Krankes Krisenmanagement

Die Bundesregierung wollte Leben schützen – hat aber gleichzeitig das Leben vieler Patienten gefährdet. Durch die einseitige Fokussierung auf Covid-19 hat sie andere Krankheiten zu Kollateralschäden herbeigeredet.

Mit etwas zeitlichem Abstand zu jenen Wochen, in der diese Republik wie gelähmt erschien – und ja auch per Infektionsschutzgesetz gelähmt war -, zeigt sich nun doch, wie es kranken Menschen erging. Besonders Onkologen und Kardiologen meldeten sich zu Wort. Ihre Patienten kamen später als gut für sie war in die Praxen. »Bedingt durch Corona«, heißt es meistens, wenn die Medien über diese tragischen Einzelschicksale schreiben, die hinter den Klagen der Fachärzte stecken.

Das stimmt aber so nicht. Es müsste eigentlich heißen: »Bedingt durch die Corona-Politik.« Die einseitige Mobilmachung des Gesundheitssektors auf Covid-19-Erkrankte war fahrlässig. Gepaart mit der Angstmaschinerie hat das dazu geführt, dass Menschen dringende medizinische Behandlungen verschoben haben. Etwaige Sterbefälle werden aber nicht in die Statstik der Corona-Toten aufgenommen – auch wenn sie eigentlich zu dieser traurigen Gruppe gehören. Überhaupt wird man wohl eher wenig über die Folgeschäden erfahren, unter anderem auch, weil sich Krankheitsverläufe nun mal nicht rekonstruieren lassen.

Bleiben Sie zuhause!

Daheimbleiben. Das war die Devise. Was ja zunächst vernünftig klang, wurde zu einer Obsession der ersten Tage, als Corona das öffentliche Leben in den Griff bekam. Jogger wurden angefeindet, Parkbesucher als pflichtvergesse Ichlinge diffamiert. Die Alten sollten die eigenen vier Wände »bis es vorbei ist« nicht verlassen; Initiativen formierten sich, die die Senioren mit Lebensmittel versorgen sollten. Was gut gemeint war, war aber nicht gut, denn so gar nicht aus dem Haus zu gehen: Gesund für Psyche und Physis ist das freilich nicht. Man wollte in den ersten Wochen das Daheimbleiben kultivieren, öffentliche Sender blendeten den passenden Hashtag ein, Medien animierten dazu, es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen, boten den dort Sitzenden aber nur Langeweile und Corona – was eine andere Geschichte wäre.

Diese Haltung prägte von Beginn an die Corona-Krise – und sie war verhängnisvoll. Denn die Menschen glaubten, noch im ersten Schock der Ereignisse, dass es in jedem Falle besser sei, nicht vor die Türe zu treten – und zwar wirklich in jedem Falle. Sie verschleppten Krankheiten, schoben den Arztbesuch vor sich her. Und wurden ja auch von Arztpraxen ausgeladen, falls sie doch bereit waren, sich auf die Straße zu wagen.

Notfälle würden auch weiterhin behandelt, hieß es von Seiten der Politik trocken. Es gibt aber eben nicht nur jene klassischen Notfälle, geborchene Beine oder Schlaganfälle etwa, sondern auch Patienten, die aufgrund ihrer Krankheit regelmäßiger ärztlicher Betreuung bedürfen. Dennoch sollten alle medizinischen Betriebe Ressourcen freischaffen, sollten ihren Behandlungsaufwand reduzieren – und mussten so das Patientenaufkommen minimieren.

Divide et corona

Und wie man aus reiner Vernunft nicht zum Friseur ging, als der anfangs der Krise noch geöffnet hatte, verzichtete man eben auch auf den Arztbesuch. Was nicht unbedingt sein muss, könnte man ja unterlassen. So verschleppte man Harnwegsinfekte, Schlaganfälle oder den ertasteten Knoten in Brust oder Leistengegend. Nach Corona könne man ja immer noch zum Arzt. Die fürsorglichen Mienen der Politik, die Tag für Tag in den Medien zu sehen waren, legten einem ja auch viel zu angsteinflössend nahe, möglichst jeden unnötigen Gang vor die Tür zu vermeiden. Man generalisierte und hoffte das Beste. Aussitzen als Methode. Land der Aussitzer: Der Kohls und Merkels – und neuerdings der Krebspatienten. Aussitzen um Leben zu retten: Während man andere oder sein eigenes gefährdete.

