Mit dem Klapprad durch Moskau

Ich fahre gerne Fahrrad. Für manche ist es das Auto, für mich ist eine Fahrt auf dem Fahrrad Ausdruck von Freiheit – meiner ganz persönlichen Freiheit. Ich könnte irgendwo hinfahren, einfach so, völlig unabhängig von allem, einfach nur aus eigener Kraft und eigenem Antrieb. Ich fahre wirklich gern Fahrrad. Nicht um immer neue Rekorde aufzustellen, um Höchstleistung zu erzielen, sondern einfach nur, um mich schnell und zügig fortzubewegen. Der Bewegungsauflauf ist ideal, rund und ohne Erschütterung für die Gelenke. Fahrradfahren ist daher besser als laufen. Laufen finde ich langweilig.

Kurz vor meinem Umzug im August nach Moskau habe ich mein Fahrrad verkauft. Ich tat es mit großem Bedauern, aber ich konnte es nicht mitnehmen. Ich musste mich auf das wirklich Notwendige reduzieren. Dann ging es zunächst um andere Dinge. Arbeitsbeginn, Wohnungssuche, Umzug aus meiner vorläufigen Unterkunft in unsere neue Wohnung und dann kam auch schon der Winter.
Inzwischen ist auch in Moskau der Frühling angekommen. Das Wetter ist in diesen Tagen wunderbar. Der Himmel ist strahlend blau, die Temperaturen sind angenehm, der Schnee ist geschmolzen und die Straßen und Wege sind frei.

Es gibt in Moskau einen wichtigen, für alle deutlich sichtbaren Indikator, wann der Frühling tatsächlich angekommen ist. Im Winter werden an den Eingängen zur Metro Türen installiert, die vor dem kalten Wetter schützen. Jetzt werden sie wieder ausgebaut. Der Frühling ist da. Vor den Häusern werden die Beete bepflanzt, die Narzissen sind kurz vorm Blühen, die Tulpen ziehen nach. Das perfekte Wetter fürs Fahrradfahren. Nur ich hatte keins.

Frühling in Moskau

Aber ich habe Pawel. Auf einem Spaziergang durch das frühlingshafte Moskau kam er auf die Idee, einen Fahrradladen aufzusuchen, der auf dem Weg lag. Jetzt habe ich ein Fahrrad. Mein erstes Klapprad. Der Grund für die Entscheidung, ein Klapprad anzuschaffen, ist einfach. Die wenigsten Häuser in Moskau sind unterkellert. Deswegen kann man sie im Zweifelsfall auch verschieben, was ab und zu passiert. Aus diesem Grund gibt es vor allem in den älteren Wohnhäusern auch keinen Stellplatz für Fahrräder. Ich wohne in einem Altbau aus der Stalinzeit. Es bleibt kaum eine andere Lösung, als das Fahrrad in der Wohnung unterzustellen. Auf unserem Balkon ist Platz. Dort steht es jetzt zusammengeklappt, wenn ich es nicht brauche.

Inzwischen wurde ich auch darauf hingewiesen, dass man gar nicht mehr Klapprad sagt. Der aktuelle Ausdruck ist Faltrad. Warum diese Umbenennung nötig war, erschließt sich mir nicht, auch nicht, warum “falten” passender sein sollte. Man klappt das Rad und faltet es nicht. Sei’s drum, die Hauptsache ist, es fährt. Und meins fährt gut und ich fahre gern auf ihm.

Ich nehme es morgens mit in den Zug zur Arbeit. Es gibt inziwschen in den Wagen Stellplätze für Fahrräder, ich steige eine Station früher als notwendig aus und fahre dann auf dem Rad weiter zur Arbeit. Es ist traumhaft. Dass ich einmal mit dem Fahrrad durch Moskau fahren würde, hätte ich mir vor einigen Jahren auch nicht träumen lassen.

