Ein rundherum tolles Wochenende

An jenem Wochenende, an dem sich die beste Vorsitzendenermittlung aller Zeiten in eine Stichwahl rettete, heimst die SPD in Thüringen um die acht (in Zahlen: 8) Prozent ein. Bei den Sozialdemokraten geht echt noch was.

Die Netzwerke glühten rot in den letzten Wochen und Monaten. Sozialdemokratisch rot. Denn dort wurde um den Vorsitz gefeilscht. Team Scholz/Geywitz und Team Borjans/Esken schaffen es letztlich in den Recall. Zwischen ihnen muss der Parteitag dann entscheiden. Zwischen ihnen und zwischen Jan Böhmermann. Das Team Stegner/Schwan ist hingegen raus, hat aber am Ende immer noch mehr Prozentpunkte erhalten, als die thüringische SPD bei der Landtagswahl am Sonntag.

Ach stimmt ja, die LTW – wie man das heute netzwerkaffin abkürzt – war ja dummerweise auch noch an diesem sozialdemokratisch-lieblichen Casting-Wochenende. Wären die Genossinen und Genossen nicht schon Kummer gewöhnt, ihre Castinglaune hätte wirklich Kratzer bekommen können. Aber hey, um die acht Prozent waren es dann doch – bis zum endgültigen Exodus geht da immer noch was. Denn es scheint sich ein Muster des parteilichen Niedergangs zu etablieren: Um die acht Prozent schafft die SPD noch immer problemlos in jedem Land. Selbst dann, wenn es wirklich ganz finster aussieht. Anders gesagt: Man hat so oder so ein sattes Drei-Prozent-Polster zur Sperrklausel. Da geht also noch was für die Sozis.

Indes heißt es, dass der Favorit für den Vorsitz, Vize-GroKo-Befürworter Olaf Scholz, jetzt einen Knacks bekommen hat – eben wegen des Ergebnisses in Thüringen. Nun könnte nämlich die GroKo Thema werden – also ihr baldiges Ende. Damit könnte er der erste Vorsitzende seiner Partei werden, der sich schon vor einem potenziellen Amtsantritt zerlegt hat. Nicht mal Andrea Nahles ist damals dieses Kunststück gelungen. Und Martin Schulz hat dazu noch einen ganzen Wahlkampf benötigt.

Aber natürlich ist der Marathon zur Ermittlung eines neuen Vorsitzenden der SPD trotz schlechter Wahlergebnisse ein voller Erfolg. Das Verfahren stützt die direkte Demokratie und ist geradezu vorbildlich. Sagen jedenfalls die Kanäle der Genossen in den Netzwerken. Sie betonen das quasi täglich. Diese ganze virtuelle Begleitung des Verfahrens hat wirklich die schlimmsten Instinkte im Sozi geweckt. Gesine Schwan, einst Sozialdemokratin mit Reputation, hat sich darin völlig verloren und posierte wie eine greise Bardot. Aber egal, die ganze Angelegenheit ist so erfolgreich, dass man es bald wieder anwenden will. Also gleich nach dem Ende des nächsten Vorsitzes. Spätestens … sagen wir mal … Frühsommer ’20.

Ob dann immer noch grandiose 53 Prozent der wahlberechtigten SPD-Parteibuchinhaber abstimmen werden, ist indes fraglich. Aber andererseits hat ja auch DSDS mit jeder Staffel und Folge mit Anrufereinbußen zu kämpfen. Alles nutzt sich halt auf Dauer ab. Nur Vorsitzende der guten alten Partei nicht. Die brauchen gar keine Dauer, um sich abzunutzen. Die machen das aus dem Stand.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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niki
niki
4 Jahre zuvor

Ich möchte dich an deiner sinngemäßen Aussage erinnern: „Ohne SPD geht es nicht…“
Deswegen kann ich den Frust verstehen: Denn mit DIESER SPD geht es erst recht nicht!
Und Scholz ist nur das Symptom dazu…

Roberto De Lapuente
Roberto De Lapuente
Reply to  niki
4 Jahre zuvor

Ich bleibe dabei: Wir brauchen sie. Nur nicht so.

