Gegen Burnout hilft ein Sabbatical, liebe Krankenschwester!
Nicht die Arbeitswelt hat sich durch die Millennials verwandelt – nur ein Teil der Arbeitswelt hat das. Dass das bei »Spiegel Online« pars pro toto genommen wird, dokumentiert die Spaltung des Arbeitsmarktes. Und wie das etablierte Bürgertum den eigenen Mikrokosmos zur allgemeinen Situation klittert.
Der Soziologe an sich braucht Schubladen. Er hat es nicht so leicht wie der Biologe, der Gattungsbegriffe anwenden und mit ihnen hantieren kann. Also entwirft sich eine moderne Soziologie, eine die was auf sich hält, gleich mal Überbegriffe. Und weil der Soziologe anders, als der Biologe, ein genügsamer Mensch ist, begnügt er sich mit diesen Überbegrifflichkeiten. Er scheut daher die Mühe, sich noch Untergattung und Untersektionen zu ersinnen. So ein Begriff für eine ganze Generation: Das muss aber reichen! Baby-Boomer, Generation X, Generation Y aka Millennials – Soziologie kann hin und wieder wirklich einfach sein. Besonders wenn sie verallgemeinert und zusammenfasst. In diesen Momenten macht sie sich ihre eigene Nichtgenauigkeit als Wissenschaft bewusst. Ganz besonders dann, wenn der Medienbetrieb die Simplifiziernungen unkommentiert aufgreift, um damit nette Titelgeschichten zu konstruieren.
Ein Jahr Pause? Nur zwei Minuten die Pause zu überziehen gibt schon Stunk!
Wie neulich bei SPON, als man beschreiben wollte, wie sehr diese Millennials, die Generation derer, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurde, die Arbeitswelt verändert hätten. Diese Nachfolger der Yuppies hatte ganz andere Vorstellungen: »Sie wollen Sabbaticals statt Dienstwagen, Sinn statt Beförderungen. Und Chefs, die mehr coachen als kontrollieren.« Im Management eines großen Konzerns sitzen, dort Ressourcenmanagement betreiben, was heißen kann: Handel mit Hölzer aus dem Regenwald – und trotzdem Entwicklungshelfer sein können: So haben sich die Millennials ihr Leben vorgestellt. Selbstverwirklichung zwischen all den Sachzwängen. Freier Wille im Getriebe der Willenlosigkeit der totalen Marktwirtschaft. Sich nicht entscheiden müssen, die Globalisierung und ihre Verwerfungen genießen und dafür etwas zurückgeben: Ein Sabbatical-Jahr zum Beispiel, das man dann im Niger-Delta verbringt, um dort Schlangenkopffischbestände zu zählen.
Die rhetorische Frage, die jetzt natürlich gestellt werden musste, wurde gleich mit in den Teaser gegossen: Was haben diese Millennials eigentlich erreicht auf dem Arbeitsmarkt? Antwort im Text: Natürlich viel – denn wäre dem nicht so, gäbe es keinen Grund für einen Artikel bei SPON. Gleitzeit, Teilzeit, Elternzeit und Sabbaticals seien längst in vielen Betrieben etabliert. (Wobei es eine Frechheit ist, die Teilzeit als soziale Errungenschaft zu feiern. In Einzelfällen ist Teilzeit von Arbeitnehmern gewollt – aber viele würden gerne mehr arbeiten.) Homeoffice entlaste die Pendler und trage zum Wohlbefinden bei. Die Arbeitgeber hätten nämlich erkannt, dass sie Arbeitszeit flexibler gestalten müssen, auch im Hinblick darauf, dass die eigene Belegschaft auch nach Feierabend noch hie und da mit dem Arbeitspensum beschäftigt sein soll. Die Übergänge von Arbeits- und Freizeit zu verwischen: Hmmm – eine ganz große Leistung von den Millennials.
Da wird sich der Kommissionierer beim Online-Händler aber freuen, wenn es ihm zu viel wird, einfach mal raus an die Luft, tief durchatmen. Sein Arbeitgeber sieht es gerne, wenn er seine Arbeitskraft reaktiviert durch solch kleine Auszeiten. Und wenn es ihm auf Dauer zu viel wird: Warum denn kein unbezahltes freies Jahr und die Welt sehen? Dort trifft er dann all die anderen Jahresbefreiten, die etwas Gutes tun wollen: Krankenschwestern, Lieferanten und Putzleute. Wenn in Burundi Brunnen gebohrt werden – sind sie alle da.
