Sonne aus’m Arsch

Tolle Aussichten. Der Sommer bleibt. Sonne satt. Herrliches Wetter. Genießen Sie die Sonnenstrahlen. Und auch demnächst soll es schön bleiben. Der Sommer nimmt kein Ende. Laue Nächte pur. Diese stereotypen Sprüche aus der Wettervorhersage, von Metereologen und Moderatoren, kotzen mich nicht nur an, sie sind das Abbild einer Massenmeinung, die mir im realen Leben kaum noch begegnet.

Ich kenne fast niemanden, der bei diesen Temperaturen glücklich wäre. Die Leute, die ich kenne, scheinen mit den Leuten, für die das Wetter angesagt wird, nicht klimatisch verwandt zu sein. Ich habe in meinem gefühlten Bekanntenkreis mal herumgefragt und Auswertung betrieben. Von insgesamt 47 Befragten mögen alle 16 Senioren die Hitze nicht, die 18, die körperlich arbeiten und die früh aufstehen müssen, schlossen sich ihnen im Anflug von Generationensolidarität an. Fünf Herzkranke und drei Personen mit Sonnenallergie pflichten dem außerdem bei. Nur drei Befragte schätzen die pralle Sonne und halten sie für »echt geil«. Diese drei Sonnenfreunde haben allerdings das zwölfte Lebensjahr noch nicht überschritten. Für die, die nachrechnen: Die zwei Befragten, die noch ausstehen, hielten meine Frage in Anbetracht ihres Sonnenbrandes für einen schlechten Witz. Repräsentativ ist diese Umfrage natürlich nicht, sie ist ja mehr so gefühlt.

Völlig einig waren sie sich nicht nur darüber, dass sie diese Temperaturen nicht mögen. Auch diese meteorologischen Gestalten, die als Strahlemänner den »Sommer von seiner schönsten Seite« postulieren, obwohl sie am Vorabend noch beobachteten, wie ihre Nachbarin wegen Kreislaufzusammenbruch vom Notarzt abgeholt wurde, gingen den Befragten mächtig auf die Nerven.

Diesen berufsbedingt immer fröhlichen Arschlöchern scheint die Sonne aus dem Arsch. Man verzeihe mir diesen Tonfall, aber diese »Fröhlichkeit-und-Sonnenschein«-Industrie, die das Wetter fetischiert, die es als eine Art von »Hurra-ist-das-Leben-nicht-wundervoll!«-Anbeterei verkauft, widert mich täglich mehr an. Man kann sich gar nicht mehr in Ruhe von den Medien desinformieren lassen, ohne auf eines dieser quietschglücklichen Arschlöcher zu treffen. Ständig erinnern sie einen dran, dass der Sommer da ist, bleibt oder gleich wieder kommt. Und das verbinden sie mit Bildern von einer Lebensqualität, die kaum ein Mensch besitzt.

Schon gar nicht in Zeiten des Klimawandels. Schon bevor die Hitze so manifest wurde, als die Sommer noch bei 32 Grad endeten und nicht um die 40 Grad verbrutzelten, konnte ich diese frohe Kunde nicht vertragen. Jetzt allerdings halte ich diese meteorologischen Pfeffersäcke und Klimawandelgewinnler nicht mehr nur für Arschlöcher, sondern für halbseidene Saboteure an der Erträglichkeit des Seins.

Diese Wetterberichterstattung und ihre boulevardeske Ausschlachtung, dieses Bedienen einer auf dieser Welt grundlegenden Nichtigkeit – schließlich ist auf dieser Erde immer Wetter! -, scheint ein Sport, gemacht von Leuten in gut klimatisierten Räumen für Leute in gut klimatisierten Räumen zu sein. Eine Form von alltagsesoterischer »Ist-das-Leben-nicht-geil!«-Ideologie, die sich jemand, der sich die Hitze durch seine Finanzkraft nicht vom Halse halten kann, gar nicht leisten kann.

Was tun in heißen Nächten? Empfehlung eines TV-Senders vor Jahren mal: Ziehen Sie ins Hotel! Denn Hotels sind klimatisiert. Für welche Gesellschaftsschicht entwirft man solche Ratschläge eigentlich?

