Miteinander reden als Selbstgespräch

Laut und in jeder Lebenslage zu telefonieren: Das war gestern. Heute führen Smombies lange, laute Monologe. Sie halten das Mobiltelefon ganz nah an ihren Mund und reden darauf ein. Was irre wirkt ist Abbild unserer Zeit.

In meiner Jugend hatten wir eine Frau in unserem Stadtteil, die ständig im Gespräch war. Mit sich selbst. Mal redete sie laut auf sich ein, dann begegnete man ihr, während sie leise und verschwörerisch mit sich selbst konspirierte. Ich kann mich nicht erinnern, ob sich je unsere Wege kreuzten, während sie schwieg. Die Frau war ein ausgesprochenes Kommunikationstalent, sie wusste sich ständig zu unterhalten. Natürlich sprach man über sie. Wie man das halt so tut. Die kultivierteren Klatschtanten bedauerten sie, weil sie ganz offenbar geistig verwirrt war. Auch ohne psychologisches Gutachten konnte man das wohl so stehenlassen.

Die Zeiten haben sich gewandelt. Seit Monaten begegnen mir im Grunde täglich mehrere Personen, die sich in tiefste Selbstgespräche verstrickt haben. Sie reden laut vor sich hin, richten ihre Worte nicht an ein menschliches Gegenüber, sondern an ein elektronisches – an ihr Smartphone. Dass sie in diesen stylischen Kubus, in ihr Mobiltelefon hineinquatschen, ist im Grunde der einzige Unterschied zu jener Frau, die mir aus früheren Tagen meines Lebens in den Sinn kam.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Juergen
Juergen
4 Jahre zuvor

Und die Zombies haben manchmal sogar so komische Stöpsel in den Ohren. Dient wahrscheinlich dazu nur nicht zu hören was der Nachbar so sagt. Könnte ja ’ne Message aus einer anderen Blase sein.

Gaby
Gaby
4 Jahre zuvor

Jetzt hast du es geschafft, Roberto. Ich denke tatsächlich über Zusammenhänge nach was deine „Liebe“ zu „alten“ schwarz/weiß Fotografien für Hintergründe haben könnten 😎
Steht irgendein Bezug zum „schwarz/weiß denken“ dahinter? Oder der Hinweis, dass es „früher“ auch „bessere“ Wege des Umgang miteinander gab? Oder: fehlt dir im Heute mehr „Farbe“?
*schmunzel

Du „stöpselst“ dich also „aus“. Das kann ich sehr gut nachvollziehen! Reizüberflutung kann schwerwiegende psychische Folgen nach sich ziehen; andersherum ist das „sich ausklammern aus der Gesellschaft“ auch nicht unbedingt einem „sozialen“ Zusammenlebens zuträglich (wobei hier die Frage wäre, ob sich andere mit ihrem Handyumgang nicht ebenfalls ausklinken). Und doch ist es so, dass auch ich mich oft „ausklinke“ – meistens dort, wo es im Übermaß meine Laune vermiest. Zuletzt auf dem Weg nach Hammelbach in der Bahn. Frankfurt war fürchterlich, so wie jede andere größere Stadt auch.. durch die ich durch musste. Immer dann wenn es in den ländlicheren Raum ging wurde es umso ruhiger, aber auch freundlicher und offener was die Menschen anging. Ich bin echt froh nicht in einer Stadt leben zu müssen – dort wäre ich schon kaputt gegangen.
Ich kann es nur jedem empfehlen. 😉

LG
Gaby

Roberto De Lapuente
Roberto De Lapuente
Reply to  Gaby
4 Jahre zuvor

Jetzt muss ich aber sagen, dass die Menschen in Frankfurt besonders unfreundlich sind. In München sind sie netter – in Hamburg waren sie es auch. Selbst in Köln. Frankfurt ist die engste Großstadt in der BRD, alles ist dicht an dicht, die Verkehrswege sind schmal und bahnen sich einen Weg durch Häuserschluchten. Wenn irgendwo in der Stadt mal ein großer Platz ist, merkt man das sofort. Die Kopffreiheit macht was mit dem Gemüt. Ich glaube, daran liegt es, dass FFM so unfreundlich ist.

