Gute Polizei, böse Polizei? Wenn es nur so einfach wäre!

Kann man die deutsche und die US-Polizei miteinander vergleichen, so wie es nach dem Mord an George Floyd und den Auseinandersetzungen in Stuttgart geschehen ist? Ist die deutsche Polizei rassistisch oder gar von rechts unterwandert?
Bei Licht betrachtet setzen diese Fragen an der falschen Stelle an.

Die Abschaffung der Polizei kann niemand ernsthaft wollen, der auch nur ahnt, wie gnadenlos im Neoliberalismus mit Privatisierungen umgegangen wird. Sobald ein Unternehmen oder eine Institution in private Hände gelangt, funkeln in den Pupillen der Geschäftemacher Dollar- bzw. Euroscheine. Die Diskussion über eine Abschaffung der Polizei sollte also möglichst unverzüglich beendet werden. Ein Problem haben wir aber dennoch.

Mehr Stellen bei der Polizei?

Hört man Politikern in diesen Tagen zu, schätzen diese die Polizei bis zur Liebeserklärung. Polizisten halten für uns das Kreuz hin, die Politik stehe hinter ihnen und wertschätze ihre Arbeit auf ganzer Linie. Ausfälle wie rechte Tendenzen seien Einzelfälle, „racial profiling“ oder ungerechtfertigte Übergriffe seien nur bei „Schwarzen Schafen“ ein Problem. Das könnte man sicher diskutieren, und auch die Frage, welche Zahl von Übergriffen nötig ist, um dann eben doch nicht mehr von Einzelfällen sprechen zu können.

Aber es lenkt die Diskussion in eine ähnlich symbolische Richtung wie die Debatten über die Zunahme der Gewalt innerhalb der Bevölkerung. Beides sind Dinge, die man nicht leugnen kann, und beides hat in den letzten Jahren zugenommen.

Doch für solche Entwicklungen gibt es Erklärungen, Entwicklungen, die in eine bestimmte Richtung zeigen. Diese müssen beleuchtet werden, denn die Debatte über Symptome führt nicht weiter.

Die Gewerkschaft der Polizei warnt

Wie wichtig der Politik die Polizei tatsächlich ist, macht ein Blick auf ein Statement der Gewerkschaft der Polizei (GdP) deutlich:

Berlin.
Rund 10.000 Stellen im Polizeivollzugsbereich und etwa 7.000 Stellen im Tarifbereich sind nach der Gewerkschaft der Polizei (GdP) vorliegenden Informationen in Bund und Ländern ersatzlos gestrichen worden. Damit seien die Schätzungen der GdP deutlich übertroffen worden. Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei: „Es ist skandalös, mit welcher Ignoranz Politiker in Bund und Ländern ihr Spardiktat auf dem Rücken der Polizeibeschäftigten austragen und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zunehmend aufs Spiel setzen.

Das klingt schon deutlich weniger nach einer Liebeserklärung durch die Politik. Aber die eigentliche Brisanz dieses Zitats ist etwas, das ich bewusst weggelassen habe. Die Rede ist nämlich nicht von 2019 oder 2020, sondern vom Zeitraum 2000 bis 2006.Wenn also hier und heute über die Polizei diskutiert und so getan wird, als seien plötzlich Missstände vom Himmel gefallen (Missstände, mit denen natürlich keiner rechnen konnte), so verkürzt das die Diskussion und reduziert sie auf die Beschreibung von Symptomen, ohne die Ursachen zu benennen.

Überstunden und Stellenabbau

Verlassen wir den Zeitraum 2000 bis 2006 und wenden uns der jüngeren Polizeigeschichte zu. Diese Grafik zeigt den Stellenabbau einiger Bundesländer zwischen 1998 und 2010, der Artikel stammt aus 2015:

Die „Welt“ schrieb damals:

Laut einer internen Aufstellung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums über die Zahl der Beamten im Polizeivollzugsdienst, die der „Welt“ vorliegt, wurden zwischen 1998 und 2010 bei den Länderpolizeien rund 10.000 Stellen abgebaut. Allen voran strich Nordrhein-Westfalen 3300 Stellen, im kleinen Berlin waren es immerhin 2900.

