Schall und Rauch und miese Tricks

ADAC, VW und DB: Nur drei Kürzel aus unserer tollen Wirtschaftsordnung, bei der es mehr um Schein als Sein geht. Jetzt hat die Bahn die Verspätungen in den Griff bekommen. War das mit der Zeitumstellung gemeint? MfG aus der Trickserökonomie.

Endlich hat sich die Deutsche Bahn der vielen Verspätungen angenommen. Von jetzt auf gleich zählen Züge, die 15 Minuten nach im Fahrplan notierter Ankunftszeit den Zielort erreichen, als nicht mehr verspätet. Vorher lag diese Kulanzspanne noch bei sechs Minuten. Auf einen Schlag hat die Bahn Unmengen von Verspätungen aus der Statistik gebannt: Das nenne ich mal Innovationsgeist. Und wenn Sie demnächst wieder mal zwölf Minuten zu spät ankommen, dann können Sie sich trösten: Denn dann sind Sie rechnerisch immer noch drei Minuten zu früh. Dass der Anschlusszug schon den Abfahrtsbahnhof verlassen hat, muss Sie dann auch gar nicht mehr ärgern. Denn nur wer zu spät ist, den bestraft bekanntlich das Leben.

Was hätte die Deutsche Bahn auch machen sollen? Die Schiene ist heillos überbeansprucht. An manchen Stellen zudem noch reparaturbedürftig. Die Unpünktlichkeitsproblematik kriegt das Unternehmen doch gar nicht mehr in der materiellen Welt in den Griff – das geht nur mit ideologischen, sprich mit statistischen Kniffen. Deutscher Innovationsgeist geht in diesem modernen Deutschland wahrscheinlich auch nur noch so. Ganz neu ist das nicht, die Deutschen galten von jeher als Dichter und Denker, als Geistesarbeiter und Freelancer der Stirn. Okay, früher haben sie diese Fähigkeit angewandt, um gute Autos zu bauen, im Maschinenbau was zu reißen. Heute haben sie sich auf die Verwaltung ihrer »postmaterialistischen« Welt spezialisiert. In der ist Sparsamkeit alles, Investionen Profitminderung und Fortschrittlichkeit nur machbar, wenn man die Rahmenbedingungen so modifiziert, dass am Ende alles nach Hightech, alles nach allererster Sahne aussieht.

Wo der Sinn für wahrhafte Verbesserungen schwindet und sich zur Verwaltung dessen bereiterklärt, was eigentlich im Keime schon modernisierungsbedürftig ist, da bleibt man gesellschaftlich eben auf der Strecke. Sogar im sprichwörtlichen Sinne. Dort pimpt man Statistiken, wo es neuer Gleise, doppelter Wegeführung, dringender Reparaturen bedürfte. Deutsche Unternehmen scheinen sich als Organismen aus der Welt des Seins sukzessive zurückzuziehen. Sie haben die »Scheinebene« erreicht. Quasi einen körperlosen Zustand, der sich nur noch im Second Life statistischer Indizes erhalten lässt. So tun als ob, die schlechten Resultate aus der greifbaren, der materiell erfassbaren Welt einfach durch mentale Kniffe ausmerzen: So geht Wirtschaft heute! Wenn am Ende die alternative Zeitumstellung zu einem Zuwachs im Pünktlichkeitsindex führt, hat die Seinsebene verloren. Für die Wirklichkeit interessiert sich eh keiner – nur die Wirklichkeit von Statistiken und Zertifikaten haben Aussagekraft.

Volkswagen funktionierte über Jahrzehnte nicht so viel anders. Audi wohl auch nicht. Man hat über Jahre den Anschluss an eine moderne Art der individuellen Fortbewegung verpasst und weil man einfach nur Geld verdienen, Profite generieren und Exportweltmeisterschaften als oberste Direktive deutscher Ökonomie einfahren wollte, hat man eben den Schein erzeugt, man habe es mit bombastisch umweltbewussten Fahrzeugen zu tun. Dazu holte man die Klimakanzlerin als Testimonial ins Boot und schon war man das Spitzenprodukt der Welt: Ein deutsches Automobil. Aufgebitcht hat man das alles noch durch den ADAC, der ein sehr kreatives Ranking führte und sicherlich nicht zum Nachteil der deutschen Unternehmenskultur Platzierungsprioritäten publizierte.