Berichte von der Insel gutsituierter Seliger
Da hat SPON mal wieder ein bombastisches Stück Distinktion geliefert. »So haben die Millennials die Arbeitswelt verändert« titeln und dann so tun, als sei die Lebens- und Arbeitswirklichkeit einer im Grunde relativ kleinen Schicht gutsituierter Damen und Herren das Abbild der Arbeitswirklichkeit im Lande. Während Frau Greiner, die den Text für SPON verbockt hat, noch von Win-Win-Situationen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schwadroniert, von freien Jahren und flexiblen Arbeitszeitmodellen, erlebt der Großteil der arbeitenden Menschen im Lande ganz andere Veränderungen, die gar nichts mit diesem Eiapopeia zu tun haben. Ihre Arbeitswelt unterscheidet sich massiv von den Beschreibungen in dem Erbauungselaborat. Ein Kommissionierer, der in einem riesigen Hochregallager arbeitet und dabei auch noch mies verdient, kriegt kein freies Jahr angeboten. Eine nur leicht überzogene Pause wird ihm schon als Arbeitsverweigerung unterstellt. Toilettengänge werden kontrolliert und Stückzahlen sind unbedingt zu schaffen. Mit netten Geben und Nehmen als Grundpfeiler der Zusammenarbeit zwischen Chef und ihm geht da gar nichts. Da wird genommen und nicht gegeben.
Was sollte er auch mit einem freien Jahr? Wie sollte er sich in der Zeit finanzieren? Rücklagen aus seinem Lohn wird er wohl keine generiert haben. Gleitzeit in der Pflege, mal eben nicht zum Schichtwechsel kommen, weil das gerade der Work-Life-Balance guttun würde: Träumt weiter! Und bei den Lieferdiensten, bei GLS und Hermes, wetten dass dort die Bosse nicht coachen, sondern mehr denn je kontrollieren und Druck erzeugen? Aber davon keine Spur in dem Text, der uns eine schöne neue Arbeitswelt beschreibt, in der es keine Verlierer gibt.
Wieder mal so ein Bericht von der Insel gutsituierter Seliger, von bessergestellten Arbeitnehmern, meist schon vorab aus bessergestellten Familien stammend – zusätzlich Bildungsgewinner und Erbschaftsanwärter. In deren Sphären gibt es all die Erscheinungen nicht, die das moderne Gesinde, aber auch der Arbeitnehmer im Normalarbeitsverhältnis mittlerweile aushalten muss. Was die Realität der Millennials an ihrem Arbeitsplatz beschreibt, zeigt im Grunde nur die Spaltung der Gesellschaft, die sich auch immer stärker in den Arbeitsverhältnissen dokumentiert. Unter den Gebeutelten des Arbeitsmarktes, im Hochregallager oder beim Anliefern, sind auch viele, die zeitlich zu den Millennials passen würden. Auch sie sind irgendwann nach 1980 geboren – und dennoch haben sie nichts von diesen lebensfrohen Gimmicks, die man als Errungenschaften der Millennials feiert. Ganz im Gegenteil.
Am Ende versteht man dann im Qualitätsmedium wieder mal nicht, warum viele da draußen meinen, es sei bloß eine Lügenpresse, die die Abläufe im Lande darstelle.
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Anscheinend hat die gute Frau Greiner, wie auch sehr viele andere Journalisten, den Blick zur Realität verloren. Wahrscheinlich leben diese in ihrer kleinen Blase und können sich kaum noch in die Lebenswirklichkeit außerhalb ihrer Schicht hineinversetzen.
Das ist auch meine Beobachtung: Viele aus der etwas besser gestellten Schicht, können absolut nicht nachvollziehen wie die Lebenswirklichkeit der meisten durchschnittlichen Arbeiter & Angestellten, Niedriglöhner und Arbeitslosen aussieht. Entsprechend wirken „gut gemeinte Ratschläge“ für diese äußerst befremdlich, um es mal gelinde auszudrücken.
Zum Thema Homeoffice:
Natürlich wäre es eine gute Sache, gerade wenn es um das leidige Thema Pendeln geht. Jedoch wird dieses wieder garantiert so gestaltet, dass es die im Text beschriebenen Nachteile für den Angestellten bringt.
Dabei wären die Nachteile, wie Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit u.ä., mit wenigen gesetzlichen Vorgaben leicht zu unterbinden bzw. regulieren.
Wirklichkeitsfremd? Ich arbeite überwiegend von Zuhause!
Letzteres glaube ich kaum…. Ich glaube die allermeisten würden lieber deutlich weniger arbeiten und wesentlich mehr Freizeit haben… Jedoch spielt dabei die durchschnittlich beschissene Bezahlung in Deutschland nicht mit.
Obwohl wenn ich so manche mit ihren absolut krankhaften Arbeitsethos sehe…
Hi, gute Idee, das Homeoffice! Ich hätte oft auch gerne von zu Haus aus gearbeitet….mit dem Joystick vor dem PC meinen Bus durch Wiesbaden gesteuert, ein kühles Weizenbier dazu und im TV läuft gerade „Speed“….
@ChrissieR: Geht natürlich nicht für jeden, aber für rund 60 Prozent aller Büroarbeitsplätze… Für diese würde es reichen einmal die Woche zu pendeln. So mache ich das auch durchschnittlich.
Oh, ich hatte vergessen, die Taste “ Ironiemodus“ zu drücken…aber Fakt ist, dass die politischen Sesselfurzer aller Genres immer von Bürojobs, noch dazu gut bezahlten, ausgehen. Wenn jeder im Büro arbeiten würde, na ja…dann würden wir Papier fressen…
18 Millionen aller Jobs in Deutschland sind Bürojobs… Als Homeoffice-Arbeit kämen davon ca. 60 Prozent zumindest zeitweise in Frage.