Und täglich grüßt das Murmeltier, denn so wie heute fielen die Politiker auch damals schon rhetorisch krachend übereinander her. Der Grüne Anton Hofreiter sagte einen Satz, mit dem man nicht viel falsch machen kann:

Was wir brauchen, ist eine gut ausgestattete Polizei.

Wer will dem widersprechen? Er hätte auch sagen können, dass wir den Weltfrieden brauchen. Dennoch widersprach Wolfgang Bosbach (CDU) und feuerte zurück:

Es ist schon interessant, dass Herr Hofreiter im Bundestag angemessene Polizeiausstattung anmahnt, während seine Partei im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen für einen Abbau von Vollzugsstellen gesorgt hat.

So könnte es weitergehen, aber das ersparen wir uns.

2017 war auf „merkur.de“ dann nachzulesen:

Berlin (dpa) – Die deutschen Polizisten haben nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im vergangenen Jahr so viele Überstunden gemacht wie noch nie: 22 Millionen. Das waren zwei Millionen mehr als 2015, berichtet die „Bild“-Zeitung. Gewerkschaftschef Oliver Malchow sagte dem Blatt: „Die Zahl der Überstunden entspricht der Arbeitskraft von 9000 Polizeibeamten in den Ländern und 900 im Bund.“

Und wieder machten sich die Parteien gegenseitig dafür verantwortlich, dass alles so schlimm ist.

Der Polizist, der vom Himmel fiel

Meiner Ansicht nach ist ein Perspektivwechsel nötig, um uns bewusst zu machen, dass diejenigen, die die Missstände anprangern, in den meisten Fällen die sind, die sie zu verantworten haben. Doch auf diese Idee kommen wir immer seltener. Wir streiten darüber, wer, wie, wann und warum die Gewalt in Stuttgart angezettelt hat. Wir lauschen andächtig den Worten von vermeintlichen Demokraten, die sich mit erhobenem Zeigefinger hinstellen und rufen, dass Gewalt mit aller Härte bestraft werden müsse. In den (sozialen) Medien und der Presse, im Fernsehen und auf der Straße bekommen sie dafür Applaus. Wir heben hervor, dass die deutsche Polizei nicht mit der amerikanischen vergleichbar ist, weil hier eben alles besser ist. Und das mag sogar noch stimmen, doch was in den USA beginnt, schwappt früher oder später auch nach Europa herüber. Und das ist kein Zufall, es entspricht dem neoliberalen Weltbild.

Die oben zitierten Meldungen aus den letzten Jahren zeigen es mehr als deutlich auf. Die Polizei wurde bewusst kaputtgespart, ähnlich wie das Gesundheitssystem, das Rentensystem und andere Systeme auch. Aus Personalmangel und Überstunden entstehen Überforderung und Frust, was wiederum die Hemmschwelle senkt, in brisanten Situationen unangemessen oder schlicht falsch zu reagieren. Dafür kann man nicht die Polizei verantwortlich machen, nicht einmal diejenigen (zumindest nicht ausschließlich), die auf Demos oder auch nur Drogenkontrollen scheinbar plötzlich und völlig unangemessen durchdrehen. Es liegt aber näher und ist bequemer als sich mit den Ursachen zu beschäftigen. Und, na klar, der schlagende Polizist oder Steine werfende Demonstrant ist als Täter schnell erkannt und (vor)verurteilt. Tiefer zu graben ist dagegen anstrengend.

Polizisten fallen nicht vom Himmel, sie müssen ausgebildet und „angelockt“ werden. Sie müssen Wertschätzung erfahren, eine gute Bezahlung, sie müssen ständig weitergebildet werden (auch und gerade psychologisch). Wer stattdessen über Jahrzehnte Stellen abbaut und Überstunden anhäuft, darf sich nicht wundern, wenn aufgrund von Überlastungen, Frust und Angst vor dem, was „da draußen“ passiert, immer häufiger „Sicherungen durchbrennen“, und zwar auf beiden Seiten. Dazu komme ich jetzt.

Party, Party! Party?

Verantwortlich für die Gewalt in Stuttgart sei die „Party- und Eventszene“ gewesen, die im Grunde überhaupt keinen Grund hatte für ihre Taten. Winfried Kretschmann (die Grünen) sagte dazu:

Das hat uns gerade noch gefehlt.

Er könne nicht verstehen, dass junge Männer „eigentlich aus keinem Anlass eine Gewaltorgie in Gang setzen“.

