Rabotten gehen: Mensch von Beruf

Der Robo-Cop war ein feuchter Fortschrittstraum aus den Achtzigern. Die Robo-Whore und die Robo-Nurse stehen als künftige Realität hoch im Kurs der allgemeinen Panikkultur. Sie machen Pflegerinnen und Pfleger und sie machen Prostituierte arbeitslos. Ob das so stimmt?

Ein Gespenst rabottet um

Erwin Pelzigs neues Abendprogramm »Weg von hier« ist wirklich empfehlenswert. Im zweiten Teil des Abends kommt er auf Roboter zu sprechen, auf das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Er hält sein Handtäschchen fest umklammert und erzählt von Sex- und Pflegerobotern und wie Arbeit wohl bald wegfallen würde. Was ja auch gut sei, wer will schon für Geld mit notgeilen Männern ins Bett oder von Dekubitalgeschwüren geplagte Körper hochheben und umbetten? Doch auch wenn es freilich positiv ist, dass solche Arbeit wegfalle, fällt halt letztlich eben Arbeit weg: Und damit der Lebensunterhalt für viele Menschen. Bevor wir jetzt vom Grundeinkommen reden – das Pelzig ebensowenig behandelte -, sollte man überlegen, ob grundsätzlich Arbeitsplätze wegfallen oder ob sie sich nur wandeln. Neue Berufsfelder würden in einer Robotergesellschaft ganz sicher zwangsläufig entstehen müssen. Und nicht bloß auf technischer Ebene.

Von der Angst vor der Arbeitslosigkeit liest man derzeit viel, wenn es um die Berichte aus der Roboterindustrie geht. Der Mensch sieht sich überflüssig werden, vielleicht auch ein bisschen gefährdet. Zwar wird der Roboter nicht gegen die Menschen in den Krieg ziehen und ihn terminieren, wie es in Hollywood schon desöfteren dargestellt wurde. Aber man setzt sich der Gefahr der Abhängigkeit aus, wird zum Spielball einer Stahlkonstruktion, die ihre Informationen cloudbasiert abruft und den Menschen, den er als Kunden oder Patienten, in jedem Falle aber als jemanden, der eine Dienstleistung in Anspruch nehmen möchte, nicht nach Einzelfall begutachtet, sondern auf Grundlage des »Wissens der Vielen«. Dort ist der Einzelfall die Abstraktion vieler abgelegter Datensätze in der Cloud. Ist das ethisch, wenn ein Dienstleister seinen Fall nicht von Fall zu Fall wahrnimmt, sondern als Berechnungsmuster? Und was, wenn falsch berechnet wird?

Ethik und die chronische Würdelosigkeit

Sicherlich ist vieles, was derzeit kolportiert wird, noch Zukunftsmusik. Aber es ist die Melodie aus einem Zeitalter, das nicht mehr ganz so weit entfernt sein dürfte. Die Frage bei jeder intakten Roboterinbetriebnahme wird lauten: Wer haftet eigentlich? Was, wenn ein Pflegeroboter stets zuverlässig umbettet, füttert, Tabletten reicht und Körperwerte für die Dokumentation erfasst, aber an einem Tag einen »Fehler macht«? Kann er philosophisch und endlich auch juristisch Fehler machen wie ein Mensch? Und wenn ja, wer übernimmt die Verantwortung? Überhaupt muss man sich fragen, ob algorithmisch arbeitenden Systeme, die ihren Datenbestand durch Vernetzung stets erweitern und ausdehnen, die durch »Erfahrung« lernen und zum Beispiel Medikation anhand der Messungen selbst berechnen, wirklich fehlerhaft arbeiten? Denn die Messung irrt sich ja nie – Menschen messen und kommen am Ende trotzdem durch ihre emotionale Begabung dazu, anders zu agieren als es die plumpe Zahl vielleicht vorgibt. Ein Roboter aber? Woher nimmt er die Empathie? Kann ein nicht empathisches System Fehler machen im Sinne ethischer Betrachtungsweisen?

