Depressionen: Das gefährliche „Uns-geht-es-gut-Paradoxon“
Depressionen breiten sich in Deutschland immer weiter aus. Das meist stille Leiden hat gravierende Folgen, deren Höhepunkt nicht selten der Selbstmord ist.
Gleichzeitig hören wir jeden Tag aus allen möglichen Ecken, wie gut es uns gehe. Die Tatsache, dass diese Aussage auf dem Prüfstand schnell brüchig wird, ist das eine. Die Wirkung, die sie auf depressive Menschen hat, das andere.
Krankgeschrieben wegen Depressionen: häufiger als wegen Krebs
Laut Tagesspiegel hatte im Jahr 2006 jeder Erwerbstätige durchschnittlich an 1,4 Tagen im Jahr psychische Probleme und blieb der Arbeit fern. Zehn Jahre später, 2016, waren es bereits 2,6 Tage im Jahr. Menschen mit Depressionen konnten 2016 im Schnitt 35 Tage pro Jahr nicht arbeiten, bei durch Krebs erkrankten Menschen waren es lediglich 32 Tage. Es macht wenig Sinn, diese Zahlen wertend gegenüberzustellen, aber sie verdeutlichen, wie schwerwiegend Depressionen sind. Einmal in den Strudel der dunklen Gedanken hineingezogen, ist es ohne Hilfe schwer bis gar nicht möglich, sich der Depression zu entziehen.
Schon die Definition von „psychischen Problemen“ ist schwer, und ob ein Mensch an einem Burnout leidet, nur schwermütig ist oder von einer ernsthaften Depression betroffen ist, lässt sich nicht immer einfach diagnostizieren. Wohl auch deshalb steht für Menschen mit körperlichen Leiden ein vergleichsweise umfassender Apparat an Ärzten, Therapeuten, Apparaten, Medikamenten, Praxen und Krankenhäusern zur Verfügung. Menschen mit Depressionen dagegen müssen in vielen Fällen monatelang auf einen Termin warten, und selbst wenn sie endlich eine Therapie beginnen können, ist die Kostenübernahme noch lange nicht sicher. Sei es der „falsche“ Therapeut oder die vermeintlich unzureichende Diagnose, depressive Menschen müssen mit zahllosen Hindernissen rechnen und leben. Das ist schon deswegen fatal, weil sie sowieso größte Schwierigkeiten haben, den Alltag zu meistern.
Ein belegtes Beispiel:
Bei einem 29-jährigen Mann wurde im Dezember 2016 eine Depressione diagnostiziert. Der Hausarzt bescheinigte seinem Patienten eine schwere Krise (die sich mit der Einschätzung einer Therapeutin kurz zuvor während einer Probestunde deckte) und riet bis zu Therapiebeginn (der, wie sich später zeigen sollte, erst ein halbes Jahr später sein sollte, womit der Betroffene noch zu den schnelleren Fällen gehört) zu einer Medikation, um die schlimmsten Symptome zu reduzieren. Da ein Besuch in einer Tagesklinik bereits daran scheiterte, einen Ansprechpartner zu finden, ging der Mann einen Tag später gemeinsam mit seiner Partnerin in das nahegelegene Krankenhaus in die Notaufnahme. Dort wollte er, um über das Wochenende zu kommen, ein Medikament erhalten.
Die Dame am Empfang fragt nach dem Grund des Besuches, woraufhin der Mann „Depressionen“ sagt.
Die Erwiderung der Dame: „Aha. Und liegt akut etwas vor?“
„Ja“, entgegnet der Mann, „ich habe schwere Depressionen.“
Die Frau notiert sich etwas und sagt, der Mann müsse nun warten, die Psychiaterin sei sehr beschäftigt. Als der Mann darum bittet, die Überweisungen wieder zu bekommen, sagt die Frau: „Nein, die bleiben jetzt bei mir.“
Gut zwei Stunden später sitzt der Mann im Besprechungszimmer mit der Psychiaterin zusammen. Diese fragt ihn nach seinem Zustand und ob er suizidal sei. Nein, entgegnet der Mann, an Suizid denke er nicht, aber manchmal habe er das Gefühl, dass es … das Handy der Psychiaterin klingelt, sie entschuldigt sich kurz, telefoniert ein paar Minuten und schließt mit den Worten: „Ich bin in 10 Minuten da.“
In ihren Bericht, den sie dem Mann gibt, hat sie notiert, dass er sich geweigert habe, einer vollstationären Einweisung zuzustimmen (was nicht stimmt). Sie gibt ihm sechs Tabletten mit, von denen sich beim nächsten Besuch beim Hausarzt herausstellt, dass sie hochgradig suchtgefährdend sind. „Keine gute Wahl“, konstatiert der Arzt.
