ) und der Mausfeld Professor. Das kann nie ein Kampf der Giganten werden, wie Godzilla gegen King Kong und so.
Den Vergleich solltest du lieber unberücksichtigt lassen. Das Hören wäre eine herbe Enttäuschung.
Ich gebe da Tom weiter unten Recht, zumal vergleichen natürlich nicht gleich gleichsetzen bedeutet… Wie gesagt, Mausfeld ist, was Narrative betrifft, um Meilen besser.
Liebe Närrinne un Narhallese…
Drausse steht en Narrativ…wolle mern eroilasse???
Um- dä…um-dä…
Sollte subtile Ironie sein…wir werden doch alle zum Narren gehalten, deshalb heisst das ja Narrativ….
Soisses. Eigentlich ist ein Narrativ nämlich gar keine Erzählung, sondern ein Gerücht.
[Narrativ], das, Substantiv, m/w/d
nichtssagendes Modewort, der Duden hat es erst gar nicht aufgenommen – und die nehmen nun wirklich ALLES auf!
Ursprung wohl im Soziologen-Chinesisch der späten 90er, damals noch als Synonym für „weltfremdes Geschwafel“, später auch Euphemismus für „stumpfe Propaganda“. In den letzten Jahren zunehmende Verbreitung in der Schrottpresse unter „Journalisten“, die so überhaupt nichts zu gar nichts zu sagen hatten, sich dabei aber einen „intellektuellen“ Anstrich geben wollten. Inzwischen nur noch im Comedy-Bereich gebräuchlich…
Der Buchautor wird es nicht auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffen.
Kein Schwein kauft ein Buch mit so einem beknackten Titel.
Das ist aber auch egal, weil sich der flatter an der Uni im prekären
Arschkriechermodus bewegt und Publikationen vorweisen muss.
An der Uni können Buchtitel gar nicht beknackt genug sein.
Einerseits traurig was er akademisch anbietet, andererseits liest
es sowieso niemand. Nur gut, dass Unis außerhalb des verabscheuungswürdigen
Kapitalismus existieren.
Ich verstehe deine Einschätzung nicht ganz.
Klar wird er keinen Bestseller aus dem Ärmel geschüttelt haben, ich finde auch, dass man Duke kritisch sehen darf. Für mich ist er zu wenig realpolitisch. Aber was du ihm da nachsagst, passt nicht ganz zusammen. Einen Arschkriecher würde ich ihn auch nicht nennen. Wo kriecht er denn? Und an einer Uni war er möglicherweise seit Jahrzehnten nicht mehr.
Lieber Roberto,
Zuviel „Realpolitik“ , wie Du sie nennst , hat ja zum verneoliberalisieren (oh, wassen Wort!) von SPD, Grünen und jetzt auch der Linken geführt .
Realpolitik ist der Untergang von Visionen…ach ja, da soll man ja bekanntlich zum Arzt gehen, gibt bestimmt was von Neoliberatiopharm…
Alloah
Christine
Ohne eine reale Einschätzung der Gegebenheiten landet man aber schnell in der Esoterik. Die Gefahren von einer Realpolitik, die nur noch sich kennt, sind mir beileibe bewusst. Das heißt aber nicht, dass man auf sie verzichten könnte.
Andererseits muss ich sagen, dass das, was du der SPD, den Grünen und Teilen der Linken vorwirfst, nur bedingt was mit Realpolitik zu tun hat – die neoliberale Strategie baut ja nicht auf die realen Zustände und transformiert sie dann zur Politik. Sie ist eindeutig ideologisch, fußt auf einem vorgefertigten Weltbild und agiert nicht ergebnisoffen. Insofern das nicht die realpolitische Wende, die uns hier begegnet, sondern das Gegenteil davon: Ideologie.
„Realpolitik“ ist ein Framing der bösesten Art. Daraus ergeben sich lediglich zwei Pole,
Real und Irealpolitik. „Realpolitik ist alternativlos“ steckt als vorgegebenes Deutungsmuster dahinter. Was ist daran denn „real“ ? Die Auswirkungen ? Jede Politik hat Auswirkungen, auch furchtbare Folgen sind „real“.
Oder ist die Herangehensweise „real“ ? Steht „real“ für faktenbasiert ? Wenn man sich die „Realpolitik“ der letzten Jahrzehnte anschaut, so wird deutlich, dass diese auf Fehlanalysen beruht, also auf meist vorsätzlich verzerrten Fakten fußt. „Realpolitik“ ist eine sinnentleerte Hülse.
@Doktor B…
Daß Unis außerhalb des verbscheuungswürdigen Kapitalismus existieren, das war einmal, ist aber lange her, und ich würde das auf die heutige Zeit bezogen eher als Narrativ im Sinne von Gerücht bezeichnen.
Sieh sie Dir doch an, die gekauften Professoren, die Gutachter, die für Geld alles verraten und verkaufen.
Seine „Einschätzung“ ist weder faktenbasiert noch logisch. Wahrscheinlich ein Troll.
Trümmerfrauen: es ist irgendwie immer schon lustig: kaum wird den Frauen was Positives zugeschrieben, kommen „Ratten“ aus den Löchern und schreien: „stimmt nicht“….
Ganz realistisch: wenn viele Männer im Krieg sind, dann wird „plötzlich“ der soziale airbag „Frau“ (und oft auch Kinder) an die Front geschickt! Waren doch vorher die zarten Frauen gerade gut genug, um Kinder zu gebären, konnten sie dann plötzlich Haus und Hof bestellen!
Ob es bestellt ist oder nicht: es durchbrach (und durchbricht bis heute) einfach das Narrativ: das schwache Geschlecht muss von allem Männlichen fern gehalten werden!
Und diese Zurückbleibfrauen waren auch das Problem der Heimkehrer! Da war nicht mehr das unbedarfte Frauchen, sondern jene, die Kinder&Kegel, Wirtschaft und Zusammenhalt irgendwie hinbekommen hat…. trotz abwesender Mànner, ergo musste mann in den 50ern die Looser Soldaten reintegrieren…
das ging am besten mit dem Narrativ: heile Familienwelt: Papa ist Familienvorstand und dominiert und herrscht über seine Familie: Frauen und Kinder nahezu komplett Untertanen des Mannes! (Vergewaltigungen in der Ehe wurde trotz Widerstands seitens MERZ erst 97 unter Strafe gestellt)
Schade, dass ihr Jungs diesen Schlenker machen musstet…
Denn grundsätzlich ist das Hinterfragen von „Narrativen“ hochgradig wichtig und ur-links!
Privat ist besser als Staat!
Morgenstund hat Gold im Mund!
Deutschland hat seit 48 eine Demokratie und einen demokratischen Staat!