Die Bundesregierung hat eine Entwicklung angeworfen, die sich medizinisch und aufgeklärt gab, aber am anderen Ende völlig auf medizinische Versorgung und Aufklärung verzichtete, ja sogar den Arztgang zu einem Moment erklärte, der ja jetzt nun wirklich nicht sein müsse. Sie herrschte im Chaos der ersten Tage, indem sie teilte – die Kranken aufteilte, sie aufsplitterte in solche, die potenziell am Horizont stehen und dann behandelt werden müssten. Und jenen, die schon krank sind und nicht etwa irgendwann. Sie waren es jetzt, in genau diesem Augenblick und benötigten ärztliche Hilfe, Operationen, Therapien oder einfach nur eine Diagnose.

All das wurde in eine Sprache der Vernunft gehüllt. In ein unantastbares Fürsorge- und Vorsorgeidiom. Wer wollte denn da ins Wort fallen? Wer es dennoch tat, galt schnell als jemand, der die Zeichen der Zeit missachtete. Dabei ist es nicht von der Hand zu weisen: Aus Warte der Kranken, hat die Bundesregierung ein ziemlich krankes Krisenmanagement betrieben. Sie hat Chronikern, Krebs- und Herzpatienten das Gefühl gegeben, irrelevante Patienten zu sein. Sie hat sie um ihre Ansprüche auf medizinische Versorgung gebracht.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Rudi
Rudi
3 Jahre zuvor

Laut einer weltweit durchgeführten Umfrage durch die Europäische Gesellschaft für Kardeologie (ESC) habe sich die Zahl der Hilfesuchenden um etwa die Hälfte reduziert. Damit seien Therapiechancen auf der Strecke geblieben. Die Präsidentin der Gesellschaft sagte: „Wir werden Zeuge des unnötigen Verlusts an Leben. Das Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben, sei weitaus größer als das, an Covid-19 zu sterben.“

Christ343
Christ343
Reply to  Rudi
3 Jahre zuvor

Die Gesamt-Sterblichkeit ist in diesem Jahr auch nicht größer als im vergangenen Jahr. Die Politik sollte gemischt christlich-konservativ, rechtskonservativ und ökologisch sein. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).

Robbespiere
Robbespiere
Reply to  Christ343
3 Jahre zuvor

….und bitte Jeder nur ein Kreuz.

niki
niki
Reply to  Christ343
3 Jahre zuvor

Erzähle nicht so ein Dünnschiss… Ökologisch zu handeln war noch nie ein Anliegen der rechtskonservativen… Und wird es nie sein! Und in die Kirche gehen die auch nur um Netzwerke zu knüpfen…
Christlich-Konservativ? Willst du wieder Hexenverbrennungen?

aquadraht
aquadraht
3 Jahre zuvor

Ich kann dem so nicht ganz folgen. Wenn wir Haare spalten, sollte auch anerkannt werden, dass der seltenere Arzt- und Krankenhausbesuch iatrogene Todes- und Krankheitsfälle, durch Fehldiagnosen, Kunstfehler, Hospitalkeime etc. verhindert hat. Die bewegen sich im fünf- bis sechsstelligen Bereich pro Jahr.

Und die Realität ist und war seit Jahren, dass man bei einem verdächtigen Knoten, Grummeln im Abdomen oder was immer ohnehin Termine im Horizont von Wochen oder Monaten planen muss, wenn es über mehrere Mediziner (Hausarzt, Internist, Urologe, Orthopäde, Neurologe ..) geht, gut ein Viertel- oder halbes Jahr, und Expeditionen quer durch die Stadt oder Region. Polikliniken wurden ja abgeschafft. Corona hat da höchstens die Planungsanforderungen etwas verschärft.

Rudi
Rudi
Reply to  aquadraht
3 Jahre zuvor

@aquadraht

Wenn wir Haare spalten, sollte auch anerkannt werden, dass…

Ich sehe im Moment nicht, dass hier Haare gespaltet worden seien, wenn man darauf hinweist, dass durch die staatlichen Carona-Maßnahmen Nachteile für andere Patientengruppen entstanden sind. Mein Hinweis bspw. zielte auf die weltweite Umfrage unter im kardeologischen Bereich arbeitenden Menschen. Wenn diese Umfrage valide ist, sie wurde im European Heart Journal publiziert, sind die negativen gesundheitlichen Folgen jenseits von Corona bedeutend. Das hängt mit der Politik und PR-Arbeit zusammen, etwa als die italienischen Verhältnisse beim Abtransport der Toten durch Militärfahrzeuge in den Mittelpunkt gerückt wurden.