Wenn im Sommer die Temperaturen sinken
Nicht zufällig sind es die vermeintlich schönen Momente, die depressive Menschen zu dem Entschluss führen, ihr Leben zu beenden. Denn gerade wenn draußen die Sonne scheint und die Menschen alleine deswegen etwas bessere Laune haben, oder wenn um die Weihnachtszeit herum Harmonie zur Schau gestellt wird, fallen Menschen mit Depressionen schnell ins Bodenlose. Sie fühlen sich gewissermaßen „undankbar“, weil ihnen die Fähigkeit fehlt, sich an den Dingen zu erfreuen, die um sie herum sind und die andere in Hochstimmung versetzen.
Auch das stetig zu hörende „Es geht uns gut“ bewirkt bei Menschen mit Depressionen alles andere als Optimismus, können sie doch diese These nicht teilen, sei es wirtschaftlich, emotional oder – wie so oft – weder in dem einen noch in dem andere Bereich. Doch das „Es geht uns gut“ ist längst nicht nur für depressive Menschen verstörend für ihr Befinden. Auch wer „nur“ unter wirtschaftlicher Not leidet, lässt sich schnell herunterziehen vom allseits verbreiteten Optimismus, der auf ihn oder sie nicht zutrifft, nicht zutreffen kann. Weil immer auch die „Schuldfrage“ mitschwingt und eine zweite Behauptung die Problematik verschlimmert: Die Unterstellung, jeder sei seines Glückes Schmied, jeder könne „es“ schaffen, wenn er sich nur genügend anstrenge. Es liegt nahe, dass bei Misserfolg – unabhängig von den tatsächlichen vorliegende Gründen – die Verantwortung nur bei den Betroffenen selbst liegen kann – so empfinden sie es meistens, und so ist das – dieser Eindruck lässt sich nur schwer verdrängen – auch beabsichtigt.
„Das wird schon wieder“ – ein fataler Trugschluss
Mag sein, dass es das Nichtsehen der Krankheit ist, die der Depression so einen schweren Stand beschert. Ein Gipsbein sieht man, die Krebsdiagnose ist gnadenlos und klar, und selbst die Erkältung zeigt sich äußerlich, wodurch sogar ihre Schwere recht einfach einzuschätzen ist. Bei Depressionen sieht das anders aus. Und allzu oft müssen Betroffene mit Reaktionen wie „Kopf hoch“, „Das wird schon wieder“ oder sogar „Jetzt reiß Dich mal zusammen!“ leben. Menschen mit Depressionen werden häufig in die Schublade „Weichei“ verschoben, ihr Leiden wird als Theatralik oder übertrieben abgetan. Hinzu kommt die Tatsache, dass – mehr als bei anderen Krankheiten – im Zusammenhang mit Depressionen oft der Kostenfaktor in den Fokus der Wahrnehmung gerät.
Der „Spiegel“ schrieb bereits 2011:
„Jeder zwanzigste Deutsche leidet an einer Depression. In den meisten Unternehmen ist die Krankheit aber immer noch ein Tabuthema. Dabei verursacht sie laut einer Studie Milliardenkosten – vor allem durch Arbeitnehmer, die ihr Leiden unterdrücken.“
Fatal und unzutreffend ist die Formulierung, dass die Milliardenkosten vornehmlich durch Arbeitnehmer entstehen würden, die ihr Leid unterdrückten. Denn die Krankheit ist über weite Strecken kaum anerkannt, wird kleingeredet oder als „schlechte Laune“ abgetan – was der Schwere dieser Krankheit nicht ansatzweise gerecht wird. Zudem hat die Zunahme von Depressionen sachliche Gründe. Die Druck am Arbeitsplatz wird immer größer, Zeitarbeit und befristete Arbeitsverträge erhöhen die Belastung zusätzlich. Ständige Erreichbarkeit, Überstunden, Wochenendarbeit und die Aussicht darauf, jederzeit austauschbar zu sein, verstärken die Wahrscheinlichkeit, dass psychische Probleme zunehmen.
