Die Kriminalitätsstatistik in Zeiten des Wahlkampfs

Viele Medien reagierten geschockt auf den Bericht zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2016, die Bundesinnenminister de Maizière am 24. April 2017 vorlegte. Die Zahl tatverdächtiger Zuwanderer stieg um 50 Prozent an, sie sind überrepräsentiert in der Verbrechensstatistik, besonders bei Delikten wie Taschendiebstahl oder Gewaltkriminalität auffällig. Die Warnungen populistischer Gruppen, dass die Zuwanderung eine Welle von Kriminalität über Deutschland bringen würde, schienen sich zu erfüllen. Doch man sollte bedenken, dass Wahlkampf ist, und der Bundesinnenminister sich gegen den politischen Feind auf der Linken in Position bringen muss. Doch wenn man sich die Zahlen genauer ansieht, bleibt von der Welle krimineller Zuwanderer nicht viel übrig. Im Einzelnen:

Deutschland wird sicherer:

  • Die Zahl der Straftaten in Deutschland ist um 0,7 Prozent zurückgegangen, wenn man ausländerrechtliche Verstöße außen vor lässt, die sich aus der Art der Zuwanderung automatisch ergeben.
  • Selbst wenn man diese Verstöße dazu zählt, stieg die Zahl der Straftaten nur um 0,7 Prozent an.
  • Gleichzeitig stieg die Zahl der Menschen, die hier leben, um 1,2 Prozent.
  • Die Zahl der Fälle pro 100.000 Einwohner sank von 7.797 auf 7.755.

Mit anderen Worten: es leben mehr Menschen in Deutschland, ohne dass die Zahl der Straftaten im gleichen Maß anstieg.

Sind Zuwanderer krimineller als Andere?

Doch wie ist der Anstieg der tatverdächtigen Zuwanderer zu deuten? Die Frage ergibt nur einen Sinn, wenn man die Grundgesamtheit kennt. Laut dem Bericht sind hier Tatverdächtige erfasst, die den Aufenthaltsstatus „Asylbewerber“, „Duldung“, „Kontingentflüchtling/Bürgerkriegsflüchtling“ und „unerlaubt“ haben. Wie viele davon leben in Deutschland? Wie hat sich ihre Zahl 2016 entwickelt? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten.
Fest steht: Ende 2015 erhielten rund eine Million Menschen Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz. Im Jahr 2016 wurden weitere 722.000 Erstanträge auf Asyl in Deutschland gestellt. Man kann also davon ausgehen, dass die Grundgesamtheit, aus der die Tatverdächtigen der Gruppe „Zuwanderer” stammen, ebenfalls deutlich gewachsen ist.
Ein weiteres Indiz ist die Tatsache, dass der Anstieg der in Deutschland lebenden Menschen nur vom Zuzug herrührt: die „deutsche Wohnbevölkerung” sank 2016 um rund 150.000, die Zahl der nichtdeutschen stieg um rund 1,2 Millionen Menschen – ein Plus von fast 10 Prozent. Parallel weist die polizeiliche Statistik einen Anstieg der nichtdeutschen Tatverdächtigen um 10,9 Prozent aus. Ihr Anteil ist möglicherweise nur angestiegen, weil ihre Zahl gestiegen ist.

Weiterhin ist die Zahl der Tatverdächtigen nicht gleich die Zahl der Täter, und die Verteilung der Tatverdächtigen auf die Bevölkerungsgruppen muss nicht der Verteilung der Täter entsprechen. Wie der Kriminologe Dirk Baier in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt, spielen die Anzeigenbereitschaft der Bevölkerung und die Aufklärungsarbeit der Polizei eine Rolle dabei, wie Tatverdächtige ermittelt werden. Nach den Vorfällen der Silvesternacht 2015/2016, dem Medienecho und dem Druck auf die Polizei, mehr für die Sicherheit im Bereich von Vergehen durch Zuwanderer zu tun, ist ein Anstieg der Tatverdächtigen in diesem Bereich zu erwarten. Wären gleichzeitig mehr Verbrechen verübt wurden, müsste man tatsächlich von einer Welle der Kriminalität durch Zuwanderer vermuten. Doch das ist nicht eindeutig der Fall:

Delikte wie Ladendiebstahl (minus 3,3 Prozent), Taschendiebstahl (minus 2 Prozent), Wohnungseinbrüche (minus 9,5 Prozent), die oft mit Zuwanderern assoziiert werden, gingen deutlich zurück. Die Straßenkriminalität ging um 0,9 Prozent zurück, ebenfalls Betrugsfälle (minus 7 Prozent).