Und auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) machte sich ein Bild von der Lage und sprach in die Mikrofone:

Insgesamt ist dies ein wirkliches Alarmsignal für unseren Rechtsstaat.

Die Täter, so Seehofer, müssten hart bestraft werden, denn Strafe sei „immer noch das beste präventive Mittel“.

Lassen wir hier einmal unberücksichtigt, dass eine Strafe keine Prävention, sondern eine Reaktion darstellt, ist festzuhalten: Die Gewalt in Stuttgart ist nichts, das völlig überraschend käme, auf das man nicht hätte vorbereitet sein können, sie ist nichts, was „aus keinem Anlass“ gekommen ist. So kann man nur denken, wenn man davon ausgeht, dass wir in einer Welt aus Milch und Honig leben, die für alle alles bereithält, was zum guten Leben notwendig ist.

Und selbst die Annahme, dass bei den Taten in Stuttgart Corona und die Auswirkungen der letzten Monate eine Rolle spielen, reicht nicht aus. Es ist schon seit Langem eine Tendenz zu erkennen. Eine Tendenz, die gewissermaßen parallel mit dem Stellenabbau bei der Polizei zu beobachten ist. Es wird gespart. An den Institutionen, an der Versorgung, der Gesundheit, den Kindern, den „Corona-Helden“ an den Löhnen, den Renten, der Bildung, der Kultur, kurz: an den Menschen. Die wiederholten gebetsmühlenartig formulierten Frohlockungen, es gehe uns gut, man solle doch mal in andere Länder schauen, sind abstrakt und führen eher zu noch mehr Angst. Zu Angst, die lähmt. Und/oder zu Angst, die wütend macht und Gewalt zur Folge hat.

Langer Atem statt schnellem Bild

Wir müssen unsere Wahrnehmung ändern. Wir müssen gegen die schnellen Bilder und Meldungen angehen, müssen versuchen, uns mit den Ursachen zu beschäftigen, statt uns ein paar Tage über die Symptome aufzuregen. Es mag guttun, sich zu empören, über Polizeigewalt oder Gewalt der „Event- und Partyszene“, über Ausschreitungen auf Demos oder individuelle Übergriffe, die medienwirksam verbreitet werden.

Aber es reicht nicht aus, hüben wie drüben „Bösewichte“ auszumachen, die verantwortlich sein sollen, um dann weiterzumachen wie zuvor. Und in diesem Zusammenhang ist ein Vergleich mit den USA eben doch erlaubt, auch wenn man die Unterschiede betonen muss. Die strukturelle Gewalt in den USA gegenüber Schwarzen ist Fakt und hat eine lange Geschichte, die nicht „mal eben“ aus der Welt geschaffen werden kann.

Doch auch hier haben wir es mit struktureller Gewalt zu tun. Mit struktureller Gewalt, die auf Menschen ausgeübt wird, die sich auf der unteren Skala der Gesellschaft befinden. Jugendliche gehören zu den Opfern jener strukturellen Gewalt, die erwartet, dass jeder „seines Glückes Schmied“ ist. Aber auch Polizisten befinden sich auf einem absteigenden Ast, weil sie verheizt und vorgeschickt werden, weil sie ausbaden müssen, was die Politik versäumt hat, und weil sie im Zweifelsfall zur Verantwortung gezogen werden. Das mag beim Einzelfall gerechtfertigt sein, aber in der Summe ist (fast) jeder Übergriff polizeilicher Gewalt mit einer Geschichte verbunden, die schon viel früher begonnen hat als die tatsächlich ausgeführte Tat. Gleiches gilt für die andere Seite, also für diejenigen, die Gewalt gegenüber der Polizei ausüben.

Es ist so einfach

Wenn wir weiter mit staunendem Mund jenen Politikern lauschen, die Gewalt aufs Schärfste verurteilen und die Täter hart bestrafen wollen, haben wir – medial in Häppchen verpackt – unser tägliches Feindbild, an dem wir uns reiben können. Und es bleibt uns die Mühe erspart, uns mit den Ursachen auseinander zu setzen, die Entwicklungen zu beobachten und die wahren Täter auszumachen. Das ist herrlich einfach.

