Vorsicht Falle!

Eduard Zimmermann warnte uns schon vor mehr als dreißig Jahren vor der Arbeitsmarktentwicklung. Er ordnete die Veränderungen aber nicht Geschäftsleuten zu – sondern Neppern, Schleppern und Bauernfängern.

Ich weiß nicht mehr so genau wie, aber vor einigen Wochen sind wir bei Eduard Zimmermanns »Vorsicht Falle!« hängengeblieben. Bei YouTube sind unzählige Folgen dieser Serie, die von 1964 bis 2001 im ZDF ausgestrahlt wurde, archiviert. Uns imponierte bei unserer Retrospektive der biedere Stil, der aber nie vollends verstaubt berieselte, sondern immer darauf bedacht wirkte, die Zuschauer vor neuesten Kniffen von Gaunern und Betrügern zu warnen und sie für mögliche Maschen zu sensibilisieren. So einen lehrerhaften Onkel, der die Aura eines Mahners und Aufklärers pflegt, findet man heute gar nicht mehr im Fernsehen. Die kurzen Spielfilme waren in der zu vermittelnden Sache detailiert abgedreht und geben minutiös die aktuelle Masche zu Protokoll.

Besonders die Folgen der Achtzigerjahre, die mit einen peppigen Intro starten, haben es mir angetan. Sie sind auch ein Dokument meiner Kindheit – vermutlich liegt es auch daran. Also guckten wir einige Folgen aus jenem Jahrzehnt und staunten nicht schlecht: Denn was Ede-»Das ist leider kein Einzelfall«-Zimmermann uns da kredenzte, das war damals vielleicht noch die krude Tour von Neppern, Schleppern und Bauernfängern – wie ja dann auch der Titel der Sendung eine Weile lang hieß. Heute würde man manches Schurkenstück von damals aber glatt als übliche Gegebenheit des modernen Arbeitsmarktes durchgehen lassen.

In einem Fall wurde uns zum Beispiel ein Arbeitssuchender präsentiert, der endlich einen Lieferantenjob findet, das heißt: Er fand ein Unternehmen, das ihn eine mehr oder weniger verkappte Scheinselbständigkeit offerierte. Er würde für erledigte Aufträge und Nutzung des privaten PKW entlohnt. Da komme ein schönes Sümmchen zusammen, versprach sein Dienstherr ihm konziliant. Am Ende kam es aber nicht, die Verheißung erwies sich als Trugschluss. Denn die Aufträge waren rar oder weit zwischen ihnen lagen viele Kilometer Fahrt, sie waren also nicht schnell zu erledigen. Demgemäß fiel der Monatslohn knapp aus – außerdem gab es einige Abzüge, die man ihm in Rechnung stellte und gleich vom Lohn abzog.

In einem weiteren Fall heuerte ein Dachdeckervorarbeiter vormittags in einer Kneipe arbeitslose Männer, die beim Kartenspiele hockten, für einen Auftrag an. An solchen Orten suchte er gezielt nach Menschen, die ohne Erwerb sind.  Die lustige Kartenrunde könnte sich so unter der Hand was dazuverdienen. Dass sie nicht vom Fach seien, sei irrelevant und habe keine Auswirkungen. Die Dachdeckertruppe kam also samt neuer Mitglieder bei einem Kunden an und reparierte das Dach mehr schlecht als recht. Oder dann war da in einem anderen Fall noch die Dame, die durch Geburtsanzeigen in der Zeitung herausfand, wo es sich lohnt Babybrei zu offerieren. Dort rückte sie an, klingelte und ließ bei der Kindsmutter durchschimmern, dass sie mit dem Jugendamt zusammenarbeite. Dann empfahl sie ihr Produkt, schwatzte der jungen Mama ein monatliches Abo auf und die freute sich, dass da jemand von Amtswegen gute Ratschläge weiterreichte – und günstige noch dazu. Der Babybrei erwies sich übrigens als Griesbrei, der mit Kakaopulver und Zucker versetzt war.

Das galt in den Achtzigern echt noch als Gaunerei – heute sind manche Werbeanzeigen in bestimmten Presseerzeugnissen nicht mehr vom Nachrichtenteil zu unterscheiden. In einem Bericht geht es da beispielsweise um neueste Krankenkassenauswertungen zu rheumatischen Erkrankungen und zwei Absätze darunter wartet schon etwas, was auch wie ein Bericht aussieht, bei näherem Studium aber deutlich macht, dass hier jemand Rheumasalbe mit Teufelskrallenextrakt an den Patienten bringen will. Journalismus und Marketing gehen eine Symbiose ein, fast so wie jene Breiverkäuferin und Jugendamtstante, die in Personalunion Klinken putzte.