Kein einheitliches Bild bei der Verbrechenslage trotz Hochstand bei den Asylanträgen

Wollte man einen kausalen Zusammenhang zwischen Zuwanderern und Kriminalität nachweisen, sollte die Entwicklung relativ einheitlich sein. Doch selbst wo die Fallzahlen einzelner Delikte zunehmen, fällt es schwer, einen kausalen Zusammenhang nachzuweisen. So stieg etwa die Gewaltkriminalität um 6,7 Prozent an, Vorsätzliche Einfache Körperverletzung um 8,9 Prozent. Insgesamt wurden hier 42.500 Fälle mehr gezählt als 2015. In diesem Bereich machen, wie die Statistik zeigt, Zuwanderer einen überproportional großen Anteil aus – und doch ist der Anstieg der Fälle geringer als der der Zahl der Zuwanderer.

In welchen weiteren Sparten nahmen die Fallzahlen zu? Es sind Straftaten gegen das Waffengesetz (plus 14,8 Prozent), Widerstand gegen die Staatsgewalt (plus 11 Prozent), Beleidigung (plus 7,3), Urheberrechtsverletzungen (plus 7,2 Prozent), Rauschgiftdelikte (plus 7,1 Prozent), und Sachbeschädigung (plus 3,4 Prozent). Ist das ein klares Bild von Vergehen, die besonders typisch für Zuwanderer sind? In puncto Waffengesetz sind 2016 eher Reichsbürger in die Schlagzeilen geraten, und in Zeiten zunehmend aufgeheizter politischer Demonstrationen dürften viele Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Beleidigung von Deutschen begangen worden sein.

Wer sich die Zahlen der Statistik näher ansieht, sollte sich Sorgen machen – aber nicht wegen der Zuwanderer. Die befürchtete Kriminalitätswelle ist ausgeblieben. Im Gegenteil: es wurden weniger Verbrechen verübt. Wollte man zur Übertreibung neigen, könnte man behaupten: mehr Zuwanderung hat uns 2016 sicherer gemacht.

Bedenklich ist aber die zunehmende Gewalt, verbunden auch mit dem Anstieg von Verstößen gegen das Waffengesetz und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Die Statistik politisch motivierter Straftaten (die in der Kriminalstatistik nicht erfasst sind) hat 2016 neue Rekordwerte erreicht. Das Wahljahr 2017 wird sicher nicht friedlicher (auch de Maizière erwartet das nicht). Ganz gleich, von wem der Anstieg der Gewaltverbrechen ausgeht (und es ist zweifelsohne wahr, dass Zuwanderer hier ihren Anteil haben) – es ist eine Aufgabe aller in Deuschland lebenden Menschen, der Gewalt entgegen zu treten. Auch durch die Staatsgewalt, viel mehr jedoch durch Gespräch und ziviles Engagement.

Die Erfahrung mit den Flüchtlingen vom Balkan in den 90er Jahren zeigt, dass ein Anstieg von Gewaltdelikten durch Kriegsflüchtlinge ein Preis ist, den eine Gesellschaft für das Aslyrecht zahlt (siehe auch Punkt 4 der “Zehn Thesen gegen den Populismus”). Doch laut Dirk Baier ist er durch geeignete politische Maßnahmen in den Griff zu kriegen. Vielleicht sollten solche Programme 2017 auch für Deutsche unternommen werden.

Über den Autor:
Michael Erle (Jahrgang 1972) ist Autor, Musiker, PR-Pro und Journalist. Seine Veröffentlichungen erstrecken sich über verschiedene Genres, von Science Fiction und Fantasy über Triller bis hin zu Musical-Libretti. Aufgewachsen und verwurzelt ist er in der Schotterebene zwischen Augsburg und München. Durch seine zweisprachige Erziehung und die Beschäftigung der weltumspannenden Fusion in der modernen Musik findet sich das Thema von Sprachbarrieren und deren Überwindung in vielen seiner Texte wieder.