Gossengoethe von der Bildzeitung hat jedes Jahr ein Loblieb auf den Sommer in petto. Vor Jahren schrieb er, wir hätten »einen tollen Sommer«, man könnte »bis zwei Uhr morgens beim Italiener sitzen«. Da kam mir fast das Kotzen. Kommt mir bei dem Typen eh immer. Aber bei diesem speziellen Elaborat damals ganz besonders. Klar, der Typ kann es sich leisten, bis zwei Uhr morgens zu zechen. Dann legt er sich bis mittags hin, steht auf, braucht sich nicht anziehen, bringt zehn bis fünfzehn Sätze aufs Papier, gibt sie telefonisch durch und kassiert sicherlich sein Honorar. Auf Kerle wie ihn ist die Wetterberichterstattung zugeschnitten. Auf Großkotze, die bis zwei Uhr nachts irgendeinen Gianluca durch die tropische Nacht hetzen können und das dann megaloman »Ankurbelung der Wirtschaft« nennen. Aber das ist eine ganz andere Scheiße, um die geht es heute mal nicht …

Dass ich schwitze wie ein Mastbulle ist eine Sache. Die fröhlichen Stimmen, die mir meinen Gestank auch noch als eine ganz besonders tolle Geschichte verkaufen wollen, das ist etwas ganz anderes. So einfach wie beim Wetter erkennt man selten, wie eklatant daneben die Medien an den realen Lebensumständen der Menschen vorbeimoderieren. Obwohl ich zugebe, dass hier und da auch endlich begriffen wird, was diese Hitze bedeutet. Sie wird uns nämlich als Gesellschaft verändern. Denn ich mache mir da nichts vor: Wir werden es nicht mehr ändern können, die Folgen des Klimawandels bleiben uns.

Wenn so ein Typ im Radio jedenfalls sagt, dass diese lauen Nächte einfach nur schön seien, dann soll er mal in mein schwüles Arbeitszimmer kommen und versuchen dort zu arbeiten. Da ist Denken Höchstleistung und tippen immer mit Shcriebfheler verbunden. Die Hitze macht mich aggressiv. Solche Typen noch aggressiver. Hitzegeplagte brauchen nun mal eben Sündenböcke, die sie fassen können. Mein eigener CO2-Ausstoß ist mir zu abstrakt. Konkreter sind mir da diejenigen, denen die Sonne aus dem Arsch scheint.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Nashörnchen
Nashörnchen
4 Jahre zuvor

Es ist Sommer.
Millionen deutsche Büroangestellte müssen nach Mallorca oder Malediven fliegen. Oh weh!
Andere tragen es mit Fassung… https://is.gd/KBtIgU

ChrissieR
ChrissieR
Reply to  Nashörnchen
4 Jahre zuvor

….und ich dachte immer, Roberto hätte spanische Wurzeln? Isses in der Sierra Nevada net auch mal warm??

Aua!!! Ich bin ja schon ruhig…

Aber ich liebe warmes Wetter….in 4 Wochen holen wir schon wieder die dicken Jacken raus und kratzen morgens die Autoscheiben frei!!!

Vamos a la plaja, tomat una cerveza!!!!!

LG

Christine

Roberto De Lapuente
Roberto De Lapuente
Reply to  ChrissieR
4 Jahre zuvor

So blöd wie die Leute hier, sind die Spanier ja nicht. Sie meiden die Sonne. Das heißt, so richtig sonnengestärkt sind sie nicht.

Heldentasse
4 Jahre zuvor

Diesen berufsbedingt immer fröhlichen Arschlöchern scheint die Sonne aus dem Arsch.

Endlich normale Leute! Nennt man auch Sommerloch. Pösen Gerüchten zu folge, berichten die Medien aber nur im Sommer davon, danach werden dann wieder die „richtigen“ Säue durchs mediale Dorf getrieben.

Beste Grüße

Molle Kühl
Molle Kühl
4 Jahre zuvor

Gern vorgetragenes Synonym für angekündigte 40 Grad plus ist auch das in den TV-Wetterberichten (Klaudia KLeinert und Co.) beliebte „Freibadwetter“. Freibäder sind inzwischen auch beliebte Orte für Randale gelangweilter Jugendlicher, denen die Hitze zu Kopf gestiegen ist. Ansonsten gibt es z. B. in den Ruhrgbietsmetropolen kaum genügen Freibäder, dass der größte Teil der Bevölkerung davon profitieren könnte. Meine Schwägerin hat einmal an einem heißen Tag mit ihren 6 und 8 Jahre alten Jungs auf dem Weg zum Freibad in einem Radius von 1 km keinen einzigen Parkplatz gefunden.

Eisdielenwetter wird auch immer wieder gern genommen, jedoch kenne ich niemanden, der den ganzen Nachmittag in einer Eisdiele verbringt.

Pen
Pen
4 Jahre zuvor

Gut geschrieben, Roberto.

Ein paar Lacher am Morgen vertreiben Kummer und Sorgen. :- ))

Mir bleibt hier nur ein längerer Aufenthalt im gut klimatisierten Supermarkt gegenüber, ab und an ein kühles Armbad (die Arme bis über die Ellenbogen, 20 sec in kaltes Wasser tauchen, sehrrr erfrischend! ) oder Wassertreten in der Badewanne.

