Warum Sahra Wagenknecht schlafende Hunde weckt

Trotz Sozialabbau, Privatisierung und Entstandardisierung: Linke Vorschläge sind weiterhin nicht unbedingt Mainstream. Woran das unter anderem liegt ist an der falschen Framing-Politik der Linken zu beobachten. Denn vorherrschende Frames zu negieren, bedeutet zugleich, sie neuronal zu stabilisieren.

Es war Sahra Wagenknecht, die vor Zeiten zu Protokoll gab, dass die größte Gruppe von Wirtschaftsflüchtlingen jene ist, die ihr Geld ins Ausland schafft, um hier keine Steuern bezahlen zu müssen. Die Frau lag damit ja richtig. Vom Standpunkt der modernen Neuro- und Kognitionsforschung aus allerdings lag sie völlig falsch. Sie bediente Frames, die in den Köpfen der Leute andere Assoziationen und Bilder wachrief als die, die sie eigentlich an erster Stelle haben wollte. Mit dem Flüchtling verbinden die meisten Menschen ganz klassische Gedanken: Er ist derjenige, der bei einer Jagd vorneweg läuft. Gehetzt. Sobald er in die Hände seiner Häscher gelangt ergeht es ihm schlecht. Er wird deren Opfer. Die Politikerin der Linkspartei aber wollte genau dieses Bild nicht aktivieren. Sie sprach ja von Tätern; von Steuerbetrügern, die plötzlich bildlich in den Kontext einer Hetzjagd gestellt wurden.

Frames also. Schon Ferdinand de Saussure, der Begründer des linguistischen Strukturalismus, mutmaßte im 19. Jahrhundert, dass es in menschlichen Gehirn eine unbewusste Struktur geben müsse. Etwas was Begriffe und Vorstellungen systematisiert; eine Ordnung in das begriffliche Chaos bringt und das Signifikat (den Gegenstand) mit dem Signifikant (dem Wort für den Gegenstand) in einen Rahmen setzt. Die Neurowissenschaft hat diesen Rahmen (engl. Frame) fassbar gemacht und vereinfacht gesagt dargelegt, dass der Mensch Sprache nicht bewusst benutzt und aufschnappt. Schon Claude Lévi-Strauss urteilte in den Fünfzigern, dass Sprache ein unbewusster Mechanismus sei – damit legte er sich mit den Existenzialisten an, die den modernen Menschen als reflektierten Handelnden und allzeitigen Herr seiner Sinne skandierten.

Ein Frame ist also ein Gestell im Gehirn, das Verknüpfungen aufruft. Das können Worte, Bilder, Metaphern oder Erfahrungsmitschnitte sein. Das Wort »Nacht« ruft etwaige andere Worte und damit Gefühle wach. Man hat die Dunkelheit im Hinterkopf. Das Bett oder den Nachtdienst. Straßenbeleuchtung vielleicht. Auch individuelle Erfahrungen mischen sich hinein: Schlaflosigkeit, Sex vorm Einschlafen, häusliche Gewalterfahrung. Das Signifikat an sich ist ja etwas Totes. Erst das Framing belebt die Begrifflichkeiten und setzt sie für den Menschen in eine Relation seiner wahrnehmbaren Welt. De Saussure behauptete einst, dass ein Begriff jederzeit austauschbar sei. Er meinte, einen Tisch störe es ja nicht, wenn man ihn als Stuhl bezeichne. Das ist aber falsch. Der Begriff ist ein Aktivierungswort, der alles andere zerebral ins Rollen bringt. Die Austauschbarkeit ist hiermit ein schwerwiegender Eingriff in die Programmierung.

Elisabeth Wehling informiert in ihrem gleichnamigen Buch über »politisches Framing« und ruft dazu auf, die Naivität im Bezug auf politische Sprache abzulegen. Unsere Demokratie, sagt sie, baut eben nicht auf die Prämisse, dass derjenige mit dem besten Argument punktet. Es gehe eher darum die Querverbindungen im Gehirn abzurufen, die zur Erlangung politischer Ziele benötigt würden. Wie im oben genannten Beispiel des Steuerflüchtlings, der besonders gerne von eher konservativen Politikern des Staatsrückbaus benutzt und der dann in den Kanon der Begriffe aufgenommen wird, wo er dann auch für linke Politiker zur Abholung bereitliegt.