Anmerkung der neulandrebellen: Die Inhalte des Artikels spiegeln nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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22 Gedanken zu „Die Kriminalitätsstatistik in Zeiten des Wahlkampfs

  • 18. Mai 2017 um 8:14
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    Wollte man einen kausalen Zusammenhang zwischen Zuwanderern und Kriminalität nachweisen, sollte die Entwicklung relativ einheitlich sein. Doch selbst wo die Fallzahlen einzelner Delikte zunehmen, fällt es schwer, einen kausalen Zusammenhang nachzuweisen.

    Seit wann beweisen Statistiken überhaupt Kausalitäten? nach meinen Verständnis werden mit diesem Werkzeug höchstens Korrelationen festgestellt, wobei man dabei aus Unkenntnis oder gar Böswilligkeit zu groben Fehlschlüssen kommen kann.

    Weitere Infos dazu hier.

    Beste Grüße

    • 18. Mai 2017 um 12:26
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      Moin Heldentasse

      ..d’accord und damit ist auch schon alles gesagt.

      cheers

      • 18. Mai 2017 um 13:21
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        Naja, alles noch nicht … schon gar nicht von jedem. 😉

        Auf der anderen Seite muss man feststellen, wer solche Statistiken weshalb erhebt und wie auswertet. Die Misere jedenfalls, als Bundesinnensicherheitsoberhaupt, muss da natürlich sein Ressort schützen und die schlechtest mögliche Auslegung wählen. Immer hin geht es doch um unser aller „SICHAAAHEIT!“ Und ohne diese werden wir alle „STÖÖRBÖÖÖN!“ *causaningeletcpp*

    • 18. Mai 2017 um 13:31
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      Dein Einwand ist natürlich berechtigt, und der Autor sollte sich nächstes Mal um eine bessere Formulierung bemühen. Genau genommen können Statistiken nichts „beweisen“ (im mathematischen Sinne), sie stellen numerische Modelle von Tatbeständen der wirklichen Welt dar, und abhängig davon, wie wahrheitsgetreu diese Umwandlung tatsächlicher Vorgänge in ein numerisches Modell stattfindet, erlaubt es Einsichten über den betrachteten Bereich der Wirklichkeit.

      Der Artikel ist gleichwohl nicht schlecht, und die Beobachtungen darin sind wohl zutreffend. Man könnte sie sogar weiter akzentuieren: Die Mehrzahl der 2015/16 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge und Asylbewerber sind junge Menschen (teilweise Kinder) männlichen Geschlechts. Diese Alters- und Geschlechtskohorten stellen in jedem Land die überwiegende Mehrzahl der strafrechtlich Auffälligen. Die Zahlen der PKS legen nahe, dass sich die neu Zugewanderten gesetzeskonformer verhalten haben als der vergleichbare Bevölkerungsdurchschnitt.

      Ich finde das durchaus erwähnenswert, vor allem angesichts der Agitation über eine „Flüchtlingskrise“.

      • 21. Mai 2017 um 13:04
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        Stimmt natürlich; Statistiken sind nicht Beweis einer Kausalität (zur Unterhaltung siehe auch http://www.tylervigen.com/spurious-correlations) – doch sie werden in der öffentlichen Debatte so verwendet. Deswegen finde ich es wichtig, die Zahlen genauer und kritisch zu hinterfragen, immer eingedenk der Tatsache, dass es bei allen sozialwissenschaftlichen Statistiken einen großen Unsicherheitsfaktor gibt.

      • 21. Mai 2017 um 0:53
        Permalink

        Gehen Sie mit Ihrem rechtsradikalen Scheißdreck hier weg!

        • 21. Mai 2017 um 13:54
          Permalink

          Joker: Stalinisten sollten sich nicht als Tugendwärter aufspielen, ihr bekommt keinen Menschen satt!

  • Pingback:Die Kriminalitätsstatistik in Zeiten des Wahlkampfs – Tagesticker.net

  • 18. Mai 2017 um 15:50
    Permalink

    Wer ist der Gastautor?

    • 19. Mai 2017 um 12:08
      Permalink

      Wer lesen kann ..

      Über den Autor:
      Michael Erle ..

  • 21. Mai 2017 um 11:03
    Permalink

    Kriminalitäsbekämpfung gehört zu den wichtigsten Aufagebn staalichen Handelns! Versteht eine Partei dies nicht, wird sie bei Wahlen nicht führend abschneiden können! SPD und Grüne haben in NRw gerade bei diesem Thema leider versagt! Kampf gegen Rechts als wichtigster Bereich ist mehr als peinlich!

