Im Schulz-Endeffekt: Festgefahren!

Schulz-Effekt: Vor einigen Monaten war das der Moment, an dem die Sozis glaubten, sie zögen sich am eigenen Schopf aus der Misere. Heute meint er etwas anderes: Die Verfestigung der Sozialdemokratie in politischer Bedeutungslosigkeit.

Alter Schulz-Effekt (Stand: I. Quartal 2017)

Am Anfang dieses Jahres gab es ein neues Wort im Duden des politischen Feuilletons: Den Schulz-Effekt. Damit waren die verbesserten Zahlen bei den Demoskopen gemeint, das prozentuale Gleichziehen mit der Union und die Hoffnung der Sozialdemokraten, als Partei doch wieder eine Rolle in diesem Lande zu spielen. Nicht als Steigbügelhalter, sondern als diejenigen, die in den Sattel steigen. Der Schulz-Effekt meinte eine Dynamik, die in Gang kam und von der man vermutete, sie hänge entweder mit dem rhetorischen Talent des Namensgebers zusammen oder aber mit dessen Glaubhaftigkeit – wahrscheinlich aber mit beidem.

Er sprach ja auch viel von Gerechtigkeit, sozialer Gerechtigkeit genauer gesagt. Davon Menschen nicht mehr aufzugeben, sie wieder ins Boot zurückzuholen. Besonders die hart arbeitenden Menschen sollten nicht die Zeche zahlen müssen. Recht viel mehr kam da nicht, konkreter wurden seine Absichten selten formuliert. Seine Taten jedoch, oder besser gesagt seine Pläne, unterstrichen dann nur eines: Da passen Reden und Vorhaben nicht so richtig zusammen. Kaum hatte er beispielsweise die neoliberalen Zwänge auf einem internationalen Treffen von sozialdemokratischen Parteien thematisiert und so die Sozis zu Getriebenen stilisiert, segnete man ohne Not die ersten Schritte zur Privatisierung der Autobahn ab.

Neuer Schulz-Effekt (Stand: III. Quartal 2017)

Vom Schulz-Effekt spricht heute keiner mehr. Dabei gibt es einen neuerlichen Schulz-Effekt, der mit dem Begriff von vor sechs Monaten gar nichts mehr Qualitatives gemein hat. Der heutige Schulz-Effekt ist ein Zustand der Agonie, der Verfestigung einer Partei in ihrer eigenen Unzulänglichkeit – und das in einem Klima des gekünstelten Aufbruchs. Schulz war nicht der messianische Retter, die eschatologische Oase nach langen Wüstenjahren, sondern er hat sich im Laufe dieses Jahres als unvorstellbares Missverständnis erwiesen. Der mit 100 Prozent ausgestattete Aufbruch war ein hundertprozentiger Einbruch, der sich gut als etwas Gegenteiliges verkappt hat. Der Schulz-Effekt war ein fataler Höhenrausch ohne Karabiner. Er ist so heimtückisch, weil er mit der Aussicht auf eine Erfolgsgeschichte in noch tiefere Agonie stieß.

Jetzt läuft die SPD Gefahr, bei der Bundestagswahl in knapp vier Wochen, schlechter abzuschneiden als 2009. Damals erreichten die Partei gerade mal 23 Prozent der Stimmen – das war das schlechteste Ergebnis aller Zeiten. Mittlerweile verstetigt der Schulz-Effekt die SPD bei Umfragen bei 22 Prozent. Aus dem prognostizierten »So-gut-wie-lange-nicht-mehr« ist ein »So-schlecht-wie-nie-zuvor« geworden.

Im Schulz-Endeffekt

Die SPD hat sich festgefahren. Natürlich war sie das vor Schulz bereits, auch ein Kanzlerkandidat Gabriel hätte keine Wahl für sich entscheiden können, wäre aber auch nie der Abklatsch eines Hoffnungsträgers gewesen, womit etwaige enttäuschte Hoffnungen vermieden wären. Schulz muss man zum Vorwurf machen, dass er seine ohnehin strauchelnde Partei nur intern wachküsste. Innerhalb der Sozialdemokratie ist die Schwärmerei ausgebrochen und hat die Resignation verdrängt. Wo der Sozi vor Monaten noch mit der Republik haderte, weil er sich nicht richtig gewürdigt sah, obgleich die Politik seiner Partei Deutschland angeblich so wettbewerbsfähig machte, obwohl sie den Mindestlohn brachte, da schwärmt er heute für den Geist des Aufbruchs, packt an, glaubt an den Wahlsieg und betrachtet Schulz als einen Lebensspender.