Man wird natürlich nie alle gesundheitlichen Nachteile, die die Corona-Krise mit sich bringt, aufarbeiten und statistisch erfassen können. Es ist jedoch zu einfach, wie das täglich geschieht, mit Zahlen von Infizierten, Genesenen und Toten zu hantieren, um die gesundheitlichen Folgen bzw. die aktuelle Lage umfänglich zu beschreiben.

aquadraht
aquadraht
Reply to  Rudi
3 Jahre zuvor

Das war nicht speziell an Dich gerichtet, Rudi, eher allgemein zu solchen „Abschätzungen“, wie viele Menschen jedes Jahr durch sterben oder zu schaden kommen (und keine Sau juckt’s).

Es ist sicher, dass sowohl die Seuche als auch der Lockdown und die Wirtschaftskrise negative Auswirkungen haben und Menschenleben kosten. Die Frage ist doch, wie man besser reagieren kann oder besser hätte reagieren können.

Aber genau das sollte nicht vorgetragen werden im Modus der Allwissenheit. Ich finde, dass unsere Regierung wie alle westlichen Regierungen die Seuche erstmal verschnarcht hat und die Zeit verspielt, die die schnelle chinesische Reaktion eigentlich gegeben hat. Einzelne Regierungen haben schlechter oder besser reagiert, einige Länder, darunter Deutschland, haben wohl auch Glück gehabt, andere, wie UK oder Schweden, oder die USA, besonders verantwortungslos agiert.

Ich habe mal auf die iatrogene und einrichtungsbezogene Morbidität und Mortalität hingewiesen, weil die ziemlich heftige Opferzahlen aufweist. Nicht nur unterlassene medizinische Behandlung kann schaden.

Was daraus folgt? Sorry, weiss ich auch nicht so genau. Sicher ist, dass sich etwas ändern sollte an unserem „Gesundheitssystem“. Ziemlich sicher ist aber auch, dass das nicht passieren wird, jedenfalls nicht zum Besseren.

t.h.wolff
t.h.wolff
3 Jahre zuvor

Die große Herausforderung für Merkels Koalition wird sein, die Ausmaße des Corona-Fehlalarms systematisch wegzumoderieren und gleichzeitig den VolksFürsorge-Bonus bis zu den Bundestagswahlen 2021 zu konservieren. Viel Spaß, das ist quasi die Quadratur des Kreises. Damit wird die größte Koaliton aller Zeiten sich in den kommenden Monaten hauptsächlich beschäftigen, ebenso wie sie sich in den Monaten um den Jahreswechsel 19/20 ausschließlich mit strategischen Sandkastenspielen befasst hat (zuvörderst die Kalif-Frage der CDU) – bis zum völligen Verschlampen der elementaren Daeinsvorsorge (Schutzmasken/Desinfektionsmittel) für den deutschen Medizinbetrieb. Auch spannend: das vollständige Ausblenden der katastrophalen Auswirkungen der Merkelschen Austeritätspolitik auf den Gesundheitssektor der südlichen Eurozone. Auf SPON kam schon ein britischer Wissenschaftler zu Wort: er konnte sich das vergleichsweise gute Abschneiden Deutschlands in der Pandemie nicht erklären und fabulierte über eine „schwarze Materie“, die es nun zu suchen gelte. Die Nebelgranaten der Desinformationsindustrie fliegen also bereits tief. Meine Prognose: AKK wird bis zur Wahl als tüchtige Nazi-Jägerin in der Bundeswehr profiliert, damit die Schwarz/Grüne Wunschkoalition geschlossen werden kann. Die glauben dann auch an militärische Elitetruppen ohne innere Neigung zum Totalitarismus (s. Quadratur des Kreises).

Pen
Pen
3 Jahre zuvor

„Selbst seriöse Medien verbreiten weiterhin viele Halbwahrheiten zum Risiko und zur Verbreitung von Covid-19. Hier ein Faktencheck.

Das Virus Sars-CoV-2 verbreitete sich rasant ab Ende 2019 in China und ab Februar auch in Europa. Seither beschäftigen sich die Medien intensiv mit dieser Pandemie. Dabei übersahen sie häufig, dass Experten und Behörden zwei Ziele verfolgten:

Epidemiologen, Virologen und Infektiologen möchten die Verbreitung des Virus möglichst stark verlangsamen und tödliche Folgen des Virus möglichst ganz vermeiden. Um soziale und wirtschaftliche Kollateralschäden, die ebenfalls gesundheitsschädigende Folgen haben können, kümmern sie sich nicht. “

https://www.infosperber.ch/Artikel/Gesundheit/13-irrefuhrende-und-falsche-Behauptungen-zur-Corona-Epidemie

Robbespiere
Robbespiere
Reply to  Pen
3 Jahre zuvor

Pen

Dazu passt auch gut sieser Artikel auf Makroskop:

https://makroskop.eu/2020/06/corona-systemische-stabilitaetsrisiken/

Pen
Pen
Reply to  Robbespiere
3 Jahre zuvor

@Robbespiere

Danke für den link. Ein Corona Untersuchungsausschuß und Neuwahlen wären angesagt, aber mit den Deutschen kann man offenbar alles machen.