Aber Gewalt, insbesondere Gewalt, die durch Gruppen ausgeübt wird – etwa durch Polizisten oder Jugendliche – folgt immer einer Entwicklung, sie entsteht nicht einfach so, sondern baut sich auf, so lange, bis sie ausbricht.

Es ist tragisch und zynisch, dass ausgerechnet jene, die durch ihre Politik dafür verantwortlich zeichnen, dass die Gewalt seit Jahren zunimmt, sich als Saubermänner präsentieren können, die nur an das Gute denken.

So ist es nicht.
So ist es überhaupt nicht.

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Tom J. Wellbrock

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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niki
niki
3 Jahre zuvor

Danke für den sehr differenzierten Artikel…
Mal nicht das übliche polarisieren, sondern tatsächlich eine Ursachensuche…

Es kommt das eine zum anderen und ergänzt sich halt… Da ist nicht nur die Tatsache, dass bei Teilen der Bevölkerung die Ventile schlicht wegfallen, sondern natürlich auch auf der anderen Seite die Überarbeitung, Unterausstattung und anderen Faktoren dazukommen…
Und wer meint mit Härte einfach draufzuschlagen, hat echt den Schuss nicht gehört… Aber was erwarte ich bei einer Bevölkerung dem das Denken noch nie in die Wiege gelegt worden ist und dem mal ausnahmsweise wirklich denkendem alle Steine in den Weg geschissen werden und dieser oft quasi rekonditioniert wird…

Pen
Pen
Reply to  niki
3 Jahre zuvor

Ich habe nie verstanden, warum man Deutschland das Land der Dichter und Denker nennt. Kant, Hegel, usw. waren die ersten wirklichen Antideutschen. 🙂

niki
niki
Reply to  Pen
3 Jahre zuvor

Das Land der Dichter und Denker…: „Denke nie gedacht zu haben…“
Enough said….

ChrissieR
ChrissieR
Reply to  niki
3 Jahre zuvor

Guude!
Ich denk, das hiess “ Land der Richter und Henker“ ????

Pen
Pen
Reply to  ChrissieR
3 Jahre zuvor

E-BEN! Und die Richter und Henker sind eindeutig in der Überzahl.

Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente
Reply to  Pen
3 Jahre zuvor

Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Kant war doch angeblich Rassist. Also Nazi. Mindestens aber rechts. Und jetzt behauptest du, er sein ein Extremlinker. Alles sehr kompliziert.

ChrissieR
ChrissieR
Reply to  Roberto J. De Lapuente
3 Jahre zuvor

Guude, Roberto!

Der Kant war das mit dem kathodischen Infinitiv….oder so…

Art Vanderley
Art Vanderley
Reply to  niki
3 Jahre zuvor

„Mal nicht das übliche polarisieren“
Schließe mich an.

Pen
Pen
3 Jahre zuvor

Sehr guter Artikel, der im Gegensatz zur Schwarz-Weißmalerei der Mainmedien beide Seiten des Problems analysiert. Warum schaffen Politiker das nicht?

Robbespiere
Robbespiere
3 Jahre zuvor

Sehr guter Artikel, der auch mal die Warte der Polizei einnimmt.
Wenn man dann noch einen Ex-Polizisten kennt, der sich während seiner Dienstzeit darüber geärgert hat, dass er Kriminelle festnahm, die ihm dank eines Richters am nächsten tag wieder lächelnd auf der Strasse begegneten, kann man deren Frust durchaus verstehen.

Dazu kommt, dass Drogenhandel, Prostitution und Wohnungseinbrüche mittlerweile fest in der Hand ausländischer Clans sind.

Bevor mich jetzt Jamand in die Nähe der AFD rückt:

Mir ist durchaus bewußt, dass dieses Millieu größtenteils die Folge von Handlungen der Länder der EU ist, wie Kriegsbeteiligungen, wirtschaftliche Dominanz oder der Wunsch der Wirtschaft nach billigen Arbeitskräften, zwecks Lohndrückerei.
Wo es leichtes Geld zu verdienen gibt, findet sich auch Jemand, der es mitnimmt, zumal, wenn der Staat das auch noch fördert, in dem er jeden Verweis darauf als Rassismus verurteilt.

Dass die gleichen Schweinebacken, die dies zu verantworten haben, nun nach mehr Rechtsstaat rufen, ist eine Frechheit ohnegleichen.
Die zu entmachten wäre der wichtigste Schritt in Richtung Besserung.