Kurz gesagt, im Schulz-Endeffekt hat der Mann seine Partei im Dämmerzustand verewigt, ihr ein Fundament in der Bedeutungslosigkeit der Bundespolitik gegossen, den Krisen-Sozis keinen Ausweg aus ihrer Misere aufgezeigt, sondern ein Arrangement mit derselben. Schulz ist als Aufbruch gescheitert und endete im Abfinden mit der Situation. Bei Gabriel wusste selbst die SPD-Basis, dass der eigene Verein in einer Krise steckt; Gabriel war die inkarnierte Krisenhaftigkeit der Sozialdemokratie. Sah man ihn, so wusste selbst der Besitzer des roten Parteibuches, dass man in schlimmen Zeiten steckte. Bei Schulz ist diese Gewissheit aufgeweicht. Zwar scheint die SPD weiter abzugleiten, einen neuen Negativrekord einzuleiten, aber irgendwie ist es, als klingen in den Ortsvereinen trotzdem die Glöckchen der Seligkeit und keiner merkt so richtig, wie die SPD mehr und mehr an Rückhalt verliert.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Mordred
Mordred
7 Jahre zuvor

Jeder kann im Wahlomat einen wichtigen Grund sehen: Ich glaube, egal wer den Wahlomat macht, CDU und SPD liegen immer nahe beieinander.

Schmidts Katze
Schmidts Katze
7 Jahre zuvor

Lachhaft.
Wir holen einen abgehalfterten Strippenzieher aus Brüssel, präsentieren ihn als neues Gesicht, und ganz Deutschland merkt das nicht und wählt ihn zum Kanzler.
Das soll die Strategie gewesen sein?

Ich glaube, die SPD ist einfach mit der Rolle als Juniorpartner zufrieden.
Etwas Unruhe kam ja auch erst auf, als sich zeigte, daß es auch für Schwarz-Gelb reichen könnte.

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[…] 4. September 2017 Schulz-Effekt: Vor einigen Monaten war das der Moment, an dem die Sozis glaubten, sie zögen sich am eigenen Schopf aus der Misere. Heute meint er etwas anderes: Die Verfestigung der Sozialdemokratie in politischer Bedeutungslosigkeit.Weiterlesen bei den neulandrebellen […]

Jarek
Jarek
7 Jahre zuvor

Schulz wurde in der ersten Wochen von wirklich allen gelobt. Sogar von Focus und faz. Manche haben ihm sogar regelrecht gehuldigt, wie Heribert Prantl von der SZ oder die Linksliberalen der taz. Es war einfach zu viel und es kam teilweise von den unerwarteten Absendern, um einfach nur Zufall gewesen zu sein. Letztendlich hätte wohl jeder gewusst (wissen müssen), dass der Mann nie Kanzler wird und sein Wirken sich höchstens in einer Junior-Rolle unter Merkel maximieren kann. Also, was sollte das? Ich glaube, dass der Politikbetrieb und die Medien uns durch Martin Schulz beweisen wollten, dass in diesem Land noch politisch gestritten und gefochten wird, dass alternative Konzepte jenseits der Alternative vorliegen und diskutiert werden. Die Aufmerksamkeit sollte sozusagen weg von den Rändern wieder auf die politische Mitte gelenkt werden.

Alfons
Alfons
7 Jahre zuvor

Es geht im Endspurt noch um Profanes, um die Stimmen der Frauen die
bekanntlich 50% der Bevölkerung ausmachen. Frauen wählen aus
Prinzip keine Männer mit Glatze, Brille und Bart wenn da nicht richtig
was kommt. Schulz hat nichts zu bieten, außer zu unterbieten,
und das wird das BTWahlergebnis von 2009 sein. Steinmeier hat
es damals als SPD-Kanzlerfallobst auf 23% gebracht.

Die Deutschen wählen ja Personen und keine Parteien.

Anton
Anton
7 Jahre zuvor

Es ist doch so, wähle ich Union- wähle ich die Beamten , wähle ich die SPD, wähle ich die Sinnlosmaßnahmen beim JC und arbeitsls werden kann ja jeder, ausser ?

Harald
Harald
7 Jahre zuvor

Bei dieser BTW kann man sich das Politbarometer anal einführen
und in vier Jahren wieder herausziehen ! Mit dem Wahlomat ist es ähnlich.

Forsa ist mal ehrlich. Forsa gibt die Nichtwähler und Unentschlossenen
in ihren Umfragen an.
Von 2503 Befragten waren am 06.09.17, 28% Nichtwähler und Unentschlossene.

Von 2503 Befragten waren 700 !!! Wahlberechtigte aus dem Rennen oder Viele
davon im Geiste bei der AfD.

http://www.wahlrecht.de/umfragen/forsa.htm

Die AfD ist gefährlich. Die ist noch gut für 13-15% !

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