Marla
Marla
3 Jahre zuvor

Dat Drama war ja die Entmündigung bei gleichzeitig Heiligsprechung!
Seit Jahrhunderten immer das gleiche: der Untertan ist blöd und muss von ‚Experten‘ vertreten werden….
(Seit uralten Zeiten wird es deswegen auch überreguliert und -je nachdem- überpädagogisiert! (Gerne Frauen, Kinder, Schwache, Alte, Unterschichtler, ‚Ausländer‘)
(ein Nebeneffekt des Patriarchalen Kolonialen war immer: ich weiß (doppelt gemoppelt ;-), du doof)

und jetzt kombiniert -extra für die rotgrünlinksen incl Biedermeier- (eine Querfront ohnegleichen) die durch alle Kanäle eiernde Seeligsprechung der socialdistancing Leute: bleibt in Eurer Blase und ihr werdet solidarisch, mitfühlend, empathisch geadelt um ‚zur rechten Seite Gottes zu sitzen‘ …. so der Tag kommt!

Was ich ja merkwürdig finde: die querfronterische und verschwörungsartige Komplett-socialdistancingerei- der Millionen Ärzte! Zwei Monate quasi regierte ein Petrischalenfachmann und alle anderen Mediziner incl deren ProfitSchmarotzer schwiegen!

Aufgewachter
Aufgewachter
3 Jahre zuvor

So und genauso war die DDR, die Deutsche Demokratische Republik genau dasselbe, wie so ´ne Blaupause, wie von diesem Laden hier. Und dann war sie auf einmal verschwunden und alle haben so getan, nein wir waren nie dabei gewesen. Nix Leute, nix! Eure Bundesrepublik, Eure Europäische Union und was weiß ich, was Ihr alle so am Start habt, das kommt alles weg! Der ganze Schrott kommt weg! Das sage ich Euch. Und Ihr werdet froh sein, Ihr werdet eines Tages sagen, meine Fresse das ist der Wahnsinn, wie gut es uns wirklich geht und wir sind wieder in der Liebe, wir sind im Frieden, wir sind nicht mehr im Krieg und im Hass, wir sind nicht mehr in dieser Scheiß Lüge drinne.

1789 sind die Menschen zur Bastille gezogen und dann haben sie in der selben Nacht die Scheiße abgerissen, da war das Symbol der Macht gefallen. Ob das nun gesteuert war oder nicht – das ist egal – es geht nur um die Ereignisse der menschlichen Geschichte. Ich hoffe das Ihr das versteht – 1989 versteht. Das Ihr immer versteht, wie die Menschen losgezogen sind. Das Ihr irgendwie das nur schnallt, wie es ist in der Historie der Menschheitsgeschichte gelaufen ist, egal wo! Jedes Mal, wenn ein Tyrann gestürzt worden war, also ein Tyrann des Systemes oder sonst was, sind die Menschen ´rausgegangen, sind losgezogen zum Tyrannen und sind nicht irgendwohin mit einem Pappschild und haben in irgendeinem Fischerdorf demonstriert. Ich hoffe Ihr versteht jetzt, was ich damit gesagt hab´.

Auf zum Tyrannen und nicht mit einem Pappschild in irgendein Fischerdorf!
https://aufgewachter.wordpress.com/2020/06/16/auf-zum-tyrannen-und-nicht-mit-einem-pappschild-in-irgendein-fischerdorf/

Thomas
Thomas
3 Jahre zuvor

Wer (außer der Regierung selbst) sagt, dass sie Leben retten wollte?
Mit den Maßnahmen sollten doch einzig die Krankenhäuser vor einem unkontrollierten Ansturm real und vermeintlich Erkrankter geschützt werden.

Drunter & Drüber
Drunter & Drüber
3 Jahre zuvor

Leer!

Drunter & Drüber
Drunter & Drüber
3 Jahre zuvor

Was funktioniert hier nicht? Antwort funktioniert hier nicht.

Alles gut. Der Kommentar, auf den ich antworten wollte, ist wohl gespamlöscht worden.