Molle Kühl
Molle Kühl
3 Jahre zuvor

Ach ja – jetzt auch noch der Polizeiversteher.
„Solange KAKAOBOHNEN auf Bäumen wachsen, ist und bleibt Schokolade für mich OBST.“

Robbespiere
Robbespiere
Reply to  Molle Kühl
3 Jahre zuvor

@Molle Kühl

Verstehen wollen ist die Basis jeder geistigen Entwicklung.
Wer das nicht will, bleibt halt auf seiner Insel und klammert sich an die Palme. 🙂

Pjotr56
Pjotr56
3 Jahre zuvor

Täter in Uniform – Polizeigewalt in Deutschland
Radiofeature von Marie von Kuck
Wenn Polizisten in Deutschland Straftaten begehen, werden sie nur sehr selten zur Verantwortung gezogen – begünstigt durch ein System, in dem Gewalt von Polizisten nicht unabhängig untersucht wird.
Dafür landen nicht selten die Opfer auf der Anklagebank.

Je brenzliger die Lage, desto lauter der Ruf nach starken Sicherheitsorganen. Doch was, wenn Polizisten selbst zur Gefahr werden? Die Liste der Vorwürfe ist lang: Anschläge auf friedliche Bürger, Misshandlungen in Gewahrsamszellen, sogar Totschlag und Mord im Dienst. Die Polizeigewerkschaft spricht von bedauerlichen Ausnahmen und schwarzen Schafen.

Doch Amnesty International kritisiert strukturelle Polizeigewalt in Deutschland schon seit Jahren. Strafanzeigen gegen Polizisten führen auffällig selten zu einem Verfahren und fast nie zur Verurteilung der Beschuldigten. Geschädigte, die sich dagegen wehren, bekommen dagegen die ganze Härte des Gesetzes zu spüren. Wird der Rechtsstaat seinem Anspruch noch gerecht?

Im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt werden Polizisten nur sehr selten verurteilt: Im Jahr 2015 wurden im Schnitt 54,8 Prozent aller Strafverfahren eingestellt, bei Verfahren gegen Polizisten waren es 97,7 Prozent. Im gleichen Jahr gab es rund 2200 Verfahren wegen Polizeigewalt.

Textquelle:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/polizeigewalt-in-deutschland-taeter-in-uniform.3720.de.html?dram:article_id=420459

Podcast auf Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=CQC8pRhmAeo

Robbespiere
Robbespiere
Reply to  Pjotr56
3 Jahre zuvor

Stimmt Alles, was du sagst, nur darf man nicht vergessen, dass am oberen Ende der Befehlskette die Innenminister und darüber die Ministerpräsidenten bzw. die Kanzlerin stehen.
Dass es bei labilen Personen in Uniform zu gewaltsamen Exzessen kommt, unterscheidet die nicht von anderen Gesellschaftsgruppen, auch wenn unterschiedliche Waffen in Einsatz gebracht werden.
Wer wg. des Gewinns Arbeitnehmer auf die Straße setzt, ist nicht minder gewaltsam und auch das wird nicht geahndet.
Beides ist Mist.

Molle Kühl
Molle Kühl
3 Jahre zuvor

Du so: „Das mag beim Einzelfall gerechtfertigt sein, aber in der Summe ist (fast) jeder Übergriff polizeilicher Gewalt mit einer Geschichte verbunden, die schon viel früher begonnen hat als die tatsächlich ausgeführte Tat. “

Hintergrundgeschichte oder koordinierter „Tierversuch“?
George Floyd wurde am 25. Mai 2020 durch vier Polizeibeamte auf öffentlicher Straße in einer gemeinschaftlichem Handlung und offensichtlich geplant, ohne jede erkennbare Affekthandlung, schlicht gefoltert und hingerichtet. Das geschah mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen erst einmal gefunden werden muss. Es handelt sich nicht um irgendwelche Exzesse in Folterkellern staatlicher Geheimdienste oder Milizen, auch nicht in irgendeinem mafiotischen kriminellen Zusammenhang. Mit „ihresgleichen“ meine ich eine staatliche Polizei in der westlichen „Wertegemeinschaft“, die mit vier polizeilichen Tätern und großem inneren Selbstverständnis so eine Tat, eine Hinrichtung, mit einer solchen zur Schau getragenen Selbstsicherheit begeht.