Die Deutsche Post, auch so ein Global Player, macht es auch nicht so ganz anders. Auf der ganzen Welt positioniert sie sich als GröLaZ, als größte Logisitikexpertin aller Zeiten, aber dann kriegt sie es immer häufiger nicht mal mehr hin, einen Inlandsbrief, ganz zu schweigen von einem Päckchen, innerhalb von zwei Tagen durch die eigene Republik zu kariolen. Kein Wunder, zu wenig, zu schlecht bezahltes, teils in prekären Verhältnissen steckendes Personal, ist mit dem Ansturm schlicht überfordert. Das Unternehmen schwimmt vor sich hin, hat den eigenen Kompetenzbereich aufgegeben und wirkt wie ein aufgeblähter und überdimensionierter Organismus, der nur noch so tut, als läge ihm was an der Erfüllung seines ureigensten Metiers.

Der größte Exportschlager der deutschen Wirtschaft ist insofern weder Bahn, Auto noch logistische Kompetenz. Es ist die Fähigkeit, aus einer an sich maroden Substanz ein Hochglanzabziehbild für Magazine und Werbebanner zu destillieren. Man weiß, wie man einen Popanz aufbaut, eine Performance simuliert, sich Make-Up auflegt, wo andere schon das Leichentuch drüberlegen würden. Weltspitze im Suggerieren von Weltspitze: Dieses Premiumprodukt von Weltrang ist es, was die deutsche Wirtschaft perfektioniert hat. Wir gehen drauf für ein Leben voller Schall und Rauch … MfG aus der Trickserökonomie.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Alfred Dorfer
Alfred Dorfer
4 Jahre zuvor

Nicht das Erreichte zählt – das Erzählte reicht.

Energetische Verhaltenstoene
Energetische Verhaltenstoene
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Beeinträchtigte Konsumwünsche ?
Arbeitslager kein Streichelzoo

ChrissieR
ChrissieR
4 Jahre zuvor

Morsche!

Also, für die Fahrpläne der DB hätte ich da so eine Idee, wie es nie mehr zu Verspätungen kommen kann…..
Einfach das Prinzip anwenden, das auch verschiedene Paketdienstleister benutzen: Ihr Paket wird am…..zwischen 8 und 16,Uhr zugestellt.
Sinngemäss kommt dann der Zug auch so zwoschen 8 und 16 Uhr….
Einfach mal bissl flexibel sein…

April, April !

Christine

rainer
rainer
4 Jahre zuvor

Hallo,

bezüglich der neuen Pünktlichkeitsmessung bei der DB wurde nicht korrekt recherchiert. Die bestehende Messung von Verspätungen ab 6 Minuten (aus Perspektive eines Zuges je Halt) wird nicht ersetzt sondern ergänzt. Und zwar um eine Pünktlichkeitsmessung aus Perspektive eines Fahrgasts inkl. Berücksichtigung von Umsteigen, d.h. ob Anschlusszüge erreicht oder bspw. Ersatzzüge gestellt wurden. Auf diese zusätzliche Messung beziehen sich die 15 Minuten.

Nachzulesen bspw. in der Pressemitteilung der DB.

Fröhlichen 1. April,
Rainer

Roberto De Lapuente
Roberto De Lapuente
Reply to  rainer
4 Jahre zuvor

Die Pressemitteilung ist mir bekannt. Sie ändert aber nichts daran, dass eine Art Synchronität verschleiender Indizes stattfinden soll. Mit der Pünktlichmachung, die man sich gemeinhin vorstellt (neue Strukturen, Investitionen, Neuerung, digitale Informationspolitik etc.), hat das nichts zu tun – ich habe im Text zynisch und polemisch darauf hingewiesen.

pen
pen
Reply to  Roberto De Lapuente
4 Jahre zuvor

Roberto,

Deine Fotos sind immer sehr gut, dazu sag ich jetzt nichts mehr. : -)

Zur Deutschen Bahn auch nicht. Was kann man denn erwarten von einem Unternehmen, daß in Singapur Buslinien mitbetreibt und in Dakar eine Bahnlinie baut? Hört sich an wie ein Aprilscherz, ist aber keiner.

Hoffentlich schaffen die das dort jedenfalls mit ihren Klimaanlagen.

pen
pen
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Unbedingt, aber es wäre schade, wenn Du dann nicht mehr schriebst. Vielleicht beides miteinander verbinden?

; -))

Wann muß man denn aufstehen, um einen Bahnhof fast ohne Menschen zu sehen?