Man kann Wehlings Büchlein durchaus auch als Ratgeber oder als Crashkurs lesen. Sie empfiehlt sich nicht als Linguistin, die die Linkspartei berät. Doch indem sie die Strukturen leicht verständlich erklärt und im zweiten Teil einige ausgewählte Frames unserer politischen Debatte auflistet und analysiert, stellt sie sich dennoch gegen den Mainstream und die herrschenden Zustände. Dass zum Beispiel das Wort »Steuerzahlung« ein weit verbreiteter Begriff ist, während der »Steuerbeitrag« so gut wie nie vorkommt, zeigt für sie nur, wie man hier Steuern schon sprachlich als ein Übel erfasst, nicht als einen Beitrag zur Sicherstellung der gesellschaftlichen Freiheit. Denn mit der Zahlung verbinden alle Bürger ein eher bedrückendes Gefühl, eine Ausgabe, die man sich nicht leisten kann zum Beispiel. Wenn es mal wieder um die Steuerlast geht (auch so ein Begriff!), dann listen Befürworter der Steuerzurückhaltung gerne mal auf, was so an Steuerzahlungen eingegangen sind beim Fiskus. So nährt man das dumpfe Gefühl, dass man die armen Reichen nicht weiter belästigen dürfe.

Es gäbe kein Asylrecht für das große Geld, sagte vor einigen Jahren Bernd Riexinger von den Linken. Wir wissen alle, wie er es meinte. Dennoch ist dieser Satz vom kognitiven Standpunkt aus fatal. Denn mit dem Asylrecht bringen wir eigentlich Elendsgestalten in Verbindung. Das aktiviert unter Umständen Mitleid und Hilfsbereitschaft, in jedem Fall aber ein Gefühl dafür, dass da jemand fliehen musste, weil ein Zugriff auf seine Person schreckliche Folgen haben könnte. Das große Geld jedoch, es ist keine Elendsgestalt, landet nicht im Folterkeller oder wird ermordet. Es wird bestenfalls ein bisschen gestutzt. Das Geld wohlgemerkt: Der Besitzer des großen Geldes bleibt hingegen im Regelfall körperlich unversehrt.

Wehling leitet ihr Buch mit der Überschrift »Unsere Demokratie hinkt der kognitiv-neuronalen Aufklärung hinterher« ein. Man könnte hinzufügen, dass es nicht unbedingt unsere Demokratie ist, die das Nachsehen hat. Die wirkmächtigen Parteien in Regierungsverantwortung, die den ökonomischen Kurs der letzten beiden Jahrzehnte durchziehen und ihr Framing relativ gut umsetzen, sind ja auch Bestandteil dieser Demokratie. So könnte man verbessern und sagen, dass die regulativen Kräfte dieser Demokratie, die andere Seite des Gleichgewichts, ja die Linke eben, der kognitiv-neuronalen Aufklärung hinterherläuft. Und das tut sie tatsächlich immer dann, wenn sie Frames aktiviert, die nicht die Vorstellungen aufrütteln, die sie eigentlich aufrütteln sollten.

Mit Sprache erwirkt man Deutungshoheit. Zu wissen wie Sprache funktioniert, wie man sensibilisiert und bestimmte Schaltkreise aktiviert: Das ist eigentlich das Gebot der neuronalen Stunde. Das heißt nicht, dass man keine Argumente und Fakten mehr in das demokratische Treiben integrieren muss, weil der Abruf bestimmter Worte etwa schon ausreichte. Der Mensch ist ja keine reine Framekreatur, er hat auch bewusste Erinnerungen und merkt sich, von wem er veräppelt wurde oder wo jemand etwas seelenlos betrieben hat. Aber ohne den Einstieg über ein gutes Framing steht man verloren da. Wenn also nun ein linker Politiker die Sprache der derzeit Mächtigen verwertet, sei es auch nur, um sie zu enttarnen oder eloquent zu verdrehen, dann ist das kontraproduktiv. Denn wer vorherrschende Frames negiert, der stabilisiert sie trotzdem. Die Gedanken sind ja da. Es gibt keine Nicht-Gedanken.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Mordred
Mordred
6 Jahre zuvor

