Ein guter Nachbar ist besser als ein ferner Freund

Unsere Gastautorin Mathilde van der Linden wohnt in einem ehrenwerten Haus: In jedem Stockwerk steppt der Wahnsinn – mal mit, mal ohne Maske.

Ein Gastbeitrag von Mathilde van der Linden.

Alle Bewohner unseres Hauses fahren mit der U-Bahn oder mit dem Fahrrad ins Büro. Nur der alleinstehende Nachbar direkt neben mir nicht. Der nimmt jeden Tag pünktlich um acht Uhr ein Taxi. Er arbeitet ja bei Goldman Sachs und – noblesse oblige.

Vor der sogenannten Pandemie waren wir per Du:

»Mathilde, hast du vielleicht eine Zitrone und Sprudelwasser für mich? Es hat mich erwischt«, schrieb er mir mal an einem Sonntag per WhatsApp. Das war noch in den Zeiten, in denen »es« nichts Besonderes war. Nichts, wofür man die Wirtschaft zerstören und die Gesellschaft spalten würde.

»Eine Zitrone habe ich nicht«, antwortete ich. »Nur Sprudelwasser.«

»Pelegrino?«

»Elisabethenquelle.«

»Okay, gerade noch akzeptabel. Ich klopfe in genau einer Minute und dreißig Sekunden an deiner Tür.«

Frau van der Linden macht die Post

Seit dem Winter 2020 war er offensichtlich in totaler Panik und er trug, sobald er aus der Wohnung kam, eine FFP2-Maske. Ich kann nicht ausschließen, dass er die sogar in der Wohnung auf hatte. Vielleicht war ihm mein nacktes Gesicht ein Affront – oder vielleicht eher meine maßnahmenkritischen »WhatsApp status updates«. Jedenfalls fing er irgendwann an, mich zu siezen.

»Frau van der Linden, können Sie sich um meine Post kümmern, während ich vom 8.8. ab 14 Uhr bis zum 27.8. morgens im Urlaub bin?«, schrieb er mir im Sommer 2022.

»Ja, klar«, antwortete ich ihm.

»Gut, ich lege in exakt einer Minute und dreißig Sekunden den Schlüssel des Briefkastens auf Ihre Türmatte.«

Ich öffnete meine Wohnungstür bevor er seine öffnete. Er erschrak, als er mich sah. Er streckte den Schlüssel des Briefkastens mit einer Hand nach vorne, während er seinen maskierten Kopf nach hinten bewegte.

»Wo gehst du hin?«, fragte ich ihn, nachdem ich den Schlüssel aus seiner Hand genommen hatte. Durch seine Maske konnte ich nichts verstehen, von dem was er mir zur Antwort murmelte.

»Hört sich gut an«, sagte ich darauf. »Viel Spaß!«

Ich meinte ein leises »Danke Ihnen!« zu hören, bevor er zurück in seine Wohnung verschwand.

Frau van der Linden hat alles unter Kontrolle

Am 20. August 2022 schickte mein Nachbar mir eine Nachricht: »Frau van der Linden, klappt es mit der Post?«

»Ernsthaft?«, dachte ich. Ich schickte ihm darauf ein Bild vom Stapel Financial Times und Börsenzeitungen auf meinem Büffetschrank mit der Unterschrift: »Alles unter Kontrolle.«

»Ausgezeichnet! Danke Ihnen«, schrieb er mir prompt zurück.

Weitere Nachrichten bekam ich nicht von meinem Nachbar, bis er mich am Nachmittag seiner Rückkehr schriftlich anfragte, ob es mich stören würde, wenn wir noch am selben Tag den Schlüssel- und die Postübergabe tätigen würden. Ich nahm nach Empfang der Nachricht den Stapel Zeitungen und den Schlüssel seines Briefkastens von meinem Büffetschrank und klopfte an seiner Wohnungstür. Nachdem ich ihn mehr als anderthalb Jahre nur mit FFP2-Maske gesehen hatte, war es eine Überraschung, ihn auf einmal wieder unmaskiert zu sehen.

»Wow«, sagte ich, »du siehst gut aus!« Das war keine Anmache, ich stehe nicht auf Banker, aber mein Nachbar sah sonnengebräunt und glücklich aus und das wollte ich würdigen. Er lachte und nahm eine Flasche Moët Chandon Rosé Impérial aus einer Tasche, die neben ihm stand.

»Für Sie, weil Sie sich so gut auf meine Post gepasst haben!»

Die Flasche Champagner war als Dankeschön natürlich völlig übertrieben, aber da ich gerade wieder auf seine Post aufpasse, hoffe ich doch, dass er mir diesmal keine Hafermilch statt Champagner schenkt.