Roboter werden ja schon seit Jahrzehnten in der Industrie eingesetzt. Dort schweißten sie beispielsweise den Rohbau von Automobilen zusammen und setzten die schweren Stahlteile so zusammen, dass sie aufs Fließband zur Weiterbearbeitung konnten. Vormals haben diese Arbeit Menschen verrichtet. Sie haben sich dabei aufgerieben, Rückenerkrankungen entwickelt und im Alter an Lebensqualität eingebüßt. Die Arbeit im Karossenrohbau war ein Zustand chronischer Abwesenheit der Fürsorgeplicht ganz im Sinne der grundgesetzlichen fixierten Würde – wenn man es ganz hochtrabend ausdrücken möchte. In der Pflege oder in der Sexbranche ist die chronische Würdelosigkeit eine dauerhafte Konstante. Bei Prostituierten, die vielleicht irgendwann durch Sexroboter ersetzt werden können – in der Schweiz soll es einen gut kopulierende Prototypen geben -, ist das nachvollziehbar. Aber auch der Pflegeberuf ist ein Zustand fortwährender Würdelosigkeit. Für den Patienten trifft das ebenso zu wie für den Pflegenden. Man schleppt, man läuft auf Bestellung, man muss präsent sein, hat Verantwortung, wird von den krankheitsbedingten Aggressionen der Leute geplagt und ist am Ende völlig überlastet und wird zum Dank als unfreundlich beim Vorgesetzten angeschwärzt.

Dass da Roboter einen würdevolleren Zustand aus Sicht der Pflegenden entstehen lassen: Das ist mindestens so ethisch, wie es an oben genannter Stelle unethisch sein könnte. Aus Sicht des Gepflegten sieht es anders aus: Ein Zustand in Roboterpflege stellt einen unethischen Eingriff dar, vielleicht sogar einen Anschlag sozialer Ausgrenzung.

Neue Jobs: Robo-Engineer und Mensch

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Und er wird es auch in Zukunft bleiben. Wenn auch heute viele Menschen ein Parallelleben in der virtuellen Realität fristen, daueronline sind, so sagt das doch nichts über den sozialen Charakter der Gattung aus. Es ist eher so, dass viele Affekte, die man in unseren Zeiten an vielen Mitmenschen beobachten kann, diese fast schon autistischen Züge, wenn sie vom Netz abgekoppelt in der realen Welt ihre Person stehen müssen, eigentlich nur unterstreicht: Wer soziale Kontakte unterlässt, sie mit Facebook verwechselt, der entwickelt leichte bis mittelschwere Störungen und ist auf dem schlechtesten Weg zur soziopathischen Neurose. Insofern sind die blühenden Roboterwelten, die uns Menschen die Arbeit abnehmen, schwere Tätigkeiten erledigen und unwürdige Szenarien für uns verrichten, zwar eine schöne Vorstellung für diejenigen, die bislang darunter litten. Aber für die anderen sind sie wohl eine traurige Aussicht. Wenn der Gepflegte ohne menschliche Ansprache pflegeverwahrt wird, mag er versorgt sein im physischen Sinne. Aber wie sieht es psychisch aus? Kann eine noch so intelligente Sprachsoftware auffangen, was an menschlichen Kommunikation zwischen den Zeilen zu deuten ist? Kann sie spitzfindig, ironisch oder einfach nur schrullig sein? Und wie sieht es mit einem Freier aus, der aus welchen spezifischen Gründen Sexualität nur erkaufen kann und der an diesem Akt nicht nur die ordinäre Sexmechanik in Anspruch nehmen will, sondern die Interaktion zwischen zwei Menschen. Sei diese auch noch so gespielt von der einen Seite: Sie ist menschlich, es gibt Körperwärme, eine Stimme, jemand der etwas sagt, was in diesem Augenblick genau richtig sein kann. Ob ein Roboter je die Chemie zwischen menschlichen Wesen nachstellen kann? Oder bleibt er zwangsläufig nicht einfach nur eine Fickvorrichtung, die den Sex auf die Reibungsmechanik zwischen Glied und Vagina reduziert?