Vier Uniformierte handelten im Grunde wie bei einem Tierversuch: Mal sehen, wie lange das „schwarze Tier“ lebt, wenn wir ihn durch zwei der Jungs (= Assistenten) fixieren, einen als Sicherung nach außen, einen als Reserve, falls „es“ sich wehrt. (3. Assistent) und natürlich den „Forscher“ selbst, der Haupttäter, auch in Cops-Uniform gekleidet.

Ergebnis des Versuchs: Acht Minuten und 41 Sekunden hat Floyd noch leben können, obwohl der Haupttäter sein Knie auf den Hals kniend drückte. Ein Video gibt es als Beweis. Selten wohl war ein Mord besser dokumentiert.

Der gravierende Unterschied zwischen Polizeigewalt in Deutschland und der Gewalt gegen die Polizei ist, dass letztere niemals von Reichen ausgeübt wird, sondern von Angehörigen einer Unterschicht, die es im Interesse der Mittel- und Oberschicht zu kontrollieren gilt. Das hat Tradition genau so wie der Corpsgeist der Polizei, die sich darauf Verlassen kann, dass die Justiz fast immer auf ihrer Seite ist und ein Cop den anderen niemals durch eine nachteilige Aussage belasten würde.

Zum Schluss noch eine Statistik zu Todesfällen in Polizeigewahrsam ohne Gebrauch von Schusswaffen:

https://deathincustody.noblogs.org/

Molle Kühl
Molle Kühl
Reply to  Tom J. Wellbrock
3 Jahre zuvor

Das hier ist nun mal ein Meinungsmedium ohne jegliche Rechereche und ohne sachliche Informationen. Es ist einfach Bequemlichkeit und Klickbaiting, was Euch leitet. Kontroverse Diskussionen unerwünscht. Stattdessen Häme und Arroganz. So entsteht Hass.

https://www.vice.com/de/article/5dzgzd/george-floyd-polizeigewalt-in-deutschland

In Deutschland gibt es mehr Tote bei Polizeieinsätzen, als die behördlichen Statistiken ausweisen. Die zählen nämlich nur durch Schusswaffen Getötete. Wie viele Menschen auf andere Weise ums Leben kamen, wird nicht erfasst. Auf der Grundlage der Pressedatenbank des SPIEGEL starben in den vergangenen 20 Jahren 38 Personen bei oder nach Polizeieinsätzen ohne Schusswaffengebrauch. Im selben Zeitraum erschossen Polizisten und Polizistinnen 174 Menschen (Mauertote von 1961 bis 1989 = 140.). Besonders häufig starben Personen bei oder nach einer Fixierung, öfter durch unterlassene Hilfeleistung (Oury Jalloh) von Polizisten oder durch Prügel.

Das alles hat nämlich mit Deinen „Strukturen“ nichts zu tun. Lies doch mal Adornos „Studien über den autoritären Charakter“.

Art Vanderley
Art Vanderley
3 Jahre zuvor

Das Spardiktat ist auch Teil einer (umweltzerstörenden) Politik, die das Virus überhaupt erst hat überspringen lassen, und die letztlich auch in China das vorherrschende Dogma ist.

Molle Kühl
Molle Kühl
3 Jahre zuvor

Nach der Logik des Autors müßten auch Pflegekräfte ihr Klientel häufiger verprügln und töten, weil sie auch
a) massiv eingespart und schlecht bezahlt werden,
b) es manchmal mit renitentem Klientel zu tun haben und
c) frustriert sind.

Detlef Schulze
Detlef Schulze
3 Jahre zuvor

1. Wieso werden 15 Jahre alte Statistiken aufgefuehrt? Diese belegen wie die Situation damals war und nicht, wie sie jetzt ist. Und gar nichts ist daran brisant, dass diese Statistik so alt ist. Kurzes googeln ergibt dass die Zahl der Polizisten in Deutschland 2006 minimal war, seit dem aber wieder ansteigt. Allein in NRW werden in diesem Jahr über 1000 Polizisten zusaetzlich eingestellt.

