Schwurbeln in Tel Aviv

Im Heiligen Land verdünnen sie Wein wie Gin mit Wasser: Was ist denen da wirklich heilig? Reisebericht aus einem Land vor unserer Zeit.

Ein Gastbeitrag von Mathilde van der Linden.

In einem Sammeltaxi in Tel Aviv versuchte ich ein Gespräch mit dem Fahrer anzufangen. Wir waren noch alleine im Taxi und da ich Stille gerne mit belanglosem Geplauder fülle, fing ich an über das Wetter zu reden. Der Fahrer schien kein Interesse an Meteorologie zu haben und machte hinter seinem Rücken ein Handzeichen, das ich nicht deuten konnte.

»Ich habe keine Ahnung, was Sie mit dem Handzeichen ausdrücken wollen«, sagte ich ihm. »Ich bin hier noch nicht so lange.« Darauf kam überhaupt keine Reaktion.

»Na ja«, dachte ich, »das passt irgendwie zu diesem Land, wo ich vieles nicht verstehe.«

Und Jesus machte Wasser in den Wein

Zwei Tage vorher war ich während des ersten Tages des Pessachs in Jerusalem angekommen. Alle Geschäfte hatten wegen des Feiertages geschlossen. Es gab fast keine Autos in den Straßen und es fuhren überhaupt keine öffentlichen Verkehrsmittel. Erst nach Sonnenuntergang, als der Feiertag vorbei war, ging ich in der Hoffnung aus meinem Hotel, dass ich in der Gegend was essen und trinken konnte. Das 90 Euro kostende Pessach-Büffet, das schon stundenlang auf den Tischen im Hotelrestaurant auf die Hotelgäste wartete, schien mir nicht nur wegen des Preises wenig verlockend. Ich durchquerte die Stadt zu Fuß, da die öffentlichen Verkehrsmittel noch einige Stunden brauchen würden, um wieder in Gang zu kommen. Es war fast nichts los in der Stadt. Die Geschäfte hatten noch immer zu und es gab nur wenige andere Fußgänger.

Ich wollte schon aufgeben und wieder zurück Richtung Hotel laufen, als ich in einer Seitenstraße ein Bistro entdeckte, das geöffnet hatte. »Halleluja«, dachte ich. Der liebe Herrgott war mir aber nicht gnädig: das Essen war vegetarisch und der Wein war mit Wasser verdünnt worden. Die Zeiten, als in Israel noch Wasser in Wein verwandelt wurde, waren definitiv vorbei.

Ich wollte mich nicht beschweren, vielleicht ist es ja eine der vielen Pessach-Regeln, Wein mit Wasser zu verdünnen, und ich ging nach dem Essen geschwind zurück ins Hotel, da es dort eine Bar gab und ich mich schon auf einen Gin Tonic freute.

Pessach-Regeln

In der Hotelbar wurde mir aber zu verstehen gegeben, dass es nur Wein, Tequila und Whiskey zu trinken gab. Der Ton der Kellnerin war so barsch, dass ich den Eindruck bekam, dass es eine Frechheit war, überhaupt einen Gin Tonic trinken zu wollen; und das nicht nur während des Pessachs, sondern an egal welchem Tag des Jahres. Ich bestellte einen Weißwein, der mir mit der Bemerkung serviert wurde, wieder in demselben barschen Ton, dass die Bar in einer halben Stunde schließen würde.

»Himmlischer Vater, warum hast Du mich verlassen?«, dachte ich. »Eine Hotelbar, die um halb Neun schließt? Wirklich?« Aber ich beschwerte mich nicht, der Wein war diesmal nicht verdünnt, und vielleicht ist es ja eine der vielen Pessach-Regeln, dass Hotelbars um halb Neun schließen sollen. Um Neun lag ich im Bett. Mein Plan, den stets öden Ostertagen in Frankfurt zu entkommen, schien mir im noch öderen Jerusalem gescheitert zu sein.

Am nächsten Tag machten die Geschäfte morgens wieder auf. Es war aber ein Freitag und das bedeutete, dass sie nur bis drei Uhr nachmittags oder so aufhatten, weil alle rechtzeitig zu Hause sein wollten für den Anfang des Sabbats. Ich hatte abends keine Lust, wieder zu Fuß die Stadt zu durchqueren, um ein Restaurant zu finden, das trotz des Sabbats geöffnet hatte und zudem unverdünnten Wein ausschenkte. Ich besuchte stattdessen das Hotelrestaurant, wo das Büffet schon auf die Hotelgäste und auf die Mitarbeiter wartete.

Ramadan vs. Pessach

»Es tut mir leid«, sagte der Restaurantmanager, »ich bin hier nur der Manager, ich weiß nicht wie das hier alles funktioniert.« So ist es oft mit Managern. »Die Kellner sind Muslime und wir haben jetzt Ramadan. Weil gerade die Sonne untergegangen ist, essen die jetzt alle. Ich hoffe, Sie können noch ein Moment warten.« Ich antwortete, dass ich keine Eile habe.