Moskau wird zur Fahrradstadt

Moskau ist zwar flach und eignet sich fürs Rad, aber Moskau ist trotzdem keine Fahrradstadt – noch nicht, muss man hinzufügen. Die Infrastruktur befindet sich noch im Aufbau. Aber der Ausbau der Fahrradwege wird hier mit Hochdruck vorangetrieben. Vor allem im Zentrum ist er weit fortgeschritten. Es gibt – wie in Deutschland auch – Stellplätze für Leihfahrräder, die man über eine App ausleihen kann. Selbstverständlich gibt es auch E-Roller. Im Gegensatz zu Deutschland, darf man die ausgeliehenen Fahrräder und Roller jedoch nicht einfach irgendwo stehen lassen, sondern muss sie an ausgewiesenen Orten abstellen. Aus diesem Grund gibt es hier nicht das Chaos, das in deutschen Innenstädten herrscht.

Nun gut. Dieses Jahr wird meine erste Fahrrad-Saison in Russland. Ich freue mich wirklich sehr und fühle mich jetzt noch ein bisschen freier als ohnehin schon. Ich freue mich so sehr, dass ich fast die deutsche Kriegstreiberei, die in Deutschland herrschenden, bedrückenden Zustände vergessen hätte. Darüber schreibe ich dann demnächst wieder.

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Gert-Ewen Ungar

Gert Ewen Ungar legte sich kurz nach dem Abi sein Anagramm zu. Er und seine Freunde versprachen sich damals bei einem Kasten Bier, ihre Anagramme immer für kreative Arbeiten zu verwenden. Dass sein Anagramm jemals mehr als zehn Leuten bekannt werden würde, war damals nicht abzusehen und überrascht ihn noch heute. Das es dazu kam, lag an seinem Blog logon-echon.com. Mit seinen Berichten über seine Reisen nach Russland stiegen die Zugriffszahlen und es entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit RT DE. Anfang 2022 stieß er zu den neulandrebellen und berichtet über Russland, über Politik, über alles Mögliche.

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Schwitzig
Schwitzig
1 Jahr zuvor

Fahrräder? Das sind doch diese seltsamen Dinger ohne Motor? Bzw. auch als Opa-Bomber mit Reverse-Dynamo?
Sachen gibt‘s … kommt bestimmt von den Grünen.

flurdab
flurdab
1 Jahr zuvor
Reply to  Schwitzig

Warte mal ab wenn der grüne Drillich- Anzug Volksmode wird.
Gab es da nicht mal ein Land wo alle Leute grünen Drillich getragen haben und die reicheren Fahrrad gefahren sind?
Mir war so. 🙂
Wo war das nochmal?

Schwitzig
Schwitzig
1 Jahr zuvor
Reply to  flurdab

Ja, ich habe von diesem Land auch gehört. Daher kommt glaube ich auch der Spruch „nie wieder <Platzhalter Verbrechen>“.
Aktuell meine ich zu hören: „Äch bin wiederrr da!“ Aber die Farben sind anders. Braun scheint out zu sein und grün/rot ist nun modern.
Immerhin neue Farben – und da behaupte mal einer, dass sich die Geschichte wiederhole.

flurdab
flurdab
1 Jahr zuvor
Reply to  Schwitzig

Nee, nee. Im Chinsesischen gibts kein rollendes R.
Aber der große Vorsitzende Mao hatt ja auch schon sein „Wärmepumpen- Moment“. Nannte sich der „Große Sprung“, war ein „Spaß“ für Groß und Klein (20 Millionen (?) Tote für den Fortschritt).

Wütender Bürger
1 Jahr zuvor
Reply to  Schwitzig

Was kommt denn dabei heraus, wenn man grün und rot vermischt??

Kleiner Spoiler: etwa sehr dunkles!

Robert-B.
Robert-B.
1 Jahr zuvor

Viele Grüße nach Moskau. Ich dachte, die Journalistenexklave wäre eher in Petersburg.

Danke für diese morgendliche, unaufgeregte Lektüre über die Freiheit auf dem Klapp… äh… Faltfahrrad in Moskau.
Vermutlich tut dir das auch mal ganz gut, dich nicht schon wieder mit einer der Grausamkeiten der deutschen Politik oder des Wertewestens auseinander setzen zu müssen an diesen Tagen.

Schlimm genug, dass das Regime hier uns unsere Lebensgrundlage raubt und uns zwingt, uns jeden Tag mit einer neuen Perfidität zu beschäftigen, statt einfach in Ruhe unser Leben zu leben.

