Über die Relativitätstheorie der Armut
Leben wir nicht in einem goldenen Zeitalter? Arm – wer ist das heute noch? Selbst die Armen sehen aus wie »Reiche light«, wie KiK-kostengünstig eingekleidete Besserverdiener. Wer wohnt bei uns schon in Wellblechverschlägen und fischt sich Lebensmittel aus dem Abfall? Das gibt es in Deutschland gar nicht. Armut ist daher für viele Beobachter gar kein Terminus mehr, den man gebrauchen könnte. Sie ist aus der Mode gekommen, weil der heutige Wohlstand der Armut gar keinen Spielraum mehr lässt. Wer hungert denn bitte ernstlich? An einer Appendizitis verendet doch bei uns keiner. Armut ist abgeschafft – Deutschland macht weiter so.
Armut und Reichtum sind doch immer relativ zum sozialen Umfeld und zur Gesamtgesellschaft eines Landes / Region zu verstehen. Selbst sog. absolute Armut ist relativ. Was macht bspw. Bill Gates nur mit 3 Geldkoffern ausgestattet bei nem Eingeborenenstamm am Amazonas?
Messbar machen kann man das bspw. an den Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe.
na ja, wenn die gesellschaft, an der man teilhaben können soll, selbst völlig verarmt, sprich verschuldet, mittellos, ausgeblutet ist, dann ist teilhabe nicht wirklich erstrebenswert. in nouakchott, der malerischen haupt- und hafenstadt mauretaniens heißt teilhabe nur mangelverteilung, außer vielleicht an malaria, da herrscht nicht so der mangel.
>>..unter seiner Herausgeberschaft erschienen…<<
Ich bin bloß froh, dass ich weder so rede noch schreibe.
Wir sind alle froh, dass du nichts zu sagen hast und nichts schreibst.
Richtig, wir alle. Wahrscheinlich sind damit alle die gemeint , die noch viel weniger zu sagen haben und das schreibend kompensieren wollen.
In den letzten 2-3 Jahrzehnten konnte man sozusagen politisches Rebranding des Armutsbegriffes erleben. Hat man früher die gesellschaftliche Teilhabe als Maßstab und Ziel des politischen Handelns gesehen, ist es mittlerweile die Existenzsicherung. Und auch auf diesem gesenkten Standard wird noch massiv Kritik geübt und zeitliche („vor 100 Jahren“ oder „in den 50er Jahren“) oder geographische („ein Bulgare kann von einem Lebensstandard eines HartzIV-Empfängers nur träumen“) Vergleiche herangezogen, die unsere unteren 20% zeigen sollen, als die unteren 20% die am besten Ort in bester Zeit leben. Auch für sie. Dazu kommt ja noch eine Art friendly fire vom Caritasverband im Streit um die Deutungshoheit des Armut (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/georg-cremer-von-der-caritas-kein-bohei-um-armut-14493750.html). Aber auch der armutsskeptische Herr Cremer fordert 60-80 Euro mehr im Monat für die Empfänger der Grundsicherung oder Hartz IV. Somit kann man wohl sagen, dass die *Untergrenze* der Armut hier, die auch von wohlwollenden Skeptikern geteilt wird, bei etwa 480-500 Euro pro Monat nach der Miete liegen dürfte.
Da bleibt also die Definition der Grenze, ab der man nicht mehr arm (oder meinetwegen „armutsgefährdet“) ist. Außer Frage steht, dass es nicht einfacj ist, weil regionale Unterschiede und unterschiedliche Bedarfe die Vergleiche erschweren. Ich würde plädieren für eine Kombination aus dem was nach den absolut notwendigen Fixkosten verbleibt und der Möglichkeit, Vermögen zu bilden. Könnte sein, dass unterm Strich die Zahl höher ist, als die 15,7% des Wohlfahrtsverbandes.
In einem Kilometer Radius etwa 7 Flaschenpfand sammelnde Alte, sowie min. 3 Müll-tauchende Rentner – die sich alle, oft auch lautstark um Ihre Beute streiten und die u.A. verelenden, weil Krankenkassen in 2017 nicht mehr alle Krankheitskosten mittragen.