Während es in den Achtzigern noch als Anzeichen halbseidener Geschäftspraxis galt, jemanden in Scheinselbständigkeit auszubeuten, haben wir uns heute schon lange daran gewöhnt. Solche Arbeitsverhältnisse gibt es mittlerweile gehäuft – stets gewinnt der, der als freier Unternehmer in einer solchen Konstellation fungiert, zwar viel an Lebenserfahrung, aber nur wenig Geld. Der Dienstherr aber sozialisiert die Risiken und verlagert etwaige Lohnnebenkosten auf den nur scheinbar freien Mitarbeiter. Was die Laiendachdecker an Pfusch abliefern, noch dazu nicht angemeldet: Diese fadenscheinige Geschäftsidee floriert heute. Zwar gilt das nach wie vor als kriminell, aber ein überforderter Zoll und die Ideologie der Steuer als Raub am wertschöpfenden Menschen hat bewirkt, dass man solcherlei Taten als Kavaliersdelikt einordnet. Ganze Städtebauprojekte werden mit solchen Truppen hochgezogen, kombiniert mit Scheinselbständigkeiten, wie im vorherigen Fall, hat sich da ein System generiert, das für einen Eduard Zimmermann ein Alptraum, aber auch ein Paradies an potenziellen Sendeberichten wäre.

Vorsicht Falle! So warnte das ZDF seinerzeit und nahm seinen Bildungsauftrag wahr, indem man das Publikum für die Tricks von Gaunern sensibilisierte. Danach kam dann eine Zeit, da hat das ZDF, wie viele andere Massenmedien auch, vor vielen dieser Tricks nicht mehr gewarnt. Es hat sie stattdessen als die schöne neue Wirtschaftswelt hingestellt, als Normalität in einer globalisierten Welt, in der Flexibilität und Mobilität dazu berechtigen, sittenwidrige Arbeitsverhältnisse zu tolerieren. Damals – als Zimmermann noch warnte – konnte man ganz offensichtlich noch zwischen Schattenwirtschaft und tatsächlicher Wirtschaft unterscheiden – heute ist das beileibe schwieriger geworden, die Übergänge sind nicht genau gekennzeichnet. Ein neuer Ede Zimmermann könnte seine Sendung gar nicht mehr den Neppern, Schleppern und Bauernfängern widmen, zwangsläufig wären da auch die Global Player, Leistungsträger und angesehenen Unternehmen mit im Boot. Diese Klientel als Hauptdarsteller in einer Reihe, die vor bösen Fallen warnt: Sie wäre leider kein Einzelfall.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Grinsekatze
Grinsekatze
5 Jahre zuvor

Der Eduard Zimmermann zog immer so komisch Luft….“Guten Abend meine Damen und Herren“…………..“Chrrrchrrrchrrr“….
„Wir kommen nun zum nächsten Fall“…………………….“Chrrrchrrrchrrr“………………….

Danach kam dann eine Zeit, da hat das ZDF, wie viele andere Massenmedien auch, vor vielen dieser Tricks nicht mehr gewarnt.

ARD und ZDF haben die Ausbeutung von Scheinselbstständigen erfunden. Freie Journalisten, Kameraleute, Tonleute…..alles Scheinselbstständige mit sogenannter Prognose, damit sie sich nicht auf eine feste Stelle einklagen können.
Die „Prognose“ der ÖRe ist ebenfalls eine arbeitsrechtliche Unmöglichkeit die von der Politik gedeckt wird.

Rudi
Rudi
Reply to  Grinsekatze
5 Jahre zuvor

Zimmermann verstand wie kaum ein Zweiter, Geschäftliches mit seinen Fernsehauftritten und dem „Weißen Ring“ zu verbinden. Ob er ein Aufklärer war, bezweifle ich in höchstem Maße, zumal er mit seinen Einspielfilmen den Voyeurismus der Zuschauer beförderte, der sich heute immer aggressiver am Leid Anderer ergötzt.

Rudi
Rudi
Reply to  Roberto J. De Lapuente
5 Jahre zuvor

Naja, wenn man Schlechtes mit Schlechterem vergleicht, wird es dadurch nicht gut.

