Facebook: Freiheitsgarant und Verfassungsorgan?

Nachdem man Storch und Weidel in den Netzwerken gelöscht und gesperrt und überdies sogar angezeigt hat, ging die Debatte um Meinungsfreiheit und Zensur wieder los. Dabei ist das Themenverfehlung. Man mag sich überdies zwar ins Fäustchen lachen, weil da sogar eine Anzeige im Raum steht, ob das aber nicht zu früh gelacht ist, warten wir wie immer ab.

»Artikel 5, Absatz 1, GG: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild bei Facebook frei zu äußern und zu verbreiten?«

Einer unserer Leser regte sich völlig nachvollziehbar bei Facebook auf, weil einer seiner Kommentare dort verschwunden war. Er hatte zuvor unter einen unserer Teaser zum aktuellen Tagestext gepostet und nach seiner Rückkehr an den PC war er weg. Vermutlich war das dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz geschuldet. Weshalb es so kam, konnten wir ihm nicht beantworten. Sein Kommentar barg eigentlich keinerlei Sprengstoff. Schade um die Tipperei. Er selbst sah da einen Angriff auf die Meinungsfreiheit am Werk, ja auch Zensur. Aber diese Einschätzung kann man nur schwerlich teilen, denn die Meinungsfreiheit ist eine staatliche Obliegenheit, sie ist keine, die in den Geschäftsbedingungen von Facebook garantiert wird.

Sicherlich kann man diese Löschpraxis, über die jetzt zunehmend User klagen, schlecht und auch fadenscheinig finden. Wahrscheinlich muss sich dieses krude Gesetz erst einspielen, um halbwegs vernünftig umgesetzt werden zu können. Das hoffen wir an dieser Stelle einfach mal optimistisch. Man wirft uns eh immer vor, dass wir zu pessimistisch seien, insofern bietet es sich ja an, uns hier mal ein bisschen auf Optimismus zu trimmen. Das ist pragmatisch, weil wir eh keine Wahl haben. Denn Facebook ist das private Angebot eines Unternehmens, das die User kostenlos in Anspruch nehmen können. Teuer erkauft ist diese Kostenfreiheit dann dennoch, immerhin machen wir uns alle berechenbarer und durchsichtiger durch sie. Facebook ist aber nicht die Größe, die Meinungsfreiheit zu garantieren hat. Und die ist auch nicht in Gefahr, wenn eine öffentliche Plattform Statements selektiert.

Ist Facebook jetzt sogar schon Freiheitsgarant?

Selbst wenn eine Plattform nach politischer Ausrichtung aussiebt, ist die freie Äußerung der Meinung nicht gefährdet. Das kann der Hausherr nämlich halten wie es ihm gefällt. Es muss ja keinen anderen gefallen, wenn man da so ein schlechtes Geschäftsmodell installiert – einen etwaigen Anspruch der Öffentlichkeit darauf, den Server der Plattform mit was auch immer füllen zu dürfen, der besteht jedoch nicht. Facebook ist lediglich ein Unternehmen. Und Unternehmen haben die Meinungsfreiheit in einem demokratischen Staat nicht sicherzustellen. Sie haben nur zu garantieren, dass ihr Angebot nicht mit strafrelevanten Inhalten überflutet wird. Wenn Angestellte eines Konzerns Inhalte löschen, dann ist das schlimmstenfalls fies, aber nicht das Ende der Meinungsfreiheit in Deutschland.

Sind wir schon so weit, dass wir uns Facebook als einzige Bastion der Meinungsfreiheit vorstellen müssen? Ein Konzern, dem wir uns alle freiwillig verschreiben, in dessen Angebotspalette wir nicht gezwungen werden, sondern in die wir freiwillig stolpern, soll das letzte Bollwerk sein? Geschäftsbedingungen ersetzen Verfassungsartikel? Wenn wir das echt denken, dann hat Facebook es wohl geschafft, dann hat die Konzernokratie einen weiteren Schritt in Richtung Machtergreifung getätigt. Natürlich kann man sich über eine solche Praxis ärgern. Aber wem es nicht gefällt, der kann Facebook ja künftig meiden. Aus dem Staat, in dem man lebt, kann man sich nicht so einfach ausloggen. Deswegen hat er Meinungsfreiheit in seinen Sphären zu garantieren. Weil man ihm nicht einfach per Abmeldebutton dem Rücken kehren kann, gelten da andere Standards.

