Endlich wieder ein gutes Amerika

Der »Unfall der amerikanischen Politik« ist abgewählt, das schlechte Amerika vorbei. Endlich zeigt sich wieder das gute Amerika. Das Amerika von Clinton und Obama.

Nur noch einige Wochen, dann ist der Alptraum beendet. Eleven-Nine endgültig Geschichte. Jener Novembertag im Jahr 2016, als die klare Siegerin der Präsidentschaftswahl eben genau das nicht wurde. Schnell war klar: Jetzt zeigen die Vereinigten Staaten ihr hässliches Gesicht. Ein noch hässlicheres als je zuvor. Und das trotz vorherigem George W. Bush. Trotz Nixon und Schattenpräses Kissinger. Das konnte doch nur ein Unfall sein. Ein Versehen! Oder nicht? Dieser Trump, der macht es doch kein Jahr im Amt.

Es wurden dann doch vier Jahre. Klar abgewählt wurde er zudem auch nicht. Amerika und der Westen jubeln dennoch: Endlich wieder das gute Amerika, das die Geschicke des Landes steuert. Jetzt heißt es wieder zurück in eine Zeit, da the US noch ein besserer Ort waren. Trump war aber kein amerikanischer Unfall, kein Versehen. Das Land hielt gewissermaßne auf ihn – oder einen wie ihn – zu. Er war die logische Konsequenz für das, was das vermeintlich gute Amerika verkackt hat.

Schwarzbuch des guten Amerika

Man kann Michael Moore sicherlich einiges vorwerfen. Dass er zum Beispiel um des Showeffekts Willen übertreibt oder verzerrt. Was man ihm allerdings nicht vorwerfen kann: Dass er die eine Seite der amerikanischen Politik romantisiert. Nehmen wir nur mal seinen Klassiker, blättern wir mal in »Stupid White Men« zu Kapitel 10. Dort beginnt er aufzulisten, was »Er« – der Präsident – alles unterzeichnet, angestrebt und auf den Weg gebracht hat.

Hier nur eine verkürzte Listung: Per Gesetz wurden minderjährige Müttern keine Unterstützung zugeteilt, sofern sie die Schule nicht beendet haben; er versprach den Bundesstaaten einen Bonus, wenn sie ihre Sozialhilfeempfänger reduzieren; der Verkauf eines kalifornischen Ölfelds war eine der größten Privatisierungen der amerikanischen Geschichte; als erster Präsident hat er die Autohersteller nicht gezwungen, den Benzinverbrauch zu senken; er unterstützte die Senkung der Vermögenssteuer und er befürwortete Gesetze, die Menschen nach drei begangenen Delikten lebenslänglich ins Gefängnis bringen – auch wenn es sich nur um kleine Vergehen wie Ladendiebstahl handelt.

Moores Buch rechnete mit der Administration von George W. Bush ab – und das schon bevor der 11. September die miserable politische Situation verschärfte. Aber dieses zehnte Kapitel nennt sich »Demokraten – ein hoffnungsloser Fall« und der beschriebene Präsident war – Bill Clinton. Der Saxophon blasende Prince Charming des liberalen Weltgeistes in jenen Jahren. Michael Moore machte sehr deutlich, dass die Demokraten nicht der Ausweg aus der amerikanischen Misere seien. Sein Werk kann man letztlich auch als Schwarzbuch des demokratischen Amerika lesen.

In seinem Film »Fahrenheit 11/9«, der sich der Wahl Donald Trumps widmet, macht es sich Michael Moore auch nicht so einfach wie die politischen Kommentatoren in aller Welt. Er beginnt mit der Arroganz des demokratischen Wahlkampfes, mit Hillary Clinton, die die Themen der normalen Menschen, gerade jener aus solchen Schichten, aus denen Moore selbst stammt, überhaupt nicht auf dem Plan hatte. Im Rusty Belt bestimmt Arbeitslosigkeit und Kriminalität den Alltag, aber die Ehefrau des Prince Charming erzählte viel über Russland, den Teufel Trump und Feminismus.

Trump hat Schaden angerichtet: Das haben andere aber auch

Würde man eine Auflistung der Präsidentschaft Obama entwerfen wollen, könnte man einige Punkte aus dem Stehgreif finden. Der Friedensnobelpreisträger schuf keinen Frieden, er ließ einen Folterknast im Betrieb, nutzte Drohnen dazu, Gesellschaften am anderen Ende der Welt zu tyrannisieren – Kollateralschäden inbegriffen – und deckte den größten und leistungsfähigsten Geheimdienst aller Zeiten auch dann noch, als sukzessive herauskam, was da gespielt wurde. Whistleblower wurden in seinem, diesem guten Amerika, in den Knast gesteckt oder mussten flüchten, um jemals noch freie Luft atmen zu können.