Warum bringen diese quietschvergnügten Schreiberlinge nicht mal ein paar Überlebenstipps für Senioren?

Roberto De Lapuente
Roberto De Lapuente
Reply to  Pen
4 Jahre zuvor

Warum? Sag ich doch, weil sie A…. sind! 😉

uli
uli
Reply to  Pen
4 Jahre zuvor

Pen, dann bleib in der Bude oder verbrenne die Hose, also echt, Du und Heldentasse sind Nervrentner, Friedenstante!

Eschi
Eschi
4 Jahre zuvor

Noch besser als Moderatoren vom Privatradio
sind Wetterapps. Damit kann man sich versichern,
dass draußen die Sonne scheint.
Sehr hilfreich, wenn man seinem Urteilsvermögen
nicht über den Weg traut.

Doofmoderatorensammlung:

„..ein Knabberspaß für die ganze Familie..“

bitte mit Beispielen ergänzen !

Eschi
Eschi
4 Jahre zuvor
rainer
rainer
4 Jahre zuvor

…ich finde das Wetter super…..

Rudi
Rudi
4 Jahre zuvor

Die weitreichenden Medien werden ihrem informellen Auftrag gerecht: Immer schön Wetter machen, immer lächeln. Egal, was berichtet wird. Nimm mal die Sport-Arschlöcher, die jede Körperbewegung als „Superleistung“ kommentieren und diese meist als „weltklasse“ einordnen. Darunter geht kaum was. Marktschreier hinterm Mikrofon. Duzfreunde und Schulterklopfer im Interview.

Dann haben wir da die Berichterstatter von der Börse. Die kennen nur noch personifizierte Märkte, die „freudig reagieren“, bzw. mit dieser oder jener Entwicklung nicht einverstanden sind und sich deshalb „verschnupft“ zeigen. In der Politik und sonstigen Nachrichten läuft es nicht anders. Gundula, die christlich Mitfühlende, ist der beste Beweis…

Rudi
Rudi
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Du hörst Sportlern noch zu? Ich kenne heute keinen mehr, der auch nur ein klein wenig neben der Spur quatscht.

Man soll den Menschen immer zuhören, hab ich in der Schule gelernt. Aber hier ist einer, der neben der Spur quatscht oder neben der Spur ist: Christoph Harting, Diskusswerfer. Er sagte anlässlich der DM am Wochenende:

Deutsche Meisterschaften sind immer der große letzte Nominierungswettkampf, wo der DLV sagt, ihr müsst hinfahren. Es ist die letzte Erpressungsmöglichkeit der deutschen Leichtathletik.

Er sagte noch einiges mehr und stieß damit im Sportmilieu auf breite Ablehnung. Es stimmt, dass die Sportler/innen gebrieft werden, damit sie möglichst das Richtige sagen. Aber die Interviewer fragen immer das selbe. Etwa so: Wie fühlt sich das an, dieser Sieg? (Wobei ‚Sieg‘ beliebig austauschbar ist.)

niki
niki
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Welche Sportler meinst du? Meinst du die Sportler die Abhängig sind vom Sportverband, Bundeswehr oder Polizei? Oder meinst du Profisportler? Vielleicht beide?
Von diesen Gruppierungen sagt niemand etwas was möglicherweise irgendwie negativ gedeutet werden könnte… Erst wenn diese bereits ausgesorgt haben und kein Bock mehr haben, machen diese das Maul auf!
Ich glaube kaum, dass du ambitionierte Hobbysportler meinst, wie mich, meinst…

niki
niki
4 Jahre zuvor

Mir tun die Gelenke weh wenn es kalt ist…
Aber bei 40 Grad draußen und 45Grad in der Werkstatt ackern, weil der Chef zu geizig ist für ’ne Klimaanlage oder zumindest einen Ventilator, ist auch mir als recht hitzeresistenten viel zu heiß…

Chris
Chris
4 Jahre zuvor

Fahr einfach an den Flughafen. Hab ich früher auch immer gemacht. Is schön da, bei 40° in der Innenstadt. 😉

Warum der Tipp? Weil der Aggro zwar verständlich, aber unangenehm ist. Der ganze Text hat sonen leicht neidischen Unterton und das muss doch nicht sein. Lass den Leuten doch die Sonne aus dem Allerwertesten scheinen. Damit machen sie nix kaputt. Schlechte Laune und Aggressivität schaden aber schon. Mindestens dem Schlechtgelaunten und der Umgebung machts auch keenen Spaß. 😉

ChrissieR
ChrissieR
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

:

Mein Lieblingslied ist: “ Wann wirds mal wieder richtig Sommer…“ von Rudi Carell!!

Morsche übrigens…

Vivement l’été

Christine