Meines Erachtens liegst Du bzgl. Deiner Beispiele von Wagenknecht und Riexinger falsch, wobei die Thematik ansich schon interessant erscheint.
Denn Du vergisst den Kontext. „Wirtschaftsflüchtlinge“ werden ja gerade von den MSM nicht als „Opfer“ aufgebaut, sondern vielmehr als eine negative Erscheinung bzw. Täter. Nämlich als eine Gruppe, die ja garnicht wirklich flüchten müsste, weil denen geht es ja „nur“ um einen höheren Lebensstandard, unsere Sozialsysteme auszunutzen etc.
Und dieses Bild nimmt Wagenknecht dann für die STeuerflüchtlinge auf, weil diese ja die Volkswirtschaft tatsächlich wesentlich krasser belasten.
Diese Taktik ist aber dennoch problematisch. Denn sie impliziert, dass auch kleine Wirtschaftsflüchtlinge immer noch etwas negatives an sich haben.
Eigentlich müsste man imho auch hier wieder den Fokus auf die Ursachen lenken. Warum wurden die Menschen denn zu WFs? Und was bedeutet es eigentlich, WF zu sein? So mit nix außer Bekleidung und vielleicht nen Smartphone und ohne Sprachkenntnisse in ein fremdes Land zu reisen machen wohl die wenigsten aus Jux und Dollerei.

Drey
Drey
Reply to  Mordred
6 Jahre zuvor

Wir wollen langsam hören wo wir alle richtig liegen. Durch dieses endlose sich in der Durchsetzung unserer winzigen Meinungen verhelfen wie nicht dem Kollektiv zu einer Kohäsion. Ich begrüße die Thematik Framing, die Elizabeth Wehling als Professor Assistentin bei George Lakoff in UC Berkeley gelernt hat.

Mordred
Mordred
Reply to  Drey
6 Jahre zuvor

Wir wollen langsam hören wo wir alle richtig liegen. Durch dieses endlose sich in der Durchsetzung unserer winzigen Meinungen verhelfen wie nicht dem Kollektiv zu einer Kohäsion.

Tja^^
Dann müsst Ihr Euch wohl eine Religion, Ideologie oder autokratisches Regime suchen.

wschira
wschira
Reply to  Drey
6 Jahre zuvor

Tja, was soll uns Ihr Beitrag in diesem Zusammenhang sagen?

Habnix
Habnix
Reply to  Mordred
6 Jahre zuvor

Wollen wir alle ?

lex
lex
Reply to  Mordred
6 Jahre zuvor

Mann hätte aber auch von Steuerbetrügern, die von der Regierung verharmlosend Flüchtlinge genannt werden, sprechen können.
Die erzeugten Bilder sind extrem wichtig. Einfach den Vortrag von Wehlinger und oder die zwei von Mausfeld goigken und gucken.

trackback
Warum Sahra Wagenknecht schlafende Hunde weckt – Tagesticker.net
6 Jahre zuvor

[…] Denn vorherrschende Frames zu negieren, bedeutet zugleich, sie neuronal zu stabilisieren. Weiterlesen bei den neulandrebellen Lesen Sie auch: Ooommm… Politik! Nach der Entscheidung der Linkspartei in Bundesrat in Sachen […]

ChrissieR
ChrissieR
6 Jahre zuvor

Moin,
Ich kenne ja auch bissl den Ferdinand de Saussure, hab ja lang genug Romanistik studiert von wegen signifiant und signifié bevor ich ne bleede Busfahrerin geworden bin. Da war doch noch was mit Konnotation und Assoziation…ist auch so ein Ding…fragt mich besser nicht nach meinen Konnotationen bei z.B. Politiker, Banker etc.

