Mein lieber Scholli! Ich hab‘ von Tennis keine Ahnung – soll ich trotzdem drüber schreiben?

Was mag Stefan Winterbauer geritten haben, als er sich bei MEEDIA über Mehmet Scholl echauffiert hat?
Gute Frage, aber fangen wir woanders an.

Nämlich bei der Inkompetenz des Herren Winterbauer. Die schreibt er sich selbst auf die Fahne:

All dies hat mir als ausgewiesenem Nicht-Fußballkenner nie eingeleuchtet.

Was mit „all dies“ gemeint ist? Nun, Scholls fußballerischer Sachverstand, seine „Ecken und Kanten“, seine witzigen Sprüche. Kann Winterbauer alles nicht nachvollziehen. Und ist daher froh, dass Scholl jetzt nicht mehr bei der ARD ist. Der habe schließlich einfach in den ARD-Programmablauf eingreifen wollen.
Klären wir das mal eben.

Die Tatsache, dass Scholl Dinge sagt wie „Italien ist ein unangenehmer Gegner“ oder auch „Geh mir weg mit Statistiken!“, nun, das mag jemanden, der sonst Kant zum Frühstück und Hegel zum Schlafengehen verschlingt, in der Tat verwundern. Allerdings ist das so im Fußball. Man gibt Weisheiten von sich, die irgendwie zum Thema passen, aber nicht unbedingt zur Weiterentwicklung der Zivilisation beitragen. Die Frage ist daher gar nicht, was gesagt wird, sondern wie. Und eben auch: von wem. Und Scholl gehört ganz sicher zu den angenehmen externen Kommentatoren, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu bieten hat. Pardon: zu bieten hatte.

Punkt 2: Scholls Humor. Den findet Winterbauer doof. Das ist in Ordnung. Scholl ist sicher kein Böhmermann oder Pispers. Trotzdem kam seine Art an, und wenn man ihm eines nicht unterstellen kann, dann, dass er leere Worthülsen benutzt, die langweiliger sind als ein Fußballspiel zwischen Deutschland und Österreich, das sich in atemberaubenden Tempo 1982 in Gijón im Mittelkreis abspielte. Scholl hat tatsächlich seine Ecken und Kanten, und genau das zeichnet ihn im aktuellen Konflikt mit der ARD aus.

Womit wir bei Punkt 3 wären: Winterbauers Unterstellung, Scholl habe in den Programmablauf der ARD eingreifen wollen. Die wollte partout über Doping im russischen Fußball berichten und Scholl dazu befragen. Abgesehen davon, dass diese Doping-Story wohl schon fünf Jahre alt ist, hatte Scholl zuvor auch immer dankend abgelehnt, wenn es um Stellungnahmen zum Doping ging. Und – jetzt kommt‘s – Scholl hat nicht etwa in die Programmgestaltung eingreifen wollen, sondern darum gebeten, den Bericht zu senden, wenn er nicht Bestandteil der Sendung sei.

Das kann man natürlich als versuchten Eingriff sehen. Man kann es aber auch anders bewerten. Nämlich als Versuch der ARD, Scholl zu einem Thema zu bewegen, das er ablehnt, und zwar nicht erst seit gestern. Zudem Scholl klar gesagt hatte, dass das Thema Doping ein ernsthaftes ist und hart bestraft werden müsse, wer dope.

Vermutlich wurde der Fall zum Publikumshit, weil es um russisches Doping ging. Und sich Scholl ausgerechnet dagegen aussprach, bei der Stimmungsmache mitzumachen Auch wenn wir gar nicht wissen, ob es so war.

Was wir allerdings wissen, ist, dass Stefan Winterbauer keine Ahnung von Fußball hat, wie er ja offen einräumte. Dann allerdings über Fußballerisches in einer leicht arroganten Art und Weise zu schreiben, ist keine gute Idee, eine ziemlich schlechte Idee sogar. Und ich bin außerdem der Meinung – die ist aber nicht in Stein gemeißelt, weil Meinungen das nie sind -, dass die ARD absolut nicht froh sein sollte, dass Scholl nun weg ist. Denn durch seinen Weggang wird es ein bisschen trister in der Berichterstattung. Nicht viel, aber ein bisschen schon.