Es wird neue Jobs geben müssen in einer Robotergesellschaft. Technische Betreuung wird dringend notwendig sein. Und auch wenn technische Roboter soziale Dienstleisterroboter warten: Irgendein menschliches Wesen wird am Ende auch den Technikerroboter warten müssen. Überwachungsdienste werden stets präsent sein müssen, um zu gucken, ob beispielsweise die Pflege an einem Patienten richtig läuft, ja um intervenieren zu können. Und es wird noch einen Job geben, den Menschen ausfüllen müssen. Berufsmenschen im Sinne einer Aufgabe: Mensch sein und soziale Nähe herstellen. Natürlich können Roboter die schwere und unwürdige Arbeit in der Pflegebranche verrichten. Aber es braucht immer ein menschliches Antlitz, besser vor Ort als über Monitor, das mit den Patienten quatscht, ein wenig Spaß macht und sie aufbaut, sie freilich auch mal rügt. Egal wo Roboter ins Zwischenmenschliche rücken sollen, sie können das Menschliche nicht übernehmen. Das können nur Menschen tun. Insofern wird der Mensch eine Art von Ausbildungsberuf werden. Das Menschliche wird Lehrinhalt.

Keine Cloud kann je nachbilden, was zwischen menschlichen Wesen stattfindet. Sie kann es mimen, oberflächlich kopieren – aber es wird immer haken. Man kann die schöne neue Welt, die man uns in Berichten darstellt, ja durchaus für befremdlich und auch gefährlich halten. Die Entwicklung stoppt man allerdings nicht. Was nicht so schlecht ist, denn Arbeit zu erleichtern: Das ist auch menschlich. Wie wir damit umgehen müssen, die Folgen und Verwerfungen: Ein interessantes Thema. Aber dass deswegen alle Arbeit wegfällt, muss man nicht zwangsläufig annehmen. Arbeit wird anders – aber nicht weniger. Bleiben Sie Mensch, dann haben Sie gute Berufschancen.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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[…] Sie machen Pflegerinnen und Pfleger und sie machen Prostituierte arbeitslos. Ob das so stimmt?Weiterlesen bei den neulandrebellen Lesen Sie auch: Pazifismus [lat.], von pax, »Frieden«, und facere, »machen, schaffen« Der […]

Jarek
Jarek
7 Jahre zuvor

„Aber dass deswegen alle Arbeit wegfällt, muss man nicht zwangsläufig annehmen. Arbeit wird anders – aber nicht weniger. Bleiben Sie Mensch, dann haben Sie gute Berufschancen.“

Das wage ich zu bezweifeln. Auch wenn heutzutage wohl niemand sagen kann, wie sich die nächsten zig Jahre auf die Arbeitswelt auswirken werden, einiges lässt sich doch mit gewisser Sicherheit behaupten:
a) die Entwicklung muss keiner der bisherigen „Revolutionen“ (Dampf-Maschinen, Elektro-Benzin) entsprechen.
b) die Entwicklung wird vordergründig effizienzgesteuert sein und starke substitutive Effekte zur Folge haben.

Ich glaube auch nicht an die große Zahlungsbereitschaft der etwaigen Gewinner dieser Entwicklung für ein Gros der Dienstleistungen, wo noch ein Mensch gebraucht wird (und das werden gar nicht so wenige). Die bisherigen Entwicklung der Dienstleistungsbranche könnte in etwa einen (abgemilderten) Eindruck davon vermitteln. Vielleicht wird noch mehr uberisiert.

Das starke Eintreten der großen Teile der Politik (und Wirtschaft) gegen BGE hat mehr oder weniger zum Ziel, das Entlohnungsniveau für diese Dienste in der kritischen Phase auf möglichst niedrigem Niveau einzupendeln. Dann ist dann auch in der Zukunft ein etwaiges BGE „billiger“ zu haben.

Jetzt wird den paar Techies, die sich für BGE aussprechen vielerlei vorgeworfen – von der geplanten dauerhaften Pauperisierung und Raub der Entwicklungschancen bei den Betroffenen, bis zum Eigennutz und der Schaffung der staatlich finanzierten Konsumentenschicht für eigene (digitale) Angebote. Ich persönlich glaube, dass sie viel mehr von der Entwicklung verstehen und antizipieren können als unsere Politiker und Wirtschaftswissenschaftler und das macht ihnen auch irgendwie Angst.