Ulrike Meinhof schrieb 1968, die Fernsehsendung würde nur ausgestrahlt, um festzustellen “inwieweit Kriminelle sich als Hassobjekte in Deutschland und Österreich eignen und inwieweit Deutsche und Österreicher auf diese faschistische Manier mobilisierbar und gleichzeitig kontrollierbar“ seien. Allerdings stand dies in „konkret“.

Drei Jahre danach wurde in der Sendung u.a. nach Ulrike Meinhof gefahndet. Zimmermann soll wie folgt in den damaligen Fahndungsfilm eingestiegen sein: „Es gibt offensichtlich eine ganze Menge Leute hierzulande, die es wahrscheinlich schick finden, Bankräuber und Mörder zu unterstützen, ihnen Unterschlupf zu gewähren und ihnen gelegentlich auch [mit] ein bisschen Geld oder mit wichtigen Nachrichten auszuhelfen.”

Heinrich Böll titulierte diese Sendung als „muffiges Grusical für Spießer“. Die Welt erwähnte folgenden Sachverhalt:

„1981 forderte die Vereinigung sozialdemokratischer Juristen die Absetzung des Fahndungsmagazins, weil es ein ganzes Volk zu Hilfspolizisten mache, und noch im Jahr 2000 sah der österreichische Medienpsychologe Peter Vitouch die Gefahr, durch die realistische Nachstellung der Delikte Nachahmungstäter zu animieren. Andere Zuschauer wiederum ließen sich seines Erachtens in die Opferrolle drängen.“

Fensterplatz
Fensterplatz
Reply to  Roberto J. De Lapuente
5 Jahre zuvor

Emotionalisierung und Psychologisierung ?

Wir erledigen die miesen-Jobs nicht
Sicherlich findet jemand anderes einen Weg, uns weiter auszubeuten um hier alles zu Übernehmen -weil Er ja alles schließlich auch allein kann, es ist schließlich die Ära der ‚Selbstbedienung‘ und, solange niemandem auffällt, wie man das wieder loswerden kann, he? ‚Türlich, die gesichtslosen Geschichtenerzähler können die große Weisheit nicht für sich behalten. Filterblasen, Echokammern -das ‚ist schlecht und bitter‘, aber genau so funktioniert die menschliche Gesellschaft, schon immer. Man mag wen, man mag wen nicht. So funktionierts eben. Und bitte, ein mehr der, mittlerweile unzählig, in homöopathischen Dosen beworbenen, Zensur -als die Heilung gegen den Faschismus -Ihr habt doch schon einmal
kurz Nachgedacht, oder ?

Heldentasse
Heldentasse
Reply to  Grinsekatze
5 Jahre zuvor

Der Eduard Zimmermann zog immer so komisch Luft….”Guten Abend meine Damen und Herren”…………..”Chrrrchrrrchrrr”

Wahrscheinlich hatte sich der Ede in Bautzen eine chronische Bronchitis eingefangen. 😉

Kartoffelnase
Kartoffelnase
Reply to  Heldentasse
5 Jahre zuvor

Vielleicht hat er sich beim Einmessen der Brücke in Genua, die Gaumensegel ramponiert …..

Heldentasse
Heldentasse
5 Jahre zuvor

In der Ost- Zone gab es doch auch mal einen (viele sagen „sudel“) Eduard beim dortigen TV. Der hat doch immer ganz offen vor den kapitalistischen Neppern, Schleppern und Bauernfängern gewarnt, und natürlich vor den eigenen Gauner- Genossen nicht. 😉

Ergo: Vielleicht ist es ja eine Masche im TV nicht vor dem wirklich wichtigem zu warnen, also was die Menschen direkt angeht, und das andere bewusst aus zu blenden.

Beste Grüße

Schnörch
Schnörch
Reply to  Heldentasse
5 Jahre zuvor

Im Nachhinein muß festgestellt werden: Er war näher an der Wahrheit als unsere heutigen Qualitätsmedien.

Drunter & Drüber
Drunter & Drüber
Reply to  Schnörch
5 Jahre zuvor

Jawohl! Eduard Zimmermann war die personifizierte Glaubwürdigkeit. Kleinere Missverständnisse sollte man immer mit einem liebenden Blick bedenken. Die sPD muss von der Bildfläche verschwinden. Gas-Gerd und der Andere vom 1. Weltkrieg müssen von der politischen Bühne gefegt werden. Dieses hatte schon Fr. Mäuseacker festgestellt! Wir wollen nicht mehr belogen werden, ja, wollen wir!