Ich selbst habe übrigens keine Ahnung von Tennis. Das ist nicht schlimm, hat aber zur Folge, dass ich nicht über Tennis schreibe. Es könnte peinlich werden. [InfoBox]

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Tom J. Wellbrock

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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Zofi
Zofi
7 Jahre zuvor

Meine erste große Liebe, eine Frau, nä…..sieht heute, nach dreißig Jahren, aus wie Günter Netzer.
Mehr kann ich diesem Thema nicht abgewinnen. Fußball hat auch viel mit Glück zu tun.
Außerdem kosten die Promifußball-Live-Experten die Rundfunkgebührenzahler sinnlos
viel Geld. Da wird unter Sport, als teure Unterhaltung, eine zusätzlich sinnfrei teure
Subunterhaltung geschaltet. Mehmet und Günter, die überteuerten Pausenclowns
greifen die Kohle ab, die bei rundfunkstaatsvertraglichen Themen an allen Ecken und
Enden, angeblich fehlt.
Nee, das Runde muss ins Eckige……und wenn nich, seh ich das selbst…Da brauche ich
keine Experten für.

musil
musil
7 Jahre zuvor
Reply to  Zofi

ein typisches argument der kritiker von sport- bzw. im speziellen fußballübertragungen: die kosten.
was ihr aber immer gerne (und wahrscheinlich wissentlich, denn fußball-ablehner sind ja deutlich gebildeter als fußball-liebhaber) unter den tisch fallen lasst: die einnahmen durch diese übertragungen. insgesamt wirft die fußball- bzw. sportberichterstattung einen ordentlichen batzen gewinn ab.
damit werden andere hervorragende formate mitfinanziert. wenn man diese einnahmequelle versiegen lässt, dann kann sich jeder vorstellen, welche sendungen und programme eingestellt werden (müssen).

jowi
7 Jahre zuvor

Vor Beginn der Übertragung vom ersten Halbfinale zwischen Portugal und Chile berichtete die ARD über Dopinganschuldigungen gegen Russland. Das missfiel Scholl offenbar.

http://www.tagesschau.de/sport/scholl-103.html

So passiert es halt einem, der nicht „auf Linie“ ist. Mit Fußball hat das rein gar nichts zu tun.
Hut ab Mehmet Scholl, du hattest Rückgrat und deshalb hast du nun keinen Job mehr bei der ARD, die meine Gebühren bekommt, egal wie sie sich verhält. Deshalb können sie auch so arrogant sein.

Jan
Jan
7 Jahre zuvor

Scholl ist schon früher durch Beteiligungen an „unbequemen“ politischen Aktionen aufgefallen ( zB bei einer symbolischen Häuserrenovierung in München, die sich gegen die Viertel-Gentrifizierung richtete) Zudem ging die Trennung wohl gestern von ihm aus und er verzichtete damit auf sein üppiges Jahresgehalt und Einsatzprämien pro Spiel. Das macht nicht jeder, der von unserer Gesellschaft mit so vielen Privilegien ausgestattet wurde.

GrooveX
GrooveX
7 Jahre zuvor
Reply to  Jan

die ard versucht ihr gesicht zu wahren; angesichts ihres unsäglichen faktencheckaufrisses ein ziemlich jämmerliches verfahren! man sollte sie laut auslachen, wo immer man sie trifft. andererseits, es muss da doch noch reste von rationalem personal geben. wo sind die geblieben? warum haben die alle kreide gefressen, kröten geschluckt, maul halten gelernt? das war doch mal dezent anders!

ThomasX
ThomasX
7 Jahre zuvor

Ist täglicher Aufguss (hier bspw. durch Sukram und Ableger) über Dinge zu schreiben, von denen man keine Ahnung hat, nur vorgibt diese zu haben oder ganz unverblümt sogar selbst sagt, dass die Übersicht fehlt.

Insofern: „Im Wes(en)t(lich)en nix Neues.“

Geht ja auch um Meinungen. Und die hat Jeder. Zu Allem! Neu ist nur, dass man diese auch allen anderen aufdrängen kann. Gewollt oder nicht. Sch…egal.