Jetzt habe ich wieder was gelernt:
Der „stumpfe russische Terror“ besteht also darin, den Menschen im Winter eine Türe vor die Metro zu bauen und im Sommer die Radwege auszubauen. Was für ein grauenhaftes Regime. 😉

Dir und euch noch ein schönes Osterfest. 🙂

Und viele Grüße!
Robert

Wütender Bürger
1 Jahr zuvor

Und meins fährt gut und ich fahre gern auf ihm.

Hui! Ich höre schon den woken Mob, der sich warm läuft: Du fährst doch nicht auf einem Fahrrad, sondern mit einem Fahrrad. Alles andere wäre Ausdruck männlichen Dominanzgehabes. Und überhaupt muss es „Fahrad:in“ und „Fahrradkeller:in“ heißen! 😂 🤣

Schöne und unge-genderte Ostern nach Moskau! 😀

flurdab
flurdab
1 Jahr zuvor

Na zuerst mal viel Spaß mit dem Rad.
Ich glaub der Unterschied zwischen Klapp- und Faltrad liegt in der Anzahl der „Knickmöglichkeiten“.
Klapprad, einmal vertikal. Faltrad mehrere, vertikal wie auch horizontal. So würde ich es jedenfalls erklären wollen.
Wobei der „Klapp“ ja auch durch den Klapp- Spaten, die Klappse und die „Klappe“ in Verruf geraten sind.
Womit wir zumindest für Deutschland auch schon wieder im Bereich des Politischen gelandet sind.

Horst Kevin
Horst Kevin
1 Jahr zuvor

Unser täglich KI gib uns heute!
https://blog.fefe.de/?ts=9acfb9af

Und einen für die Wirtschaftswaisen gibts auch noch: https://blog.fefe.de/?ts=9acf4f7c

nadennmallos
nadennmallos
1 Jahr zuvor

…und falls Du irgendwann so fit sein solltest, dass Du Herausforderungen suchst UND Dich in den ach so demokratischen Wertewesten trauen solltest, gibt es den Klapprad-Weltverband
http://klapprad-weltverband.de/

Warnung: Öffnet diese Seite nicht, sie könnte verstörend wirken. Dort gibt es Überschriften wie: „Ovalverkehr in Oberhausen: Mit dem Klapprad zum Höhepunkt am 23. Juli 22
Die Seite
http://world-klapp.de/
finde ich ebenso verwirrend, Männer in eigenartigen Trikots!

den Kalmit Klapprad-Cup, 2022 mit dem Motto: Liberté, Égalité, Klapperité!Die feierliche Verkündung des 2023-Mottos ist Geschichte:
Guten Klappetitt! Essen auf Klapprädern
http://www.kalmit-klapprad-cup.de/

Beim World-Klapp war 2022 übrigens ein Start ohne Bart nicht erlaubt. Hier hätten also alle Wohlstandsneurotiker eine Starterlaubnis erhalten.

Einer Teilnahme bei der Klapprad-WM würde wohl auch russischsprachig nichts entgegen zu setzen.
https://mtb-marathon-pfronten.de/Klapprad-WM/

Besonders hervorzuheben ist die One-Gear-Armbinde, die trotz Strafandrohung getragen wird.
http://klapprad-weltverband.de/weltverband-fuehrt-onegear-armbinde-ein/

Abstoßend finde ich hingegen das Klapphill-Race, die Starter scheinen die Sache gar nicht ernst zu nehmen.
https://www.klapphill.de/

Die Cancel-Klapperei und die Behauptung, ein eindeutig als Klapprad zu identifizierendes Rad würde nun „Faltrad“ heißen, kann nur aus der Ideologen-Szene stammen. Das ist so, als würde man eine Frau als Mann bezeichnen, undenkbar.

nadennmallos
nadennmallos
1 Jahr zuvor
Reply to  Horst Kevin

Pfuideibel, mit deutscher Flagge. Deine Mudda ist ein Klapprad!
Ey verklag mich doch.

Horst Kevin
Horst Kevin
1 Jahr zuvor
Reply to  nadennmallos

Das macht Vadder, der Klappstuhl. 😀

Horst Kevin
Horst Kevin
1 Jahr zuvor

Hilfe, die Russ, äh, die Polen kommen!

Oder, was machen die beim BGS eigentlich beruflich?!
https://freeassange.rtde.me/inland/167301-wildwest-in-hessen-paramilitaers-gegen/

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