Frau van der Linden kennt viele Verrückte

Eine Sekretärin namens Laura, die über ihn im vierten Stock wohnt, arbeitete auch eine Weile für Goldman Sachs. Ich habe die beiden Nachbarn nie miteinander reden sehen. Sie hat mir mal zugeflüstert, dass er, wie alle Goldman-Sachs-Mitarbeiter, ein Freak sei und dass sie froh war, nicht mehr bei Goldman Sachs zu arbeiten. Laura ist eine Amerikanerin, die mit einem herrlichen saftigen New Yorker Akzent Englisch spricht.

»SO YOU´RE ANTI-VAX!», brüllte sie an einem Tag laut vor unserem Haus. »Ich habe eine Cousine in den Vereinigten Staaten, die auch anti-vax ist. Aber, weißt du, ich bin weder für noch gegen die Impfung. Ich lasse mich einfach impfen, weil ich ohne Test zum Frisör möchte.« Laura ist sehr dumm, aber entwaffnend ehrlich. »Was kann man da machen?», fügte sie noch hinzu. Wenn all die Leute, die sich das abgefragt haben, einfach nicht mitgemacht hätten, dann wäre die sogenannte Pandemie schon im Sommer 2020 vorbei gewesen.

Trotzdem mag ich die dumme Laura, weil sie mit lautem Sex Frauke im fünften Stock  wachhält, wie Frauke mir mal offenbarte. Frauke hat selbst während der Pandemie ihr Doppelbett für ein Einzelbett ausgetauscht, weil sie das Kapitel »Männer« für abgeschlossen betrachtete. Bei der Neugestaltung ihres Schlafzimmers half ihr eine andere Amerikanerin namens Shannon. Obwohl ich damals noch mit Frauke und Shannon befreundet war, war meine Hilfe bei der Neugestaltung des Schlafzimmers unerwünscht: Ich war ja nicht bereit eine Maske in Fraukes Wohnung zu tragen.

Frauke und Shannon arbeiten beide im Bereich der Vielfalt und Integration, oder auf Neudeutsch, »Diversity and Inclusion (D&I)«. Sie beschäftigen sich also mit Diskriminierung, Frauenquoten, LGTBQI+, Mikro-Aggressionen usw. Fraukes größte Sorge war die Tatsache, dass sie eigentlich nur mit anderen weißen Frauen befreundet war, obwohl D&I ihre Leidenschaft sei (ihre Worte). Okay, sie hatte eine chinesische Freundin, aber die wohnte inzwischen wieder in China, und Shannon meinte, dass eine Freundin, die weit weg in China wohnt, eigentlich kein Beweis von D&I im Privatleben sein kann. Das fand ich sehr streng.

Frau van der Linden hat mehr erwartet

Trotz ihrer Angst vor dem Klimawandel, hatte Frauke nämlich mit einer ihrer Schwestern eine Flugreise nach China unternommen, um die chinesische Freundin zu besuchen. Um die CO2-Bilanz der Reise auszugleichen, teilten sich Frauke und ihre Schwester im Hotel in Shanghai nur ein Handtuch während des ganzen Aufenthaltes. Vielleicht hatten wir deswegen einen regnerischen Sommer dieses Jahr. Jedenfalls meinte Shannon, dass sie was Besseres, als eine chinesische Freundin, hatte: einen Freund, der »African-American» war, anscheinend das Beste, das es in D&I-Kreisen gibt. Dank der Kolonialgeschichte der Niederlande habe ich selber eine Familie, in der quasi alle Ethnien und Religionen vertreten sind. Worüber wir in unserer Familie kaum reden, wahrscheinlich weil D&I nicht unsere Leidenschaft ist, ist ethnische Herkunft und Religion.

Meine Freundschaft mit Frauke und Shannon endete, weil ich mit ihrem Hygienetheater, wie Picknicks im Park auf anderthalb Meter Abstand, nicht mitmachen wollte. Was mich noch am meisten an den beiden stört, ist, dass zwei Menschen, die fixiert auf Mikro-Aggressionen sind, die Makro-Aggression der Coronamaßnahmen einfach hingenommen haben. Ich erwarte nicht von einem Mitarbeiter von Goldman Sachs, dass er sich mit dem Effekt der Coronamaßnahmen auf die Kinder oder die Ärmsten dieser Welt beschäftigt. Von Menschen, die sich beruflich mit Diskriminierung und Vielfalt beschäftigen, hätte ich aber mehr erwartet, als eine reine Fixierung auf das körperliche Überleben der Büroklasse der westlichen Gesellschaft.

 

Mathilde van der Linden ist Buchhalterin aus den Niederlanden. Sie arbeitet und wohnt in Frankfurt am Main.27

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Gastautor

Der Inhalt dieser Veröffentlichung spiegelt nicht unbedingt die Meinung der neulandrebellen wider. Die Redaktion bedankt sich beim Gastautor für das Überlassen des Textes.

