Goldene Zeiten der Finsternis

Die Pandemie war eine Bewährungsprobe. Für Freundschaften, zwischen Kollegen – aber auch für Beziehungen. Manche ging in die Brüche. Unser Gastautor Jochen Hummel über dunkle Zeiten, die ihm heller schienen als sie waren.

Da haben wir die schlimmste Zeit überstanden: Corona und die Maßnahmen, die uns verordnete Enge der Bude, das Verdammtsein zur Untätigkeit, die Ausgrenzung als Menschen ohne Stich. Wir haben die Finsternis überdauert, der Hysterie widerstanden. Zusammen waren wir stark. Erinnerst Du Dich noch, wie wir uns zu uns gratuliert haben? Was hatten andere für ein Pech, alleine allein zu sein. Wir waren zu zweit alleine. Zu zweit waren wir Tausende.

Wir weinten in dieser Zeit zusammen, trösteten uns und wir lachten – nämlich jene aus, die drei Masken trugen und einen Mindestabstand von 15 Meter einhielten, sich achtmal am Tag und viermal bei Nacht testeten. Wir hatten Gäste, auch als es nicht erlaubt war. Umschifften die Fallstricke, die eine hemmungslose Regierung uns auferlegte. Paare gingen in diesen Zeiten auseinander – wir aber wuchsen an den Fährnissen. Wir hatten uns, schmiegten uns aneinander. Die Welt um uns ging unter, nur das kleine Fleckchen Boden, auf dem wir standen und auf dem wir uns aneinanderschmiegten, brach nicht ein.

Wir dachten, wir seien immun

Es schien uns, als habe man uns eine Reifeprüfung auferlegt: Einen Umstand, an dem wir reifen konnten. Als zwei Menschen, die zusammengehörten. Was sollte jetzt noch passieren? Corona war unser Führerschein, wir attestierten uns die Beziehungsfähigkeit unter besonders erschwerten Bedingungen. Und das mitten in dieser Bundeshauptstadt kleiner Wohnungen, wo Schuhkartone als großräumig deklariert werden.

Was sollte uns also entzweien? Die Corona-Krise neigte sich dem letzten Ende zu, der finalen Aufhebung von Regeln, die andernorts schon längst gefallen waren: Und auch wir fielen. Auseinander. Das Siegerteam von einst, es brach. Wir kehrten uns die Rücken zu, zu eng wurde es dir. Es war, als ob die Maßnahmen ein spätes Resultat zeitigten: Mitten in meinem Herzen.

Auf der Ziellinie hat es uns ereilt. Wie viele vor uns. Wir dachten, wir seien immun. Unantastbar. Wir standen in Stahlgewittern, ein bisschen Nieselregen würde uns nichts mehr anhaben können. Als es nur noch nieselte, stürmte es bei uns. Es riss uns auseinander. Alleinsein: Das war jetzt dein Thema.

Vielleicht ist es unfair, die äußeren Umstände haftbar machen zu wollen. Paare trennten sich zu allen Zeiten, es gab immer Gründe, weshalb sie das taten. Aber ich spüre es doch an mir: Ich bin müde, es war so schrecklich anstrengend. Vermutlich hat man uns mürbe gemacht, weichgeklopft und zerschlissen. Was war ich froh, dass du an meiner Seite warst. Zur Pandemie. Auch vorher. Ohne dich, wäre ich nicht, was ich heute bin. Ich wäre gerne noch mehr geworden durch Dich. Du fehlst.

Die Pandemie hat uns zerstört

Was jetzt? Das Virus hat mich nicht getötet, doch sterbe ich im virologischen Nachlass tausend Tode. So hatten wir nicht gerechnet! So hatte ich nicht gerechnet. Aber rechnen war noch nie meine Stärke. Sterben auch nicht. Dabei haben sie uns versprochen, dass wir zu Tode kommen werden, wenn wir nicht mitziehen.

Wie gerne säße ich jetzt wieder mit dir im Lockdown, mit dir zusammen auf dem Sofa. Einfach die Uhr zurückstellen. Es waren grausame Zeiten – aber auch so viel bessere Zeiten als jetzt, wo du mir verlorengegangen bist. Es waren goldene Zeiten der Finsternis. Da, wo jetzt die Leere gähnt, hast du gesessen. Du warst wie ich erzürnt und verzweifelt. Aber eben da, bei mir. Es war unser Zürnen, unser Verzweifeln. Nun soll ich alleine zürnen und zweifeln?

Die Pandemie, das was sie uns dafür verkauften, hat uns zerstört. Vielleicht würdest du was anderes behaupten, vielleicht würden andere darlegen, dass es nicht unbedingt so gewesen sein muss. Aber ich spüre es, das Erbe dieser bald drei Jahre, es hat uns ereilt. Uns verändert. Mich haben sie zu einem Schwarzseher gemacht. Mit so einem muss man es erstmal aushalten. Ich war stets bemüht, nicht zu schwarz zu sehen: Aber man kann sich mühen so viel man will – aus seiner Haut kann man nicht.

Mach es gut, Pandemie! Mach es gut, altes Leben! Es wird nie wieder Normalität geben, hatten die ersten Panikmacher schon recht früh geschrien. Jetzt weiß ich, was sie meinten. Ich habe meine Normalität verloren. Sie wollten unsere Leben retten, sagten sie. Meines haben sie fürs erste zerstört.

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Gastautor

Der Inhalt dieser Veröffentlichung spiegelt nicht unbedingt die Meinung der neulandrebellen wider. Die Redaktion bedankt sich beim Gastautor für das Überlassen des Textes.

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Einzelmeinung
Einzelmeinung
1 Jahr zuvor

Ach was, Kopf hoch, dieses Jahr wird Bombe.

Uwe Borchert
Uwe Borchert
1 Jahr zuvor
Reply to  Einzelmeinung

Ja, das hat uns Selensky versprochen?

uepsilonniks
1 Jahr zuvor

Liebeskummer kann einen umbringen, ich spreche aus Erfahrung. Halt die Ohren steif, mit der Zeit vernarbt die Wunde.

Horst Kevin
Horst Kevin
1 Jahr zuvor
Reply to  uepsilonniks
uepsilonniks
1 Jahr zuvor
Reply to  Horst Kevin

Der ist ja fieser als ich… 🙂

Horst Kevin
Horst Kevin
1 Jahr zuvor
Reply to  uepsilonniks

Nicht nur das. Er ist einer meiner Helden: https://youtu.be/I4cvVmJb9-c

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