Danke jedensfalls wieder für die tolle Medienkritik. Unsere „Echsperten und Spetsialisten“ werden es dankbar annehmen. 😉

Robbespiere
Robbespiere
7 Jahre zuvor
Reply to  ThomasX

@ThomasX

Kritik kann wunderbar bereichernd sein, wenn sie durch andere Sichtweisen zum Überdenken der eigenen Positionen anregt.
Was ist deine Sichtweise?

Rudi
Rudi
7 Jahre zuvor

Scholl hat wohl die Zeichen der Zeit erkannt und das sinkende Fußballschiff der ARD verlassen. Über welche Bolzveranstaltungen dürfen die öffentlich-rechtlichen Anstalten künftig noch berichten? Das Kapital hat sich derart konzentriert, dass die Kapitalisten gar nicht mehr wissen, wohin mit dem Geld, mit dem sie täglich um sich schmeißen. Sie kaufen sich nicht nur Gemälde, deren Preise sie schon längst über die 100-Millionen-Grenze-getrieben haben. Sie kaufen neuerdings Fußball-AGs und Fußballer in ähnlichen Preishöhen, um mit ihnen Geschäfte und Politik zu machen. Nicht zuletzt verfügen sie über eigene Medien, mit Hilfe derer sie über das Gekicke berichten lassen.
Viele Hartz-Vierer und auch ich haben erkannt, dass der Mythos der elf Freunde, die für ihren Verein kämpfen und leben, endlich auf breiter Ebene gekippt ist. Beckenbauer und Co. werden an den Trinkhallen und Würstchenbuden als das bezeichnet, was sie sind: „…“. Ihr könnt’s euch denken. Der Netiquette wegen lass ich’s bei den Punkten.

GrooveX
GrooveX
7 Jahre zuvor
Reply to  Rudi

trinkhallen und würstchenbuden und fußballexperten im jahre des herrn 2017? wer hat denn dieses bild aus dem staub gezogen?

widdewiddewidd

Rudi
Rudi
7 Jahre zuvor
Reply to  GrooveX

GrooveX: wer hat denn dieses bild aus dem staub gezogen?

Irgendwo muss man seine Weisheiten herhaben. Bisher habe ich keine differenziertere, glaubwürdigere Quelle der Erkenntnisse über Fußball auftun können. Trinkhallen- und Würstchenbudengänger sind meine Philosophen des Alltags. Die klare Sprache verbunden mit einer emotionalen Geste, die weder Etikette noch Netiquette sich zum Hindernis macht, bringt Weisheiten zutage, die von Fußball- und Automanagern nicht erwartet werden können.

GrooveX
GrooveX
7 Jahre zuvor
Reply to  Rudi

jaja, natürlich.

aquadraht
aquadraht
7 Jahre zuvor

Schöner Artikel. Aber: Keine Ahnung haben und trotzdem darüber schreiben, ist das nicht die Definition von Mainstreamjournalismus?

lotton
lotton
7 Jahre zuvor

Eigentlich egal um welche Sportart es geht. Sobald sie eine bestimmte Größe, eine relevante Größe erreicht hat, mutiert sie zu einem Event das die größtmögliche Kapitalkonzentration belohnt. Sponsoren, Fernsehen, Medien alle bestimmen mit und der talentierte Kicker wird zu einem Werbeträger, der darüber hinaus auch noch Fußball spielt. Wenn man an einen Sportler aus dem Fernsehen denkt, dann kommt einem eigentlich selten der Weg in den Sinn, den dieser ging, um nach „ganz oben“ zu gelangen.

Man denkt primär an die mit ihm verbundene Werbung als Fernsehfigur. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar wenn ein Ahnungsloser gerne mitreden würde. Denn dieser Sport ist im Oberhaus zum großen Teil verkauft. Es geht weniger um Scholls Feingefühl, es geht um harte Münze.

Robbespiere
Robbespiere
7 Jahre zuvor

Möglicherweise hat Mehmet Scholl ja noch etwas von dem, was in dem folgenden Artikel vermisst wird:

https://www.jungewelt.de/artikel/316235.notwendiger-eigen-sinn.html

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