SW: Wegen der Ästhetik. Und der Bildrechte. Aber ich mag es auch, wenn man Texte von heutigen Missständen mit der „guten, alten Zeit“ flankiert. Nein, da war auch nicht alles gut. Aber es tut so gut so zu tun, als sei es damals besser gewesen. Man flüchtet sich in ein besseres Land, das zeitlich nicht mehr zu erreichen ist. Kaminer hat in seiner letzten Lesung in Frankfurt erzählt, wie Freunde seiner Tochter in die DDR flüchten, obwohl sie viel zu jung sind, um die DDR zu kennen. Sie sehnen sich nach einem anständigeren Land, in dem – so wie in der DDR – der Handyempfang besser war.

niki
niki
Reply to  Roberto De Lapuente
4 Jahre zuvor

Jetzt muss ich aber sagen, dass die Menschen in Frankfurt besonders unfreundlich sind….

Meiner Erfahrung nach ist das absolut richtig… Hamburg ist zwar fühlbar besser, aber immer noch ziemlich schlimm… Letzteres ist zu vergleichen mit Hannover… Der nä. Großstadt wo ich lebe…

Ich habe in letzter Zeit auch etwas feststellen müssen:
Zumindest von meiner Seite kann ich dir sagen dass mich Menschenansammlungen mit Lärm mir viel zu laut sind, ich gar fast panisch reagiere, wenn ich nicht mit Kopfhörer mich auch der Lärmkulisse selbst ausblende… Und je älter ich werde, als desto schlimmer empfinde ich das…
Schon komisch: Denn Lärm war früher absolut kein Problem…

Btw: Quietschen/kreischen die Kinder (Alter bis Ende Grundschule) bei euch auch so entsetzlich laut? Das ist mir erst die letzten Jahre aufgefallen, oder war das früher nicht so? Interessant ist es dass diese Biester das absichtlich tun und sich einen Keks freuen, wenn wir „älteren“ Erwachsenen, ich bin noch nicht ganz 50 J., schmerzverzerrt uns die Ohren zuhalten! Auch in öffentlichen Verkehrsmitteln halten diese sich nicht zurück! Ich würde am liebsten dann diese ******* nehmen und aus den fahrenden Bus werfen!

Anton
Anton
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Roberto, kann aus eigener Erfaheung sagen, in Italien sind die Kinder auch nicht gerade brav oder nur leise! Schlimmer ist doch mobben, schlagen, drohen und andere ’nette“ Umgangsformen, was zur Lautstärke leider noch hinzukommt!Vielleicht werden wir such einfach alt , mag ja seinY,

ChrissieR
ChrissieR
Reply to  niki
4 Jahre zuvor

:

Unter den lauten Kindern hab och schon als Busfahrerin gelitten…hab das immer ausgeblendet, denn Bus fahren mit Stöpseln ist verboten..
Momentan bin ich in Frankreich, ländliche Gegend.. und ich hab heute paar Schulbusse beobachtet, in denem es anscheinend sehr gesittet zu ging! Keiner rannte rum, alle sassen recht ruhig auf ihrem Hintern!

Mir gehts wie Dir…icj meide immer mehr grössere Menschenansammlungen..selbst Familienfeiern versuche ich zu vermeiden! Da streichele ich lieber den Kater oder gehe stundenlang mit dem Hund durch den Wald!

Alloah

Christine

niki
niki
Reply to  ChrissieR
4 Jahre zuvor

oder gehe stundenlang mit dem Hund durch den Wald!

Ich bin am liebsten auch im Wald… Meistens nutze ich dafür mein „Gravel Bike“ oder MTB…

Gerne hätte ich Haustiere, aber das funktioniert hier in meiner kleinen Wohnung beim besten Willen nicht… Das möchte ich den Tieren nicht zumuten!