Während ich ein Buch las, kamen so fünfzehn Minuten später die jüdischen Hotelgäste und die muslimischen Mitarbeiter ins Restaurant. Einige Juden fingen laut an zu beten, eine fröhliche Szene, die zwei muslimische Kellner mit verschränkten Armen skeptisch betrachteten. Der Kellner an meinem Tisch war ein mürrischer Muslim. Als ich ein paar Worte Arabisch mit ihm sprach, hellte sein Gesicht aber auf und er war ganz entzückt. Ich bestellte ein Glas Wein bei ihm, er brachte eine ganze Flasche. »Der Abend ist noch lang. Trinken Sie in aller Ruhe. Nehmen Sie meinetwegen die Flasche mit aufs Zimmer, damit Sie was Schönes für die nächsten Tage haben. Wie Sie möchten.« Der Ramadan gefiel mir sofort besser als das Pessach.

Um der Sabbatruhe zu entkommen, verbrachte ich den Samstag im lebhaften Tel Aviv. Einen Tag vorher war in der Stadt ein arabischer Terrorist mit seinem Auto auf eine Gruppe von Italienern aufgefahren und hatte dabei einen Menschen umgebracht. Ich hatte Glück und sah in Tel Aviv nichts Gefährlicheres als einen arabischen Wichser, der in aller Öffentlichkeit onanierte.

Bist du geimpft?

Ich besuchte das Tel Aviver Kunstmuseum, wo weniger Yarmulkes als FFP2-Masken zu sehen waren – von den letzten aber auch nicht ganz viele. Im Museum gab es ein expressionistisches Waldbild, wobei mir sofort der Gedanke »die deutsche Seele lebt im Wald« durch den Kopf schoss. Ein Blick auf das Schild neben dem Bild bestätigte meinen Eindruck, dass es von einem Deutschen gemalt worden war. Leider habe ich Bild und Schild so schlecht fotografiert, dass ich den Namen des Malers nicht mehr lesen kann. Jedenfalls war ich ganz froh, ein Stückchen meiner Wahlheimat in Israel anzutreffen. »Wenn die Deutschen die Schönheit ihres Landes wirklich wertschätzen würden«, dachte ich, »würden sie nicht erlauben, dass es gerade kaputtgemacht wird.«

Da ich am Ende des Tages wieder zurück nach Jerusalem wollte, stieg ich in ein Sammeltaxi zum Busbahnhof ein, in dem der besagte Taxifahrer mit mir nicht über das Wetter reden wollte. Vielleicht war er derselben Meinung wie Oscar Wilde, der mal sagte: »Wenn die Leute mit mir über das Wetter reden, bin ich mir stets sicher, dass sie etwas ganz anderes meinen«. Ich hatte die Hoffnung auf eine Plauderei schon aufgegeben, als er mir erzählte, dass er wirklich kein unhöflicher Mensch war und dass er nicht hatte reden wollen, während er seinen Blutdruck gemessen hatte.

»Bist du hier im Urlaub oder bist du eingewandert, weil du sagtest, dass du hier nicht so lange bist.«

»Im Urlaub«, antwortete ich.

»Gottseidank«, sagte er erleichtert, »das hier ist so ein Scheißland. Hier willst du nicht leben.« Er beschimpfte danach Netanyahu und Pfizer auf einer Art und Weise, die ich hier nicht wiederholen kann, weil sie als Verharmlosung des Holocausts eingestuft werden könnte.

»Bist du geimpft?«, fragte er mich.

»Natürlich nicht.«

»Du bist eine intelligente Frau!«. Ich konnte ihm nur zustimmen.

Dann fing er an die weiteren Fahrgäste, die inzwischen zugestiegen waren, auf Hebräisch nach ihrem Impfstatus zu befragen.

Aufhören auf Arschlöcher zu hören

»Die zwei hinten«, er wies mit dem Finger Richtung zwei jungen äthiopischen Juden, »sind in der Armee und hatten keine Wahl. Der hier,« und er wies auf einen betrunken etwa 40-jährigen Mann mit Glatze, »ist ein Rassist. Der mag keine Schwarzen. Ich bin ein jemenitischer Jude, meine Frau eine Jüdin aus Äthiopien und ich sage dir, ich liebe alle Menschen. Die Politiker, die an dieser Seite der Grenze den Soldaten erzählen, dass es eine Ehre ist für das Vaterland zu sterben, sind genau solche Arschlöcher wie die Politiker auf der anderen Seite der Grenze, die den Soldaten dort erzählen, dass es eine Ehre ist für das Vaterland zu sterben. Wir sollten aufhören auf Arschlöcher zu hören.« Ich pflichtete ihm bei, während der Mann mit Glatze verächtlich lachte und die zwei Äthiopier so taten, als wären sie gar nicht da.