Depression und Ökonomie
Auch die Weltgesundheitsorganisation hat sich mit Depressionen beschäftigt. Allerdings ist der Ansatz mehr als fraglich. In einer Studie kommt die WHO zum Schluss, dass Angstzustände und Depressionen die weltweite Wirtschaft jährlich bis zu 1.000 Milliarden Dollar koste. Zwar, so die Studie, seien Behandlungen nicht billig, im Verhältnis zur steigenden Produktivität durch die Gesundung der Arbeitnehmer rechne es sich aber, die Betroffenen zu behandeln. Man könnte natürlich unterstellen, dass es psychologisch klug erscheint, Arbeitgebern Vorteile in Aussicht zu stellen, wenn sie sich an den Behandlungen beteiligen, die depressive Menschen brauchen. Aber eine wirkliche Hilfe ist das nicht, denn es entfernt einmal mehr den betroffenen Menschen aus dem Mittelpunkt und lässt ihn zu einer „Arbeitsbiene“ mutieren, die man nur richtig hegen und pflegen muss, dann „funktioniere“ sie auch.
Gehören Depressionen heute einfach dazu?
Es scheint fast so. In Anbetracht der Tatsache, dass weder die WHO noch die Bundesregierung noch die meisten Unternehmen nach den Ursachen forschen, sondern sich mit der Behandlung der Symptome zufriedengeben, kann man kaum zu einem anderen Schluss kommen. Zwar reicht es aus, die Suchmaschine der Wahl zu bemühen, um unzählige Artikel und Studien zu entdecken, die den zunehmenden Druck in der Arbeitswelt als einen der Hauptgründe für Depressionen ausmachen. Konsequenzen haben diese Erkenntnisse jedoch nicht.
Im Gegenteil, selbst die Bundesregierung schreibt, dass bis „zum Jahr 2020 [ … ] Depressionen oder affektive Störungen laut Weltgesundheitsorganisation weltweit die zweithäufigste Volkskrankheit sein“ werden. Über die Ursachen schweigt sich die Bundesregierung aus. Und auch wenn man der Empfehlung folgt und das „Heft 51“ des Robert Koch-Insituts nach den Ursachen durchforstet, ist das Ergebnis eher mäßig. Von genetischen und neurobiologischen Faktoren ist da die Rede, von psychosozialen Belastungen, von Persönlichkeitsfaktoren, von frühen psychischen Erkrankungen und körperlichen Problemen. Sicher alles Faktoren, die wichtig sind und in die Behandlung einbezogen werden müssen.
Doch für die Politik müsste die Aufgabe eigentlich darin bestehen, die Rahmenbedingungen in Augenschein zu nehmen und ernsthafte Pläne darüber anzustellen, wie die Bedingungen verbessert werden können. Wenn sie das tatsächlich tut, dann ausgesprochen unauffällig, gewissermaßen inkognito. Man kommt bei der Beschäftigung mit diesem Thema tatsächlich eher zu dem Schluss, dass Depressionen wohl irgendwie als naturgegeben hingenommen werden. Medikamente hier, ein bisschen Therapie da, das muss reichen.
Und so schlimm kann das alles ja sowieso nicht sein – schließlich geht es uns doch insgesamt gut.
Oder?
[InfoBox]
Wenn schon Suizid, dann erweitert – Kettensägen-DIY im Jobcenter.
Mit exakt solch einem Ende wäre auch der Film „Daniel Blake“ genießbarer.
Ich könnte ein Jobcenter in einer größeren Stadt nennen, in dem sich Mitarbeiter weigern, Sanktionen zu verhängen („Was sollte das denn bringen?“) und auch sonst sehr menschlich agieren. Wenn dort eine Gewalttat passieren würde, dann wäre ich sehr traurig! Daher finde ich Deinen Text ziemlich unschön.
Nachtrag: Es war zu lesen, dass nachdem Thatcher zu recht verstorben war, sich Menschen versammelt hätten, um zu feiern und zu singen („The Witch is Dead“). An dem Tag, an dem die Natur bei Gazprom-Gerd oder Schäuble ein Einsehen zeigt, wäre ich für Ideen aufgeschlossen!
Richtig!
Dann mal raus mit der Sprache – wo soll dieses paradiesische Jobcenter mit haufenweise Humanisten im Sanktions-Streik denn sein? Wer sich weigert und nicht sanktioniert, wird über kurz oder lang selber sanktioniert – durch Versetzung oder Nichtverlängerung des prekären Arbeitsvertrags. Die Fälle Hannemann und Kallwass sollten eigentlich jedem bekannt sein.
Was erweiterten Suizid betrifft – der mediale Trubel nach dem gewollten Absturz der Passagiermaschine durch einen Co-Piloten brach ja damals exakt an dem Punkt schlagartig ab, als die Hintergründe für dessen Tat klar wurden: Verschuldung, Chancen- und Perspektivlosigkeit. Er fühlte sich von einer unbarmherzigen Gesellschaft getreten – also hatte er keine Skrupel, wahllos Menschen „mitzunehmen“!