Einer unserer Profs sagte damals, da kapierte ich als junge Studentin noch nicht so richtig: “ Das ganze Leben ist Rhetorik“!

Mittlerweile bin ich schlauer…

Alloah

Christine

Selters
Selters
6 Jahre zuvor

Das Buch von Elisabeth Wehling gibt es für 4,50 Euro auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/politische-grundfragen/252061/politisches-framing

Lutz Lippke
Lutz Lippke
6 Jahre zuvor

Das scheint mir sehr einfach bzw. sogar falsch gestrickt. Die überraschende Umkehrung der Sprach- und Denkgewohnheit verfolgt ja gerade den Zweck, diese Gewohnheiten aufzurufen und durch ein möglichst intelligentes Argument zu hinterfragen oder sogar zu widerlegen. Genauso kann eine schwer erscheinende Truhe beim Anheben überraschen, die aus geschickt bemalter Pappe besteht. Das prägt mehr, als die Erfüllung des Gewohnten. Gerade der offensichtliche Bruch mit dem verinnerlichten Frame prägt sich nämlich ein. Problematisch ist höchstens die Gefahr der manipulativen Umdeutung durch wiederkäuende Medien. Zumindest Fr. Wagenknecht ist aber oft genug in den Medien, um das professionell zu umzugehen.
Viel Frame-verstärkender ist das Bedienen der gewohnten Muster, die sich unabhängig von Tatsachen und aktueller Situation stabilisieren und einbrennen. Ein hervorragendes Beispiel für untaugliche Framing-Versuche ist doch der Wahlkampf von Martin Schulz. „Und ich sage es noch einmal, …“ macht den Frame nicht haltbarer, sondern wirkt entgegengesetzt, wenn der Wiederholung nichts Wahrhaftiges, Wichtiges und Überzeugendes folgt.
Framing erfolgt vor allem zur Manipulaton und aus Angst vor Transparenz. Die Aufklärung über die Wirkung von Framing und eine bewusste Gegenaufklärung sind das Gebot der Stunde und nicht ein intellektuell-hinterfotziger Wettlauf mit der Intriganzia.

Die wandelnden Toten
Die wandelnden Toten
6 Jahre zuvor

Das heißt nicht, dass man keine Argumente und Fakten mehr in das demokratische Treiben integrieren muss, weil der Abruf bestimmter Worte etwa schon ausreichte.

Das mag jetzt vielleicht sehr pessimistisch klingen, doch diesem Absatz muss ich widersprechen. Mir erscheint es so, dass ein Großteil der Bevölkerung wieder zunehmend durch eine Vielzahl von psycho- und soziologischen Effekten derart durchstrukturiert ist (siehe z.B. Mausfeld oder Chomsky), dass es egal erscheint ob, was oder wie und mit welchen Fakten die aufgeklärte(re) Alternative etwas sagt.

Selbst unter Leid und Angst vermag es trotz der Verfügbarkeit alternativer Bildungsangebote diese überwältigende Mehrheit anscheinend nicht, kritisch reflexiv die herrschenden Zustände zu hinterfragen, sondern verfällt umgehend den einfachen Ressentiments, die ihnen vom Meinungsmonopol gerade angeboten werden – ob es nun der Sozialschmarotzer, der Ausländer, der Islamist, der Jude, der faule Südeuropäer, der Kommunist oder was auch immer ist.

Einzig das Erleben von unmenschlichen Monstrositäten wie Krieg, Hunger, Seuchen, massenhaftes Sterben direkt vor der eigenen Haustür scheint es zu vermögen, die Gesellschaft als ganzes zum Umdenken zu bewegen. Doch aus der Weltkriegsgeneration lebt kaum noch jemand und die restliche Bevölkerung ist bis auf eine Minderheit derart weit entrückt vom ganzen Leid, das unsere Weltordnung anrichtet, dass sie es nicht einmal mehr als Randnotiz wahrnimmt – höchstens vielleicht, um darüber zu schimpfen, dass diese ganzen Länder am Ende ja sowieso selbst Schuld an ihrer Misere sind.