Schöne Stimmung!

anton
anton
4 Jahre zuvor

Fahre keine Bahn, die Post kommt an, langt mir.Die Bahn halte ich für, historisch betrachtet seriöser , da sie weniger lange neue Beamtenverhältnisse begründete. Teilaspekte dieser oder auch anderer Gesellschaften kann man eh nur mir Humor nehmen. Lassen wir doch mal die Rechten an die Macht, mal sehen, ob die was können, Zweifel sind angebracht. Mal sehen, ob jetzt die Buben mir der Leier, verstaatlichen wir Post und Bahn kommen,Ihr seid goldig.
Die Automobilindustrie muss sich was einfallen lassen, wohl wahr. Hat sie schon, dies ist aber natürlich nicht gemeint.!

anton
anton
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Die Buben in Neuseeland fordern keine weltweit einmalig begünstigte Bundesbeamte, hier geht einem der A. aus der Bahn, weil die vom DBB aufgehetzten Buben streiken statt denen mit einem Daseinsvorsorgeschutzgesetz den Wasserhahn teilweise zu schließen. Es sollen nicht wieder Beamte auf der Bahn hocken, alles Andere ist mir breit mal hoch. Ich meine die früheren 90 er Jahre mit historisch, logisch, nicht das 3.Reich, wo die Schuld der Bahn größer gewesen ist.Bei den Briten war es krass, da war praktisch eingepreist, dass es Entschädigungszahlungen geben könnte!

anton
anton
Reply to  anton
4 Jahre zuvor

Roberto, kurzer Nachtrag mit Frage. die Bahnreforn 1992 bedeutete direkt das Ende der Begründung von Beamtenverhältnissen. Die Post hämmerte in den Nachfolgebetrieben bis 1994 neubegründete Beamtenverhältnisse hinein. Kenne tolle Bundesbeamtin, frühere Teamleiterin der Telekom. Sie wurde 1993 als letzte eingestellt, musste nach dem Betreibswirtschaftstudium an der FH keine Verwaltungsfachhochschule mehr besuchen, da ja sowieso privatisiert wurde, nenne ich ungllaubliches Glück, beschäftigt mich mehr als mehr oder weniger AFD, stehe ich zu.Behörden-FH war immer Voraussetzung für gehob. Dienst, darum hasse ich dien Postbereich, kenne ich so von der Bahn nicht.Jetzt höre ich schon die Kritk , aber die bösen Reichen bekommen mehr als die 3500 Euro netto, welche die Beamtin bekommt, anderes Thema.Wie siehst Du die Sache, ernste Frage! Muss unbedingt Dein Buch lesen, werde ich noch, versprochen!

Gerhard Roloff
Gerhard Roloff
Reply to  anton
4 Jahre zuvor

Äh hm, wenn ich mich zu recht erinnere, is bei den bergbauernden Schwiezern die Bahn immer „zentralstaatlich“ organisiert gewesen, warum nur???
Und wieviel kommt man da zu spät?

Rösner & Degowski
Rösner & Degowski
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Es ist keine Frage des Früher oder Später.
Die Rechten regieren uns seit Jahrzehnten weshalb die
rechteren Rechten nun auch in den Parlamenten sitzen.

Interventionkriege, Kriegshetze, Wirtschaftskrieg
gegen die eigene Bevölkerung, Enteignung der Armen
durch Zwangsarbeit, Lohndumping, Korruption,
Infokriege zur Verdummung…….

Das zeugt von rechter Gesinnung !

Wird Zeit das dieser Schweinestall auseinanderfliegt….

Rösner & Degowski
Rösner & Degowski
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Ja, die sind alle toll aufgeschlossen und bürgernah ……Der freundliche Herr Lucke käme heute mit seinem euroskeptischen Kurs nicht mehr durch, um sich selbst rauszukicken und den konzeptlosen Hohlbirnen den Weg zu bereiten. Der Brexit mit seinen schlimmen, schlimmen Folgen stünde dem Herrn Lucke, Lucke im Nacken, Nacken ! Nach dem Brexit werden sich alle Menschen in Luft auflösen, so ähnlich wie nach der Einführung des Mindestlohnes. Aber das nur am Rande.

Anton
Anton
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Liberale sind mir fremd
Soziales ist mir heilig

anton
anton
Reply to  Roberto J. De Lapuente
4 Jahre zuvor

Dann sollen die zeigen, dass sie es können. Möchte SPD, Linkspartei und AFD es zusammen auf Landesebene versuchen lassen. Es müssen Mehrheiten fern der schwarzen Kralle gesucht werden!Berührungsänsgte gehören abgebaut.es muss Kesseln!