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Brian
Brian
7 Monate zuvor

Nette lebensnahe Geschichte mit nettem Plot. Könnte nur den kleinen Webfehler haben: der GS-Mitarbeiter, der sich schon um 8 Uhr morgens
im Taxi zu Goldmann Sax in Ffm. abfährt … also kein leitender GS-Mann.
Nur ´ne untere Charge.

Mensch
Mensch
Reply to  Brian
7 Monate zuvor

Quatscht! Von wegen untere Charge!

Vor der Bankenkrise hat der noch in einer Villa im Speckgürtel von Frankfurt gewohnt und ist täglich mit dem Hubschrauber ins Büro!

…und wo immer der gute G&S-Mann morgens um 8 Uhr mit dem Taxi hingefahren ist, nur ganz sicher nicht ins Büro. Der war zu der Zeit zum Homeofficen verdonnert.

Ich tippe auf einen zu der Zeit illegalen BDSM-Club, wo er statt unsicherer FFP2-Maske, Ganzkörperlatexanzug plus Gasmaske tragen konnte…

Juergen Wehrse
Reply to  Mensch
6 Monate zuvor

Vor einigen Tagen habe ich mich Dir gegenüber, Mensch, komplett im Ton vergriffen. Ich bitte um Entschuldigung. Aufrichtig und ehrlich!

All das hat natürlich verschiedene Ursachen.

Dennoch: da bin ich zu weit gegangen und bedauere diesen „Ausfall“. Sehr!

Berthold Kogge
Berthold Kogge
7 Monate zuvor

Warum lebt man als Niederländerin in der BRD? Selber schuldikowa

Mensch
Mensch
Reply to  Berthold Kogge
7 Monate zuvor

Bei ‚ ner Vollarschgeige wie Dir, kommt bei mir nicht die Frage auf, warum Du wo auch immer auf dem Planeten wohnst.

Jede Wette, selbst am sprichwörtlichen Arsch der Welt würdest Du noch irgendwelches Getier, dessen Ruhe Du störst, nerven!
Ab dem Mond und noch besser extrmst viel weiter weg, wäre in Ordnung 🙂

Berthold Kogge
Berthold Kogge
Reply to  Mensch
7 Monate zuvor

Du gehörst zwangsgeimptt. Du glaubst doch eh, dass eine Niederländerin Teil der großen Flüchtlingswelle war!

Mensch
Mensch
Reply to  Berthold Kogge
7 Monate zuvor

Uhiiiiii, es war nicht nötig Dein jämmerliches Vollarschgeigendasein nochmals zu bestätigen.

….aber nun gut, geht wohl als Vollarschgeige gar nicht anders?

Ach so, mit dem Glauben habe ich es nicht so. Insbesondere mit dem Glauben an abgrundtief geistig verdorbene Spitzenpolitiker der Grünen nicht. Das Feld überlasse ich Dir.

Als Niederländerin ist sie übrigens EU-Bürgerin, sodass sie innerhalb der EU leben und arbeiten kann wo es ihr passt. Ganz egal ob es Dir passt und woran Du glaubst.

BTW: Mastubierst Du eigentlich auf Bilder und Videos von Annalena, Ricarda und Emilia?

Berthold Kogge
Berthold Kogge
Reply to  Mensch
7 Monate zuvor

Du kleine Emo—Trunsel hast meinen Post nicht verstanden Als Niederländerin müsste sie es gar nicht. Ob Verwaltung oder Rente, das Land ist stark! Es geht nicht um die Bilder der Grünen Damen, welche (anders als Du Emo): mir durchaus politisch näher sind als Du Spinner! Es geht um Deinen Faltenarsch. Steht er mir im Weg, brichst er durch!

Mensch
Mensch
Reply to  Berthold Kogge
7 Monate zuvor

….und es geht immer weiter mit dem erbärmlichen, jetzt gar schon drohenden Geschreibsel der Vollarschgeige🤣

Berthold Kogge
Berthold Kogge
Reply to  Mensch
7 Monate zuvor

Was war daran drohend? Stehst Du mir im Weg, stehst Du nicht lange, Emo!

Brian DuBois-Guilbert
Brian DuBois-Guilbert
Reply to  Berthold Kogge
7 Monate zuvor

@ Oma Antonaldo/Koggenarsch/Superdumpfbacke

Wir wären alle miteinander unheimlich glücklich und zufrieden, wenn du Hampelmann dir E N D L I C H mal selbst den Stecker zögest.

Berthold Kogge
Berthold Kogge
Reply to  Brian DuBois-Guilbert
7 Monate zuvor

Ich wäre glücklich, von Dir besoffener Kröte würde mal etwas kommen