Drunter & Drüber
Drunter & Drüber
Reply to  Roberto De Lapuente
4 Jahre zuvor

Wir brauchen den Schnaps. Nur nicht mit Alkohol. Eine SPD, die nicht die SPD ist, ist keine SPD. Diese Erfahrung wird die CDU auch noch machen – es sei denn, sie ringt sich dazu durch, die quasifaschistischen Ersatzbedürfnisse (der Deutschen) ihrer WählerInnen wieder offen zu vertreten, wie damals mit Dregger & Konsorten..

Und es wird sein ein Heulen und Zähneklappern…

Drunter & Drüber
Drunter & Drüber
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Dass etwas nicht wandelbar wäre, hat keiner behauptet. Doch wo es gerade hinwandelt, schauen wir uns – zum wievielten wiederholten Male? – in Ruhe in Thüringen an.

HEULEN UND ZÄHNEKLAPPERN

pen
pen
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Roberto,

da stimme ich Dir zu. Jeder, der es will, kann sich ändern. Hab nur das Gefühl, die SPD will es nicht. Irgendwann wird sie es vielleicht wollen, vielleicht dann, wenn sie ihr Personal komplett ausgetauscht hat.

Schröder wollte sich vermutlich an Deutschland rächen, weil er in Armut aufwachsen mußte. Aus Groll darüber brachte er uns H4, dieser ekelhafte Widerling.

niki
niki
Reply to  pen
4 Jahre zuvor

Hab nur das Gefühl, die SPD will es nicht.

So lange die SPDler an Personal festhalten, die auf den asozialen Dreck auch noch stolz sind, denn sie verbrochen haben, will sich die SPD in der Tat nicht ändern…

Juergen
Juergen
Reply to  Roberto De Lapuente
4 Jahre zuvor

Ich bleibe dabei: Wir brauchen sie. Nur nicht so.

Ramelow hat gezeigt was eine bodenständige Linke erreichen kann. Ich hab inzwischen mehr Hoffnung dass sich die Linke entwickelt als dass die SPD noch mal die Kurve kriegt. Zugegeben: nicht viel Hoffnung.

Nashörnchen
Nashörnchen
Reply to  Juergen
4 Jahre zuvor

Ramelow hat gezeigt was eine bodenständige Linke erreichen kann.

…bei den bösen alten weißen Männern.

Bei den unter 60jährigen mal eher wenig: https://is.gd/vCylGf
Hauptsächlich gewählt haben ihn die, die sowieso nichts mehr zu verlieren und – noch – eine halbwegs auskömmliche Rente haben. Wer noch für sein Geld arbeiten muß, sieht das eher bissl anders. Und wenn die Thüringer nicht ihren Höcke hätten, müßte Ramelow sich um Koalitionsverhandlungen wohl überhaupt keine Gedanken machen…

Heldentasse
Reply to  Roberto De Lapuente
4 Jahre zuvor

Ich bleibe dabei: Wir brauchen sie. Nur nicht so.

Es soll ja bekanntlich Leute geben, die brauchen ein großes schmerzhaften Furunkel am Hintern, um glücklich zu sein.

Und wenn es dann nicht mehr so weh tut wie erwartet sagen sie: „Nur nicht so.“ 😉

Beste Grüße

Nashörnchen
Nashörnchen
Reply to  niki
4 Jahre zuvor

Eine sozialdemokratische Partei wäre vielleicht nicht ganz verkehrt. Müßte man mal probieren.
Diese sPD kann

Spätestens … sagen wir mal … Frühsommer ’20

ihre Wähler allesamt persönlich gendern. Meinetwegen sollen sie. Braucht nur halt kein Mensch. Wählt dann eben auch keiner…