Aufgewachter
Aufgewachter
5 Jahre zuvor

Die größten Nepper, Schlepper und Bauernfänger sind doch wohl die Zinsmanufakturen!

In Anlehnung an die Ausstellung Körperwelten können nun auch neugierige Besucher auf dem Messegelände in Hannover die Bankenwelten bestaunen und nicht minder gruselige Überraschungen erleben … Für zartbesaitete Gemüter stehen mehrere Notärzte und Ruheräume in ausreichender Zahl zur Verfügung, einschließlich mehrerer Schockräume für Wiederbelebungsversuche.

Bankenwelten eröffnet
https://aufgewachter.wordpress.com/2018/08/15/bankenwelten-eroeffnet/

Erwin
Erwin
5 Jahre zuvor

OFF

Arbeitgeber lehnen Forderung nach Hartz-IV-Reform von Nahles ab

https://de.reuters.com/article/deutschland-arbeitslosenhilfe-idDEKCN1L50E3

Die sonst so volksnahe Malu auch

Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger – Malu Dreyer kritisiert Nahles-Vorstoß

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/spd-malu-dreyer-gegen-verzicht-auf-sanktionen-fuer-juengere-hartz-iv-empfaenger-a-1223989.html

Die Frau Nahles baut zum richtigen Zeitpunkt eine Startrampe für Wagenknecht auf. Mehr ist das nicht.

Hier mal eine Bilanz der NDS.

Andrea Nahles’ Bilanz als Ministerin … eine einzige Katastrophe

https://www.nachdenkseiten.de/?p=42504

Heldentasse
Heldentasse
Reply to  Erwin
5 Jahre zuvor

M.E. ist das was Frau Nahles im Kontext veranstaltet zynischer Theaterdonner! Gerade die Sozen haben doch die exorbitanten Sanktionen eingeführt, und gerade Frau Nahles hat sie jahrelang ignoriert bzw. diese sogar als notwendig dargestellt. Das die Sanktionen für jüngere, in dem aktuellen sogn. Sozialsystem, nach deren Denkansatz notwendig sind, ist zumindest noch ehrlich! Denn sonst würden die jungen Menschen nicht jede unterbezahlte (im ersten halben Jahr der Beschäftigung gilt der Mindestlohn nicht, danach ist man „raus“) Drecksarbeit annehmen müssen.

Ergo: Frau Nahles ist wie ein Krokodil welches Tränen vergießt über arme Menschen, deren Beine sie aber selber abgerissen hat. Wer den Verein noch wählt ist selber schuld.

Beste Grüße

https://www.youtube.com/watch?v=OA72Mss_z44

Kartoffelnase
Kartoffelnase
Reply to  Heldentasse
5 Jahre zuvor

M.E. ist das was Frau Nahles im Kontext veranstaltet zynischer Theaterdonner!

Nahles gibt den Chulz. Das Stück heißt: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass !

SPD-Erneuerung ohne Erneuerung.

Heldentasse
Heldentasse
Reply to  Kartoffelnase
5 Jahre zuvor

Leider gibt Frau Nahles nicht den Chulz. Denn den Purchen hat man ja politisch zu Poden geworfen!

Kartoffelnase
Kartoffelnase
Reply to  Heldentasse
5 Jahre zuvor

Das kommt noch. Die Seeheimer haben sie als nächstes Bauernopfer auf diesen Posten geschoben. Den Siggi haben sie auch so entsorgt. Das ist die Entsorgung in drei Stufen: Parteivorsitz, Kanzler in spe, Aufsichtsratsposten in Sibirien ……Bekannt auch als Sozen-Schleudersitz für Minderleister und Modernisierungsverlierer…

Schnörch
Schnörch
Reply to  Kartoffelnase
5 Jahre zuvor

zu gönnen wärs ihr, der vorsitzenDEEEEEEEEEEEEEEEEn

vdL soll endlich packen !
vdL soll endlich packen !
5 Jahre zuvor

OT

Hoffentlich genügen die “ Möbelexpertise für Kaseren “ und „Raketentests auf trockenem Moorboden“
jetzt um die Kriegstreiberin und Stümperin endlich aus dem Amt zu kegeln. Die Beratergeschichte war im
Übrigen seit etwa einem Jahr schon bekannt. SPON macht er jetzt „groß“ auf, wo es gar nicht mehr anders
geht. Die haben sehr lange die Hand über vdL gehalten….ALLE !!!!

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ursula-von-der-leyen-wehrressort-zahlte-bis-zu-150-millionen-euro-jaehrlich-an-berater-a-1229849.html