Leute mit Vorurteile, die Opfer spielen und dabei rege Unterstützung bekommen

Natürlich irren sich in diesem Punkt viele Nutzer. Nicht nur die unbedarften Zeitgenossen. Besonders Leute wie Frau Storch und Frau Weidel nähren den Irrglauben, dass ihre Meinungsfreiheit deswegen in Gefahr ist, weil sie nicht mehr netzwerkerisch posten dürfen. Dabei können sie doch ihre Meinung ausposaunen. Diese Herrschaften sind doch führende Köpfe einer Partei, die ja auch mehrere Websites besitzt. Sind sie denn dort auch gesperrt? Erlaubt man ihnen vielleicht nicht, eine eigene Website anzumelden? War es nicht Frau Weidel, die aus einer Talkshow flüchtete und sich so der Verbreitung ihrer eigenen speziellen Meinung entzog? Oder hat man sie etwa mit dem Besen verscheucht? Wenn man nur eine dieser Fragen mit Nein beantworten kann, dann steht es doch gar nicht schlecht um die Meinungsfreiheit in diesem Lande, oder? Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Wo genau, sagt dieses Grundrecht nicht.

Ob die Anzeige gegen Frau Storch dann allerdings haltbar ist, das ist eine andere Frage, die uns wahrscheinlich nach Bearbeitung der Staatsanwaltschaft nochmal zum Thema der Meinungsfreiheit zurücklotst. Uns mag nicht gefallen, was Leute wie sie verbreiten. Aber man muss es aushalten können oder konstruktiv dagegenhalten. Was sie in der Silvesternacht in die Tasten klopfte, das fand ich dämlich bis ziemlich geschmacklos. Da zeigte sich, dass diese Frau nur in Rassismen denken kann. Aber das ist nun mal nicht verboten, solange man nicht zur Gewalt aufruft. Das genau wirft man ihr zwar jetzt vor, aber in ihrem Statement stand nichts davon, dass man sich bewaffnen sollte oder dergleichen. Sie legte nur ihr kümmerliches Weltbild dar und hielt Interpretationsspielraum offen. Das ist grundsätzlich erlaubt. Das ist Teil der Meinungsfreiheit, die wie jede gesetzlich garantierte Freiheit auch Schattenseiten hat.

Wenn der Staatsanwalt kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung von jemanden mit Vorurteilen findet, dann geht Frau Storch mal wieder gestärkt aus dieser Farce hervor und blüht auf als das Opfer, als das sie und ihre Parteikameraden sich gerne sehen. Wer dumme Meinung anzeigt, die nur dumm, aber nicht strafrelevant ist, der unterstützt diese Bagage – ob er will oder nicht.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Erwiderung auf den Artikel „Facebook: Freiheitsgarant und Verfassungsorgan?“ – neulandrebellen
6 Jahre zuvor

[…] Blogpartner Roberto veröffentlichte am 8. Januar 2018 einen Text zum Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG), in dem er anführte, dass die Meinungsfreiheit nicht gefährdet sei, nur weil Facebook […]

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Facebook: Freiheitsgarant und Verfassungsorgan? – Tagesticker.net
6 Jahre zuvor

[…] sogar eine Anzeige im Raum steht, ob das aber nicht zu früh gelacht ist, warten wir wie immer ab.Weiterlesen bei den neulandrebellen Lesen Sie auch: Jahresabschlussanalyse: Wir ehrlichen Makler Herzlich willkommen zur […]

Rudi
Rudi
6 Jahre zuvor

Roberto schreibt:
Denn Facebook ist das private Angebot eines Unternehmens, das die User kostenlos in Anspruch nehmen können.

So ist das. Nirgendwo hat jemand das Recht, auf privat betriebenen Seiten, auf denen man als Gast agiert, seine Meinungsfreiheit juristisch einzuklagen, wenn sein Posting rausgeflogen ist. Auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten machen davon täglich begründungsfrei Gebrauch. Nicht mal bei den Neuland-Rebellen wird das anders gehandhabt.

Dass die SPD ein Gesetz gemacht hat, das private Seitenbetreiber zwingt, bei Androhung hoher Geldstrafen Löschungen von Meinungsäußerungen vorzunehmen, wenn sie vermeintlich oder tatsächlich gegen die guten Sitten der Zivilgesellschaft verstoßen, löst zwangsläufig eine Strafvermeidungsstrategie der Eigentümer aus. Und diese besteht darin: Löschen, was das Zeug hält. Deshalb bedarf es keiner Justiz, tätig zu werden, wenn jemand seine Meinungsfreiheit, etwa auf facebook, unterminiert sieht.

Die Leserbrief-Praxis, die schon viele Jahre länger besteht, haben die papierenen Periodika bis heute problemlos überstanden. Sie können die Texte straffrei kürzen oder erst gar nicht veröffentlichen. Jemand, der mit einer gewissen Vernunft ausgestattet ist, käme nie auf die Idee, seine Meinungsfreiheit juristisch einzuklagen. Er hätte keine Chance.

Gerhard Roloff
Gerhard Roloff
6 Jahre zuvor

Tja, ob der Tom Wellbrock da aber die „Marktmacht“ und damit die „medienrelevante Wirksamkeit“ von Gesichtsbuch so richtig eingeschätzt hat, ich hab da so meine Zweifel!
Das wird wohl noch ein heißes Pflaster, auf dem derzeit der Zensor tanzt!