Und so scheint es – analog zu den Entwicklungen der letzten ~150 Jahre – weiter zu gehen. Und weiter. Bis man es dann doch zu weit getrieben hat und es richtig knallt. Auch in den eigenen Städten.

Nur ob dann noch großartig jemand übrig ist, wenn es nochmal richtig knallt…

Lutz Lippke
Lutz Lippke
Reply to  Die wandelnden Toten
6 Jahre zuvor

Als Frustrationserfahrung ist solche Denke nachvollziehbar und sicher Jedem bekannt. Als Einstellung ist das jedoch fatal und auch eher eine besondere Spielart der Schuldigensuche und Selbstüberhöhung. So tickt sicher auch mancher Despot, wenn seine Segnungen vom Volk nicht gewürdigt werden. Was als negative Durchstrukturierung der Menge (die Doofmichels) behauptet wird, stellt sich mir eher als fatalistische Destrukturierung der Erkenntnisfähigkeit dar, an der linke Parteien und Strukturen nicht unschuldig sind. Eine Kanzlerin Merkel behauptet heute mit ihrer sparsamen und flexiblen Vorgehensweise in allen Bereichen von A wie Asylfreundlichkeit bis Z wie Zivilgesellschaft die Deutungshoheit. Wie es dazu kommen konnte, muss man analysieren. Zu den wesentlichen Analyseergebnissen wird Themenklau und Framing, aber auch Versagen in der Linken gehören. Von einer affektiven Folgerung, man müsse es also nur genauso wie der Gegner und etwas ausgefeilter machen, halte ich gar nichts. Eher sehe ich die Stärkung der allgemeinen Fähigkeiten zur transparenten und sachlichen Auseinandersetzung bei sich und anderen als das nachhaltigste Gegenmittel.

Lutz Lippke
Lutz Lippke
6 Jahre zuvor

Als Anregung zum Thema möchte ich auf Fr.Dr.Schiffer hinweisen, die sich streitbar mit Framing insbesondere in deutschen Medien auseinandersetzt. Vielleicht auch eine Möglichkeit für ein interessantes Interview. Ihre Themen sind z.B. Framing zu Islamophobie und Antisemitismus oder zu Querfront und alternativen Medien. Kontakt über IMV

KommandoKommentar
KommandoKommentar
6 Jahre zuvor

Die Neurowissenschaft hat diesen Rahmen (engl. Frame) fassbar gemacht und vereinfacht gesagt dargelegt, dass der Mensch Sprache nicht bewusst benutzt und aufschnappt. Schon Claude Lévi-Strauss urteilte in den Fünfzigern, dass Sprache ein unbewusster Mechanismus sei – damit legte er sich mit den Existenzialisten an, die den modernen Menschen als reflektierten Handelnden und allzeitigen Herr seiner Sinne skandierten.

Beide haben Recht. Sie haben nur beide den Fehler gemacht, ihren perspektivischen Ausschnitt zur Ganzen Sache zu erklären.

So in etwa wenn ein Verbrechens-Zeuge sagt er habe ALLES gesehen und wüßte ALLES ganz genau. Wie die Justiz weiß, weiß der Zeuge immer nur das, was er zwar gesehen aber sein Gehirn interpretiert hat. Seine Sinne nehmen zwar Wirklichkeit wahr, aber das Abbild der Wirklichkeit in unseren Köpfen ist nie gleichartig. Wir sind Individualisten wie wir die Welt sehen und wahrnehmen.
Der Zeuge kann immer nur das sehen, was seine Position ihm zeigt. Das kann ein Puzzlestück sein, das den Täter – oder im Vergleich einen Sachverhalt in der Geisteswissenschaft – überführen hilft, oder es kann sein das er durch seine Interpretation etwas gesehen hat, das gar nicht den Tatsachen entsprach.

Wir haben alle viele Brillen auf wenn wir die Welt beobachten. Ohne könnten wir die Welt nicht verstehen und mit diesen Brillen versuchen wir oft die Welt aus unserem Blickwinkel zu verstehen und verfälschen sie so.