Und in der Tat – auch mich wundert es, wie „ruhig“ es in diesem Land angesichts der allgegenwärtigen gesellschaftlichen und vor allem der brutalen strukturellen Gewalt ist. In diesem Punkt hat Hartz IV vollen Erfolg gehabt – es bricht nahezu jeden Widerstandswillen und treibt die Menschen in den einsamen Suizid…!
Nö, ich werde doch die Leute vom Widerstand nicht verraten!
Von „paradiesisch“ kann auch keine Rede sein, nur weil ein Team von Sachbearbeitern Humanität zeigt. Eine Dame, die dort für die finanzielle Seite zuständig ist, hat zum Beispiel keine Skrupel, „Kunden“ am Telefon zu überrumpeln und damit dem Staat schnell mal ein paar hundert Euro Ersparnisse zu verschaffen.
Der war entweder sehr krank oder ein Charakterschwein. Oder beides.
Ja, das haben die neoliberalen Menschenfeinde gut geplant! Und ich finde, Gazprom-Gerd sollte noch zu Lebzeiten mitbekommen, dass für den Tag seines Ablebens „Aktionen“ geplant sind, wie es sie in GB anlässlich des Todes der Pinochet-Freundin gegeben haben soll:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/thatcher-tod-bbc-zoegert-ding-dong-the-witch-is-dead-zu-spielen-a-894014.html
die Inge ging an die Öffentlichkeit, Menschlichkeit im stillen Raum geht doch auch!
Wär mal interessant zu wissen gewesen, wie Depressionen in der Vor-, und Nachagendazeit
verteilt waren. Mehr ? Weniger ?
Ist zwar schwer zu vergleichen, weil diese Krankheit früher stärker tabubeladen war als
heute, wäre aber einen Versuch wert gewesen.
Die Angstörungen wurden kurz angerissen, hinzu kommt aber auch der Substanzmissbrauch.
Crystal als Leistungsdroge und Cannabis zum Chillen haben den Suff schon fast von Platz 1
verdrängt. Irgendwie durch den ganzen Scheiß, aber bloß ohne Fahne am Arbeitsplatz.
Deutschland ist neurotischer geworden.
Vielleicht beim nächsten Text, ist ja sehr komplex.
Außerdem werden Artikel, die die 1.000-Wort-Marke überschreiten, oft nicht zu Ende gelesen.
Aber dass Deutschland und die Welt immer neurotischer und kränker werden, ist wohl als eindeutiger Befund nur schwer zu leugnen.
Mit meiner Behauptung, dass Deutschland neurotischer geworden sei, meine ich eher,
dass das Verhalten der Bewohner nicht mehr überwiegend den Situationen angemessen
entspricht, bzw. sich im Vergleich zu den Voragendatagen erheblich verändert hat.
Auf Deutschlands Autobahnen herrscht Krieg. Man versteckt sich hinter Ersatzreligionen
und erhebt Banalitäten zu Lebensgefühlen. Das Auftreten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz
ist als weitgehend infantilisiert zu bezeichnen. Internetverhaltensweisen werden distanzlos-
dümmlich nach außen getragen, als gelte der kommerzialisierte Facebook-Community-Scheiß
irgend etwas in der Kohlenstoffwelt usw.
Das Deutschland kränker geworden sein soll, kann ich nicht behaupten.
Von Diagnosen verstehe ich nichts.
interessante these.
alkohol scheint mir am arbeitsplatz durchweg erfolgreich geächtet zu sein. wenn ich mir da noch storys von kollegen/bekannten aus den 90ern und 80ern anhöre…selbst wenn man 50% übertreibung abzieht…
bisher war ich immer befürworter von cannabis-legalisierung…bleibe ich wohl auch…aber seiner zeit in der schule oder im studium gabs so kandidaten, die quasi dauerbreit waren und auch gar keine offensichtlichen ausfallerscheinungen mehr gezeigt haben. weiß der henker, wie viele leute eigentlich jahrelang jeden tag stoned zur arbeit kommen. es sei denn, dass die preise in den letzten 15 jahren stark angezogen haben.
Seit Crystal den Weg für Minderleister in den Bundestag gefunden hat, ist deutlich
geworden, dass Crystal als Koks für Arme eine größere Rolle spielen könnte
als angenommen. Die Zahlen der Aufgriffe belegen die Schwemme aus der
Tschechei über Sachsen bis tief in den Westen, wo die Sonne verstaubt.
Das Crystal zum Pushen und Cannabis zum Runterkommen den Suff gänzlich
von Platz 1 vertrieben haben sollen, ist eine Übertreibung von mir. Die Tendenz
ist aber sichtbar. Amphetamin ist auf dem Vormarsch.