2. Ich weiss nicht, warum Herr Wellbrock glaubt, irgendwer wolle (ernsthaft) die Polizei abschaffen. Sowas habe ich noch nie gehoert. Was man manchmal hoert sind Vorderungen aus den USA, dass die Gelder für die Polizei gekuerzt, bzw., bestimmte Polizei-Abteilungen aufgelöst und dann neu organisiert werden sollen (wie das KSK bei uns). Mit den gesparten Geldern sollen – so die Vorderungen – lieber Sozialarbeiter bezahlt werden. Deren Aufgaben wird in den USA haeufig von Polizisten uebernommen, die (i) viel teurer sind und (ii) hierzu ueberhaupt nicht ausgebildet (ich behaupte nicht, dass sie fuer die Polizeiarbeit besonders gut ausgebildet sind).

PS: Privatisierung der Polizei waere natuerlich schlecht, steht aber gar nicht zur Debatte.

Robbespiere
Robbespiere
Reply to  Detlef Schulze
3 Jahre zuvor

@Detlef Schulze

Kurzes googeln ergibt dass die Zahl der Polizisten in Deutschland 2006 minimal war, seit dem aber wieder ansteigt.

Also mein kurzes googeln hat das Folgende ergeben:

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/156792/umfrage/anzahl-der-polizisten-in-deutschland/

Detlef Schulze
Detlef Schulze
Reply to  Robbespiere
3 Jahre zuvor

Ok, ich helfe Ihnen.
Ein Artikel von 2017:
https://www.welt.de/politik/deutschland/article170625072/Zahl-der-Polizisten-erreicht-neuen-Hoechststand.html

Darin heisst es u.a.:

Die Zahl der Polizisten in Deutschland befindet sich derweil bereits auf dem höchsten Stand seit mindestens zwei Jahrzehnten.

Aktuellere Zahlen findet man fuer einzelne Bundeslaender:
https://www.stmi.bayern.de/med/aktuell/archiv/2019/190514haushalt/
oder
https://www.gdp.de/gdp/gdpnrw.nsf/id/B984D98A38DE9258C12584A1002E13F6/$file/nrw11-19grafik01_Stellen.pdf?open

Robbespiere
Robbespiere
Reply to  Detlef Schulze
3 Jahre zuvor

@Detlef Schulze

Aha, also schreibt das statistische Bundesamt in seiner bundesdeutschen Gesamtbetrachtung Müll bzw. kennt die Daten nicht?

Dass die Welt zum Springer-Konzern gehört, wie die Bildzeitung ist aber bekannt, oder?

Detlef Schulze
Detlef Schulze
Reply to  Robbespiere
3 Jahre zuvor

@Robbespiere

Statista.com ist nicht das statistische Bundesamt und die Zahlen dort gingen bis ins Jahr 2012. Ihr Link widerspricht übrigens auch der Aussage im Blogartikel, dass von 2000 bis 2006 10000 Stellen gestrichen wurden. Vielleicht wurden bei statista.com nur Beamte gezaehlt. Ich weiss es aber nicht.

Und ja, meine Links waren „die Welt“ und die Polizeigewerkschaft. Dies sind die selben Quellen, die Tom Wellbrock oben aufgefuehrt hat. Da haben Sie sich daran ja auch nicht gestoert.

Ich haette aber auch die Zeit verlinken koennen. Steht das selbe drin:

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-09/polizisten-polizei-beamte-beschaeftigte

Robbespiere
Robbespiere
Reply to  Detlef Schulze
3 Jahre zuvor

@Detlef Schulze

Statista.com ist nicht das statistische Bundesamt und die Zahlen dort gingen bis ins Jahr 2012.

Da gebe ich Ihnen recht.
Statista und Destatis sind nicht das Gleiche.
Trotzdem ist Statista deswegen nicht unseriös in Bezug auf seine Daten.

Ihre Aussage war, dass der Zahl der Beschäftigten der Polizei 2006 ihren Tiefpunkt erreicht hätte und dass es seitdem quantitativ aufwärts ginge.
Das geht aus den Daten von Statista bis 2012 nicht hervor.
Wenn Sie da andere, seriöse Daten für das gesamte Bundesgebiet haben, dürfen Sie diese gerne vorbringen.
Es wäre ja auch interessant, woher die „Zeit“ ihre Daten hat.
über den Link habe ich die Daten nicht gefunden, was natürlich auch an mir liegen kann.

Zudem sind Polizisten ( als Beamte ) und Mitarbeiter in der Verwaltung der Polizei zwei Paar Stiefel.