Gast2
Gast2
7 Jahre zuvor

Ich denke mir dann mal einen Roboter als „Sterbe-Amme“ (leider derzeitig kein offizieller-Beruf…), der jedenfalls bis zum Ende begleitet und einfach da ist… -btw, kann man das nicht gleich weg-digitalisieren? ^^

Hamfred
Hamfred
7 Jahre zuvor

Zwar wird der Roboter nicht gegen die Menschen in den Krieg ziehen und ihn terminieren

Emotional intelligente Maschinen werden die Bedürfnisse der Menschen
eines Tages ignorieren. So wie wir heute die Bedürfnisse von Natur und ihren
Lebenwesen darin ignorieren. Das überleben wir vielleicht als Nutztiere, müssten
uns jedoch fragen, welchen Nutzen wir für Maschinen haben könnten.

Die ersten Siedler auf fernen Planeten werden intelligente Maschinen sein.
Sie werden sich fern der Heimat entwickeln, zurückfliegen und uns platt machen.

In 200 Jahren stolpern keine Deppen aus Blech mehr über irgendwelche Hindernisparcours.

Schweigsam
Schweigsam
7 Jahre zuvor
Reply to  Hamfred

Die ersten Siedler auf fernen Planeten werden intelligente Maschinen sein.
Sie werden sich fern der Heimat entwickeln, zurückfliegen und uns platt machen.

Du hast das Zeug für einen Science-Fiction Drehbuchautor:-)

niki
niki
7 Jahre zuvor

Irgendein menschliches Wesen wird am Ende auch den Technikerroboter warten müssen.

Nein. Nicht weit genug gedacht… Dann werden Wartungsroboter die Technikroboter warten.
Anfangs wird der Mensch da noch als Techniker involviert sein. Später wird das aber immer weniger.

Schlumpeter
Schlumpeter
7 Jahre zuvor
Reply to  niki

Genau ! Maschinelles Lernen und neuronale Netze waren vorgestern noch Neuland. Das funktioniert
alles bereits.

Deeplearning4j ist eine in Java programmierte Open-Source-Software, die ein künstliches neuronales Netz implementiert.
ELKI ist eine in Java programmierte Open-Source-Software mit Schwerpunkt auf unüberwachtem Lernen und mit Indexunterstützung zur Beschleunigung von Algorithmen.
GNU R ist eine auf vielen Plattformen verfügbare, freie Statistiksoftware mit Erweiterungen zum maschinellen Lernen (z. B. rpart, randomForest) und Data-Mining.
KNIME ist eine Open-Source-Datamining-, Workflow- und Data-Pipelining-Software.
– OpenNN ist eine in C++ geschriebene Programmbibliothek, die ein künstliches neuronales Netz implementiert.
RapidMiner ist eine operatorbasierte graphische Oberfläche für maschinelles Lernen mit kommerziellem Support, aber auch einer Community-Edition.
Shogun ist eine Open-Source-Toolbox für Kernel-Methoden.
WEKA ist eine auf Java basierende Open-Source-Software mit zahlreichen Lernalgorithmen.
TensorFlow ist eine von Google entwickelte Open-Source-Software-Bibliothek für maschinelles Lernen.
Das seit 2008 entwickelte Encog ist ein Framework zum maschinellen Lernen für Java, C++ und .NET. Die Stärken befinden sich bei Algorithmen für neuronale Netze.

Mordred
Mordred
7 Jahre zuvor

Bzgl. wegfallender Jobs durch Roboter in der Pflege kann man sich Gedanken machen. Das hat aber noch etwas Zeit.
Wo es mittlerweile akut ist: Sämtliche „Schreibtischtäter“ dürfen zittern. Man google die Bank oder Krankenkasse oder Versicherung seines vertrauens zusammen mit „Digitalisierung“. Oder wie wärs gleich mit dem größten Arbeitgeber der BRD:
https://de.wikipedia.org/wiki/E-Government-Gesetz_(Deutschland)

Robbi
Robbi
6 Jahre zuvor

– SPONSORED BY PENTAGON –

https://youtu.be/fRj34o4hN4I

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