Loco
Loco
4 Jahre zuvor

Ob es ein rundherum tolles Wochende war, bin ich mir nicht so ganz sicher. Der Absturz von SPD, CDU und Co. ist an sich keine so große Überraschung, da schwarzrotgrüngelb schon lange in der wirtschaftsliberalen Einheitssoße versunken ist – kein Wunder das dies sich nicht gut in Sachen Wählergunst auswirkt.
Mich stört viel mehr, dass mit der AfD eine Partei immer mehr Aufmerksamkeit bekommt die in mehrfacher Hinsicht für Menschenverachtung steht – oder wie kann man die Kombination aus auf 11 hochgedrehten Wirtschaftsliberalismus mit Deutschtümelei und Präsentation von Sündenböcken nennen?
Selbstverständlich gibt es auch etwas positives aus dem vergangenen Wahlabend mitzunehmen: Bodo Rammelow hat trotz einiger Fehler während seiner Amtszeit gezeigt, dass ein linker Ministerpräsident erfolgreich Politik machen kann. Darum ist das Wahlergebnis von 31% eine gute Nachricht.
Was die Sozen angeht: Ich hoffe das die Basis endlich ihren Fehler erkennt und die Agenda-Klicke endlich aufs Altenteil schickt – Team Borjans als Parteivorsitz wäre schonmal ein Anfang – auf den aber noch viele Schritte folgen müssen…

Juergen
Juergen
Reply to  Loco
4 Jahre zuvor

@Loco

Was die Sozen angeht: Ich hoffe das die Basis endlich ihren Fehler erkennt und die Agenda-Klicke endlich aufs Altenteil schickt – Team Borjans als Parteivorsitz wäre schonmal ein Anfang – auf den aber noch viele Schritte folgen müssen…

Basis klingt immer irgendwie ziemlich toll. Aber was tun wenn die Basis genauso bekloppt ist wie die Unbasis – oder teilweise sogar noch bekloppter. Fast die Hälfte der SPD-Mitglieder (also: der Basis) sind inzwischen Beamte und Angestellte im Öffentlichen Dienst. Jetzt kannst Du ja mal schätzen, wie viele von denen überhaupt nur wegen der eigenen Karriere oder Jobs Mitglied bei der SPD geworden sind und Du kannst Dir vorstellen wie radikal reformerisch die ticken. Nämlich überhaupt nicht.

Und dann kommen da noch die unteren und mittleren Funktionärsschichten drauf. Üblicherweise Leute die so bahnbrechende Disziplinen wie Politologie, Kulturwissenschaft oder Diversity-Management studiert haben. Die krallen sich an ihrem Job fest denn die Alternativen für die sind Taxifahrer, Hartz IV, Ehegattin und Hausfrau.

Loco
Loco
Reply to  Juergen
4 Jahre zuvor


Eventuell bin ich in dieser Hinsicht etwas blauäugig, aber ich sehe es ähnlich wie Roberto: Ohne eine SPD, die „sozial“ wieder groß schreibt werden wir einen Politikwechsel in Richtung gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums nicht hinbekommen. Darüber hinaus stimmen mich Gespräche mit Sozen innerhalb meines Freundeskreises durchaus positiv – es gibt noch Genossen mit sowas wie klassisch sozialdemokratischen Werten, die müssen nur endlich den Arsch hoch bekommen und die ganzen Seeheimer und Netzwerker zum Teufel jagen.

Juergen
Juergen
Reply to  Loco
4 Jahre zuvor

Ich hab da auch keinen vollen Überblick sondern nur anekdotische Evidenz aus einem Ortsverein den ich via Bekannte etwas kenne. Hoffen wir also dass Du recht hast.

Rudi
Rudi
4 Jahre zuvor

Um das rundherum tolle Wochenende für die SPD noch ein wenig toller zu machen, wurde in der Hannover OB-Wahl der SPD-Bewerber im 1. Wahlgang aus dem Rennen geworfen, obwohl diese Partei seit 1946 ununterbrochen den Oberbürgermeister stellte. Jetzt gehen die Bewerber der CDU und der Grünen in die Stichwahl.

Kömisch
Kömisch
4 Jahre zuvor

Das mit der SPD und den anderen Parteien verkommt zur Sportveranstaltung mit obligatorischer Kritik an Mannschaft und Trainern.