Homeoffice klingt gut. Aber wenn dann die freizeitlichen Gefilde zur Arbeitszeit werden, vermischen sich Welten, die man besser getrennt hält.
Und Millionen Pendler in ihren eigenen Autos sind besser? Wenn es eine Alternative dazu gibt, sollte man alleine aus Umweltschutzgründen drauf verzichten.
Homeoffice kann man durch einfache Regeln beschränken. Beispielsweise durch zeitliche Erreichbarkeitseinschränkungen der Firmenserver.
Es wäre nur eine Frage der Gesetze und deren entsprechender Einhaltung.
Ich habe ein paar Jahre entsprechende Erfahrung diesbezüglich und ich finde das toll so zu arbeiten. An durchschnittlich vier Tagen in der Woche arbeite ich von Zuhause aus.
Ich bin mir übrigens relativ sicher, dass deine 60 Prozent viel zu hoch gegriffen sind.
Wenn das Modell für dich greift, freut mich das. Alleine ich vertraue nicht darauf, dass dieses Modell als Massenphänomen (was ja gar nicht möglich ist, aber theoretisch gedacht werden kann), so gesunde Umtriebe nährte.
Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft fährt dein Bus von selbst. Da kannst du dann zwischen Weizen und TV dein ALG 2 im Homeoffice beantragen.
Wenn ihr kein Brot habt, esst doch Kuchen!
Da trink ich lieber ein Bier!!!
Danke, hervorragend auf den Punkt gebracht. Insel der Seligen, fürwahr…
[…] Und wie das etablierte Bürgertum den eigenen Mikrokosmos zur allgemeinen Situation klittert.Weiterlesen bei den neulandrebellen Lesen Sie auch: Rabotten gehen: Mensch von Beruf Der Robo-Cop war ein feuchter Fortschrittstraum […]
@Heldentasse: Wo bleiben Deine Kommentare, wenn man sie mal braucht? ?
Na ja, das trifft es aber noch nicht richtig. Ich hätte mich da noch etwas schärfer ausgedrückt …
Fallmanager : „So so, Sie können also nicht für uns arbeiten?“
Erwerbsloser : „Was heißt können nicht? Ich darf nicht!“
Fallmanager : „Und warum dürfen Sie das nicht?“
Erwerbloser : „Weil ich einen Bund mit Gott geschlossen habe.“
Fallmanager : „Versteh´ ich nicht.“
Erwerbsloser : „Dann erkläre ich es Ihnen.“
Fallmanager : „Ich bitte darum.“
weiterlesen … (Satanisten sollten nicht weiterlesen!)
Erwerbsloser konfrontiert Fallmanager mit GOTT
https://aufgewachter.wordpress.com/2018/03/22/erwerbsloser-konfrontiert-fallmanager-mit-gott/
Gegen Burnout hilft nur der gelbe Schein (AU)
Es war einmal ein kleiner frecher Junge, der wollte nie gehorchen und nur widerwillig lernen. Da es für ein Abschlusszeugnis nie gereicht hatte und auch die Bundeswehr ihn nicht haben wollte, wurde er vom Berufsinformationszentrum (BIZ) eingeladen und befragt, was er denn mal gerne machen würde. „Auf keinen Fall arbeiten“, war seine Antwort. Seit dem sitzt er, wie rund 120.000 Arbeitsverweigerer auch, völlig sanktionsfrei bei der Agentur für Arbeit in Nürnberg als Arbeitsvermittler mit BAT Ia brutto 3.833,99 Euro/Monat zuzüglich Sanktionsprämien vor einem Computer, der völlig automatisch arbeitslose Menschen schriftlich vorlädt, um vermeintliche Arbeitsverweigerer ausfindig zu machen und ihnen die finanzielle Lebensgrundlage zu entziehen in einer Welt in der die Maschinenarbeit den Mensch als Arbeitskraft fast vollständig ersetzt hat.
Neulich beim BIZ: „Nur 40.000 statt 1,5 Millionen freie Stellen“
https://aufgewachter.wordpress.com/2018/03/25/neulich-beim-biz/
Ja, die Insel der gutsituierten Seligen ist ein schöner Begriff.
Es funktioniert auch! Alles, was die Seligen dazu brauchen, sind Unselige. Die rudern, nachdem ihr schönes Schiff untergegangen ist, in ihren Rettungsbooten zwischen den Inseln hin und her und liefern Pakete von Amazon bis Zalando aus. Zweigeteilte neue Welt
Alles im Niedergang, man
Markus (https://der-5-minuten-blog.de)
Im dritten Teil von „Ich, einfach unverbesserlich“ gibt es eine Szene, in der die Minions per Ballon aus dem Knast ausbrechen. Oben sitzen einige erster Klasse, sie singen und genießen die Luftfahrt. Untendran hängt eine Tasche voller durcheinandergewürfelter Minions. Die Kamera schwenkt runter, kein Gesang mehr, nur Stöhnen. Ein gutes Bild, eine schöne Metapher eigentlich.
Übrigens, Markus: Melde dich mal per Mail bei uns.