Das ist alles ein alter Hut, man weiß es. Doch muss man das dieser Tage immer wieder wiederholen. Denn der öffentlichen Wahrnehmung steht der Sinn offenbar nicht mehr nach Komplexität. Keiner wünscht sich einen heiligen Präsidenten – dass Politiker aus dem vermeintlich progressiven Lager auch schlechte, dreckige Politik machen: So tickt das Geschäft – die Welt ist fürwahr keine Kuschelecke. Romantisierungen braucht es aber ganz sicher nicht, um diesen traurigen Umstand erträglich zu machen.

Dieser Donald Trump war so mies wie viele seiner Vorgänger – auch seiner demokratischen Vorgänger. Sein Auftreten war natürlich obszöner und weniger dimplomatisch geschult. Viel zu impulsiv sowieso. Und ja, er sagte viel Dummes – sehr viel Dummes sogar. Aber er als schlechtes Amerika, als die bösen Vereinigten Staaten und die Demokraten vor ihm und der eine Demokrat nach ihm als Vertreter des Guten? Das ist doch Wunschdenken. Ja, Ideologie geradezu! Trump hat keine Nation der Idylle an den Abgrund geführt – er kam ins Weißen Haus, weil so lange auf den Abgrund hingearbeitet wurde.

Er war ein Symptom und nicht etwa Ursache. Das hat man in den letzten Tagen und Wochen ganz offensichtlich vergessen oder verdrängt. Gutes Amerika – schlechtes Amerika? Irgendwie macht das keinen nennenswerten Unterschied. Moralische Attribute gelten für Uncle Sam schon lange nichts mehr. Nur noch Geld und Business. George Packer hat lesenwert darüber berichtet. Man kann die Staaten nur noch amoralisch erfassen. Nicht gut. Nicht schlecht. Einfach nur Amerika. Punkt. Attribute braucht es da nicht. Amerika alleine sagt alles.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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niki
niki
3 Jahre zuvor

Trump war das beste was den US-Establishment passieren konnte.
Der hat einfach nur das offen ausgesprochen, was er wirklich denkt und damit durchblicken lassen was für ein Soziopath er ist.
Seine politischen Gegner sind nicht anders. Teilweise noch schlimmer. Nur die verbergen das häufig politisch korrekt…
Die Frage, wer ist also gefährlicher? Ein absolutes Arschloch, der offen zugibt dass er eines ist, und sich dadurch international eher isoliert oder die es geschickt verbergen und gleichzeitig noch entsprechende Netzwerke fast weltweit hat?

Brian DuBois-Guilbert
Brian DuBois-Guilbert
Reply to  niki
3 Jahre zuvor

Unterm Strich kann man festhalten, dass alle und zwar ALLE US-amerikanischen Präsidenten gewalttätige Verbrecher waren, allein schon aus dem Grund, wie sie zu diesem Amt gekommen waren und was sie dann damit alles angerichtet haben. Die Macht, die ihnen mit diesem Amt zur Verfügung gestellt wurde, ließ sie wie kein anderes Land auf diesem Planeten Kriege anzetteln und Umstürze veranlassen. Und das wird sich niemals ändern, weil die moralische Verkommenheit der amerikanischen Gesellschaft nichts anderes zulassen wird.

Rudi
Rudi
Reply to  Brian DuBois-Guilbert
3 Jahre zuvor

„…weil die moralische Verkommenheit der amerikanischen Gesellschaft nichts anderes zulassen wird.“

Das ist sehr allgemein formuliert. Alle US-Amerikaner und US-Amerikanerinnen in einen Sack stecken und draufhauen. Noam Chomsky etwa, der den Vietnam-Krieg stets als das benannte, was er war, nämlich eine Invasion, zu den „Verkommenen“ zu zählen, ist nicht nur eine abenteuerliche Unterstellung, sie offenbart ein zum Totalitären neigendes Denken, das die Differenzierung verweigert.

Brian DuBois-Guilbert
Brian DuBois-Guilbert
Reply to  Rudi
3 Jahre zuvor

Lieber Rudi,
natürlich meine ich nicht jeden einzelnen amerikanischen Bürger, so viel Verständnis sollte vorausgesetzt sein. Ich meinte damit die amerikanische Politik und ihre Ausführenden. Ich war oft genug in den Staaten, um das so erfahren zu haben, im Großen und Ganzen ticken die Menschen dort nicht viel anders als hierzulande, sieht man mal von dem irren Waffenwahn und dem völlig überzogenen Patriotismus ab

Robbespiere
Robbespiere
Reply to  Brian DuBois-Guilbert
3 Jahre zuvor

@Brian DuBois-Guilbert

Bis auf den letzten Satz stimme ich dir zu.
Ich habe durchaus Amerikaner kennngelernt, die das imperiale Gehabe ihrer Regierung, getrieben durch das obere Prozent, kritisch sehen.
DieMasse ist ja selbst Opfer dieser Verrohtheit aus Gier und Machtstreben.