Der Fahrer und ich redeten weiter über die böse Zeit des Impfzwangs in Israel und Deutschland und die noch bösere Zeit, die uns bevorstehen könnte, wenn die Mehrheit nicht aufwacht. Als ich ausstieg, erzählte der Fahrer mir, dass er froh war, mich kennengelernt zu haben, weil ihn in Israel keiner verstand.

Zurück in Jerusalem ging ich auf die Suche nach einem Gin Tonic. Ich fand eine Bar, in der es drei verschiedenen Sorten israelischen Gin gab, aber kein Tonic Water, »weil wir hier nur israelische Produkte servieren.« Der Kellner bot mir statt Tonic Water echtes israelisches Wasser zu meinem Gin an. »Himmlischer Vater, warum hast Du mich verlassen?«, dachte ich wieder. Ich beschwerte mich nicht, vielleicht ist Tonic Water ja nicht kosher – und ich sagte dem Kellner, dass ich in dem Fall lieber einen Wein statt Gin trinken würde, setzte mich in eine ruhige Ecke, war froh, dass der Wein nicht verdünnt war, und sehnte mich nach meiner schönen Wahlheimat.

 

Mathilde van der Linden ist Buchhalterin aus den Niederlanden. Sie arbeitet und wohnt in Frankfurt am Main.

Diesen Beitrag ausdrucken

Gastautor

Der Inhalt dieser Veröffentlichung spiegelt nicht unbedingt die Meinung der neulandrebellen wider. Die Redaktion bedankt sich beim Gastautor für das Überlassen des Textes.

Avatar-Foto
Unterstütze uns und hilf dabei, die neulandrebellen besser und wirkungsmächtiger zu machen
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

13 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
A. Varese
A. Varese
9 Monate zuvor

Wehe, wenn das Felix Klein liest, kommen Sie auf die Liste der Antisemiten. Auch leicht verhaltene Kritik an Israel ist verboten!!

Pentimento
Pentimento
9 Monate zuvor

„Als ich ausstieg, erzählte der Fahrer mir, dass er froh war, mich kennengelernt zu haben, weil ihn in Israel keiner verstand.“

!LOL!

Wieder ein Beitrag von Mathilde van der Linden, der mich zum Schmunzeln bringt, und mich in eine heitere Stimmung versetzt, die – wie ich aus Erfahrung weiß – den ganzen Tag anhalten wird. Danke dafür.

Ganz oben mein Lieblingssatz aus dem ebenso informativen wie unterhaltsamen Beitrag.

Last edited 9 Monate zuvor by Pentimento
Träumer
Träumer
9 Monate zuvor

Sehr erfrischend, bei all dieser ständigen künstlichen Lobhudelei,
einmal einen tatsächlichen Eindruck von diesem Land zu bekommen.
Danke

Jau
Jau
9 Monate zuvor

Das tat gut.
Danke.

29-06-23b.jpg
Pentimento
Pentimento
Reply to  Jau
9 Monate zuvor

Schönes Foto! 🙂

Robbespiere
Robbespiere
9 Monate zuvor

Taxifahrer und Niederländer sind viel intelligenter, als gemeinhin angenommen. 😉

Berthold Kogge
Berthold Kogge
Reply to  Robbespiere
9 Monate zuvor

Nur RussInnen können doch wirklich denken

Pentimento
Pentimento
Reply to  Robbespiere
9 Monate zuvor

Und meist haben sie Humor.

Last edited 9 Monate zuvor by Pentimento
Lord Helmchen
Lord Helmchen
9 Monate zuvor

Leider ist dieser Text in diesem unsäglichen Stil verfasst, den man in den letzten Jahren leider so oft lesen muss: „Ich schreib jetzt mal auf, was für ein Skandal es ist, dass andere Menschen sich so verhalten, dass ICH ALS FRAU mich unwohl gefühlt habe.“ Der Text wirkt sehr selbstbezogen und als ob die Autorin zusätzlich auch noch versucht, Autoren wie Charles Bukowski zu imitieren und auf der Suche nach einem anständigen Drink besonders cool und lässig zu wirken.

Abgesehen von dem egozentrischen Schreibstil kann ich den inhaltlichen Aussagen und Eindrücken über das Land aber zustimmen.

Roberto J. De Lapuente
Reply to  Lord Helmchen
9 Monate zuvor

Leider ist dieser Kommentar in jenem unsäglichen Stil verfasst, den man in den letzten Jahren leider so oft lesen muss: „Ich kommentiere jetzt mal, was ich viel besser kann als der Autor und warum er es nicht kann, sage aber nicht dazu, warum er es nicht kann.“ Der Kommentar wirkt sehr selbstbezogen und so, als ob der Kommentator zusätzlich auch noch versucht, einen eloquenten Kritiker zu imitieren.

Pentimento
Pentimento
Reply to  Roberto J. De Lapuente
9 Monate zuvor

Wichtigtuer?

Pentimento
Pentimento
Reply to  Pentimento
9 Monate zuvor

Oder Lord?

Jau
Jau
Reply to  Pentimento
9 Monate zuvor

😀