    • 21. Mai 2017 um 13:05
      Permalink

      Deine AfD-Kacker werden nichts daran ändern, dass
      Menschen als Effizienz-Hindernis zum Drücken der
      Staatsquote ausrangiert werden.
      Polizisten, Richter, Staatsanwälte malochen heute
      für zwei, demnächst für drei und anschließend für
      sinkene Gehälter.

      Die provinziellen AfD-Stoffel müssen ihren Law-
      and Orderstaat, unter den gegebenen Bedingungen
      erst mal finanzieren. Da bleibt der Wunsch, Vater
      aller Gedanken.

      • 21. Mai 2017 um 13:52
        Permalink

        Die AFD, soltest Du mich meinen, halte ich für eine Alternative, keine Herzensangelegenheit! Im dt. öffentlichen Dienst werden weltweit die besten Gehäter gezeigt, die Arbeitsbelastung, anderes Thema!Sicherheit ist ein Grundbedürnis!

        • 21. Mai 2017 um 15:26
          Permalink

          Sicherheit ist ein Grundbedürnis!

          Was ist unsicherer als früher ? Wer bedroht uns ?
          Wer erzählt uns das ? Warum erzählt er uns das ?

          Dein Problem ist, dass du eine labile Persönlichkeit bist
          die jeden Unfug glaubt und deshalb leicht zu manipulieren
          ist.

          Die Gefahr geht von einem sich verselbstständigendem
          System aus das sich aller demokratischen Steuerungsmöglichkeiten
          entzieht.

          Der Angreifer auf der Straße ist ungefährlich. Dem weicht man aus
          oder haut ihn um wenn er einen nicht ausweichen lässt.

          Geh mal tief in dich. Schau mal nach woher deine Ängste wirklich stammen.

          • 21. Mai 2017 um 16:13
            Permalink

            Klein-anton ist ein kleiner, verhärmter Pimpf und Pfostenmichel, der sonntags in Sandalen mit weißen Socken in den Tempel rennt. Er glaubt alles, was Schleppmuhl im Heute-Journal faselt oder aus der ARD-Gniffke-Muppetshow kommt.
            Ein perfekter Drückeberger mit Blockwart-Mentalität, der Angst vor seinem eigenen Schatten hat.

          • 21. Mai 2017 um 17:14
            Permalink

            Kaum jemand kann sich diesem Sperrfeuer entziehen. Neun von zehn Nachrichtenmeldungen sind negativ. Wir bezahlen 17,50 € pro Monat
            um permanent in Angst und Schrecken gehalten zu werden. Nur
            Geisterbahn ist billiger. Bei diesem Dauerfeuer ist es mehr als selbstverständlich das sich Ängste verselbstständigen.
            Irgendwann vermischen sich begründete Ängste mit Irrationalismen,
            dann schwimmen Abstiegsängste, Versagensängste neben Naturkatastrophenpanik und Fremdenangst im Topf. Was dann gerade rausgefischt wird, weiß niemand so genau.

            Ach so, die Bundeswehr wurde in Polen als Stolperdraht festgeknotet damit
            die NATO zündet wenn der Russe drüber stolpert.

            „Die ARD war vor Ort und hat sich das mal angeschaut.“

          • 21. Mai 2017 um 17:50
            Permalink

            „BILD berichtet exclusiv“

          • 22. Mai 2017 um 11:11
            Permalink

            Anton C.: Das Werfen von Steinen und das Blockieren der bösen AFD ist natürlich ganz-ganz mutig! Ihr Figuren seid der Grund, relativ eindeutig, warum die Linken politisch unbedeutend bleiben! Es geht um Mehrheiten, stupid!

          • 22. Mai 2017 um 19:09
            Permalink

            @ klein-anton
            mir scheint, dass du ein paar zuviele Steine an die Murmel bekommen hast, als du da mit deinen AfD-Lutschern die Landschaft verschandelt hast – oder vielleicht noch nicht genug…?

          • 22. Mai 2017 um 11:14
            Permalink

            Michi: wer hat Dich beauftragt, 10-Cent Analysen über andere Personen zu erstellen! Gilt das Ausweichen auch für die bösen Rechten, dem der arme Flüchtling auch ausweichen könnte!

          • 22. Mai 2017 um 12:17
            Permalink

            Dieser Blog wurde sozialdemokratisiert.

            Gehen Sie weiter – Hier gibt es für Nationalsozialisten nichts zu sehen !

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