Tatsächlich aber ist die Demokratie im
Arsch und der Parlamentarksmus erledigt !
Korruption, Misswirtschaft, Betrug, Selbstbedienung zu Lasten der Bürger.
Man soĺlte ihnen “ Agenda 2010″ und „Hartz 4“ auf
die Stirn brennen, netterweise in Spiegelschrift, und sie dann aus den
Parlamenten prügeln. Eigentlich gibt
es da nicht mehr viel zu reden.

Defi Brillator
Defi Brillator
4 Jahre zuvor

Das meint Dieter Hildebrandt dazu: „Die SPD hat noch in jede Hose geschissen, die man ihr hingehalten hat.“

Fest steht, dass die Zeiten August Bebels endgültig vorbei sind.

Auf links hat selbst die SPD keine Böcke mehr, nur der Wähler sagt sich dann auch: Warum dann die?

Huch, sogar das Jungvolk wählt gerne rechts. Wer hätte das. in Deutschland bloß vermutet?

Die Leute wollen shoppen, hauen, stechen und Minderheiten drangsalieren und alles, was irgendwie nicht am trendigen Lifestyle mitwirkt, ab- oder ins Ghetto schieben.

Das wird nie wieder anders werden. Solidarische Gemeinschaft war gestern! Das passt nicht zur Selbstinszenierung und auch nicht zur Selbstverwirklichung. Noch nie war in modernen Zeiten Gewalt als beste aller Lösungsmöglichkeiten so en vogue.

Drunter & Drüber
Drunter & Drüber
Reply to  Defi Brillator
4 Jahre zuvor

Noch nie war in modernen Zeiten Gewalt als beste aller Lösungsmöglichkeiten so en vogue.

Dochdoch
Das ist jetzt alles nichts Neues. Besser macht es das allerdings auch nicht.

Defi Brillator
Defi Brillator
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Da war bei Ad Sinistram schon anderes zu lesen. Gerade auch in Bezug auf Arbeit, etc.. Es ehrt Deinen Bekanntenkreis, nur spiegelt der offenbar nicht wirklich die Gesellschaft.

Heldentasse
4 Jahre zuvor

Leichenschändung ist bekanntlich verboten, natürlich auch pietätlose Witze zum Nachteil der Verstorbenen. Also last die gute alte Tante spd in aller Ruhe verwesen, und schreibt auch nicht mehr darüber, sonst kommt diese noch als Untote wieder, und nachher will es mal wieder keiner gewesen sein.

Beste Grüße

Molle Kühl
Molle Kühl
4 Jahre zuvor

Das „tolle“ Wochenende hat einem auf dem Ticket der LINKEN, sich realpolitisch als Sozialdemokrat gebärenden Opportunisten eine vorläufige Verlängerung durch eine angedachte Koalition mit dem Klassenfeind (CDU) beschert.

Diese linke Ministerpräsident hat mit seiner Enthaltung im Bundsrat nach Versprechungen bzw. Zusagen durch den Bundesverkehrsminister seinerzeit die Maut ermöglicht. 2015 kaum im Amt, organisiert er eine Audienz beim Papst.
Zeitgleich mit seinem damaligen Amtsantritt hat er sich von seiner Partei,der er den Erfolg verdankt, distanziert. „Ich bin Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und nicht Außenstelle der Linken“,

Er ist wie sein Amtskollege Winfried Kretschmann in Ba-Wü in den Augen der Wähler ein Garant dafür, dass unter ihm der Sozialismus keinen Einzug halten wird.

Folkher Braun
Folkher Braun
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Ramelow hat für ein paar Kiloeuro für Thüringen die Privatisierung der Autobahnen ermöglicht. Kann man aktuell begutachten an der Eisenach-Umgehung auf der A4. Und den fehlenden Winterdienst dortselbst.
Die Linke in Thüringen ist ein Restbestand der Alt-sPD. Sie sollte mit der irgendwann die Löffel abgeben, damit die Herdenbesitzer mit der AfD ihre ureigenstes politisches Regiment einrichten.