Rudi
Rudi
Reply to  Brian DuBois-Guilbert
3 Jahre zuvor

Ja gut. Warum drückst du dich dann nicht so aus? Zur letzten Impfumfrage titelte die Tagesschau: „Klare Mehrheit zu Impfung bereit“, während das Umfrageinstitut zum selben Sachverhalt als Zusammenfassung wählte: „Zuspruch für Impfstrategie, aber Impfbereitschaft gesunken“. Dass die Tagesschau mit ihrer Headline Politik betreibt, dürfte nachvollziehbar sein. Ihr eigener Faktenchecker käme niemals auf die Idee, dass in diesem Fall Fake-News in die Welt gesetzt worden seien.

Ich bin überzeugt, dass in den USA EinwohnerInnen leben, die ihr eigenes System kritisch sehen. Trotzdem: Sie sind anders sozialisiert als wir EuropäerInnen und legen deshalb bei ihrer gesellschaftlichen Distanziertheit andere Schwerpunkte – US-amerikanische eben.

Robbespiere
Robbespiere
Reply to  niki
3 Jahre zuvor

Zustimmung.

epikur
epikur
Reply to  niki
3 Jahre zuvor

Schlimmer noch: diejenigen, die offen legen wollen, welche Soziopathen auch die Political-Correctness-Politiker sind (Julian Assange / Clinton-Mail-Leaks), werden dafür gnadenlos verfolgt.

»Im übrigen gilt ja derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.«

(- Kurt Tucholsky)

Nonkon
Nonkon
3 Jahre zuvor

Kein Präsident vor Trump hat die US Amerikanische Mehrheit so eindeutig abgebildet wie eben Trump. Ein „Bully“, ungebildet, ungehobelt, gierig, schamlos und brutal.

Pen
Pen
Reply to  Nonkon
3 Jahre zuvor

Ja.

Rudi
Rudi
Reply to  Nonkon
3 Jahre zuvor

„Kein Präsident vor Trump hat die US Amerikanische Mehrheit so eindeutig abgebildet wie eben Trump.“

Woher nimmst du diese Kenntnis? 2016 hat nur etwas mehr als jeder vierte Wahlberechtigte (25,5 Prozent) für den Kandidaten Trump gestimmt. 2020 lag die Wahlbeteiligung bei rund 64 Prozent. Und Trump hat die Wahl verloren. Daraus den Schluss zu ziehen, dass Trump die US-amerikanische Mehrheit abbilden würde, halte ich für wagemutig. Oder hast du weitere Gründe, die deine Behauptung stabilisieren?

Heldentasse
3 Jahre zuvor

Ganz grob gesagt: Man darf Imperien nicht nach den Kriterien „gut“ und „schlecht“ bewerten! Sie vertreten ihre globalen Interessen mit Mitteln, die andere Mächte nicht besitzen, aber mit Sicherheit auch anwenden würden, wenn sie sie besäßen. Auch ist es weitestgehend egal wer Imperator ist, folgt dieser nämlich nicht diesen imperialen Interessen, wird er ersetzt.

Alles andere sind schöne Narrative, die man kleinen Kindern und Naivlingen erzählt, damit sie beruhigt schlummern können.

Heldentasse
3 Jahre zuvor

Amerika alleine sagt alles. Nö eigentlich nicht, da müsste USA stehen. Ein anderes Amerika gibt es auch noch!

El pueblo unido jamas será vencido

Pen
Pen
3 Jahre zuvor

In den USA wird sich nichts ändern. Das Sagen haben die militärisch-industrielle Konzerne. Man kann über Trump sagen, was man will, er ist schlicht ein Rabauke, aber er hat klar gesagt , worum es ihm geht. In Syrien geht es nicht um Menschenrechte oder eine demokratische Opposition.

„We want the oil“.

Da wird auch Biden nichts dran ändern.

Last edited 3 Jahre zuvor by Pen
Heldentasse
Reply to  Pen
3 Jahre zuvor

Moin Pen, ich halte Trump für einen gar nicht mal so dummen „Paten“, der aber einer „Familie“ angehört, die den viel relevanteren „Familien“ nicht genehm ist.

Statt „Pate“ könnte man auch „Oligarch“, und statt „Familie“ „Fraktion“ setzen.

Ergo: Auch die mächtigsten Baulöwen ziehen vor dem Militärisch- Industriellen- Komplex den kürzeren.

Pen
Pen
Reply to  Heldentasse
3 Jahre zuvor

So ist es. Punkt.

:- )

Defi Brillator
Defi Brillator
3 Jahre zuvor

Amerika war nicht gut, als es angefangen hat Amerika zu sein, in der Blüte wurde es nicht besser und es wird, wie beim Auto, mit einem O enden.

Josi
Josi
3 Jahre zuvor

Nicht nur die amerikanischen Regierenden sind Kriminelle,Deutschland ,Frankreich ect.
Genau so widerlich.Es läuft alles verdeckt ab,Transparenz wird es dort nie geben.
Die maffiösen Strukturen sind perfekt,für niemanden nachvollziehbar.In Jahrhunderte länger Übung wurden diese Strukturen immer wieder angepasst. Justiz und Massenmedien sind wichtige Werkzeuge..In der Geschicht ist mir kein STAAT bekannt,der demokratiefähig war u.ist.Es gab nur Besitzstandswahrung und
Und Gewalt.