Ich sehe auch keinen Grund, warum Cannabis weiterhin kriminalisiert werden sollte.
Mit Legalisierung ginge der Konsum zurück. Drogengeld für Waffenkäufe ins Krisenregionen
würde schwinden. Unsere Bauern hätten einen neuen Markt zu entdecken usw.
Die Summe aller Süchte bleibt immer gleich. Deshalb ist es gleichgültig von was man eine
Matschbirne bekommt.
Den Zusammenhang von Depressionen und ökonomischer Lage halte ich für evident. Gestern in den Lokalnachrichten: ein ehemaliger Betriebsrat erzählt 10 Jahre nach Insolvenz eines großen Arbeitgebers trocken in die Kamera, er habe immer wieder Kollegen besucht – ein paar gäbe es aber nicht mehr: Selbstmorde.
Bevor das sacken kann, bringt der Sender einen aufmunternden Spin in die Geschichte: eine Glückliche, die wieder einen Job fand. Wie sowas auf ihre 3000 Kollegen im Hartz-Gefängnis wirkt, hat Tom schön beschrieben. Ebenfalls im TV: eine geschiedene Frau, danach auf Hartz, in eine Kleinraumwohnung verbannt, erträgt ihre Einsamkeit mit zwei Tieren. Die werden alt und krank, keiner fühlt sich zuständig. Und die Frau hat noch Glück: in ihrer Stadt gibt es eine Tafel für Hunde.
Oder, aus meinem persönlichen Umfeld: eine ehemals selbstständige Handwerkerin wird über Jahre bei einem städtischen Betrieb in leitender Position eingesetzt: prekär bezahlt und mit Zeitverträgen vor Festanstellung „geschützt“. Mehrere, teils versteckte Selbstmordversuche und massive Selbstzweifel wundern mich da überhaupt nicht. Therapie: Glückspillen.
Oder auch: ein älterer, hoch spezialisierter Facharbeiter, zum wiederholten Mal aus schlecht laufenden Kleinbetrieben „freigestellt“, bekommt von der „Agentur“ keine Weiterbildung bewilligt („zu alt, eine Maßnahme rechnet sich nicht“), sucht sich selbst neue Stellen (natürlich schlechter bezahlt) und verbringt seine Zwangspausen in psychiatrischen Einrichtungen. Sichere Aussicht: Altersarmut.
So einleuchtend der Zusammenhang zwischen massenhaft entwerteten Erwerbsbiographien und seelischen Zerstörungen ist, so schwierig gestaltet sich der Nachweis. Tom hat recherchiert, aber die Verursacher bleiben anonym, während ihre Opfer „eigenverantwortlich“ leiden: Einzelschicksale, „Versager“ sowieso, also „selber schuld“. Die Massenmedien tun ihr Übriges und verhöhnen die aus der Mittelschicht Geworfenen als Säufer, antriebslose Faulenzer oder gierige Raffzähne („Florida Rolf“).
Die so Stigmatisierten verkriechen sich vor Scham in ihren Wohnungen und werden fortan nur noch vom Fernseher, nicht von der Sonne beschienen – die durch Lichtentzug verursachten Depressionen kann man schliesslich mit Pillen behandeln, zum Wohle einer milliardenschweren Industrie.
Die gesellschaftlichen Ursachen bleiben unter dem Teppich – den Tom ein wenig gelupft hat, Dankeschön. Es wird höchste Zeit, über die Täter zu reden, allein schon, um ihre Opfer nicht alleine zu lassen. Belastbare Zahlen über das massenhafte Verbrechen liegen übrigens vor – aus dem neoliberalen Versuchslabor Griechenland, welches als Blaupause für das anzusehen ist, was die „Eliten“ mit uns vorhaben.
ja, stimmt schon. aber da gibt es was von ratzfatzfarm. und fangt bloß nicht an die waschzettel gründlich zu lesen, ihr memmen! mein catcha: ErbEx. der brüller, jetzt reinkopiert!
Ein sehr guter Artikel, vielen Dank dafür!
Wie wenig diese Krankheit und ihre Ursachen von unseren Entscheidungsträgern wahrgenommen wird sieht man wunderbar wenn wissenschaftliche Mietmäuler, so genannt „Experten“ diese „Deutschland geht es gut“-Lüge immer wiederholen, um jegliche Änderungen in Richtung mehr soziale Gerechtigkeit im Keim zu ersticken – gestern war auf Phönix mal wieder ein besonders unappetitliches Exemplar dieser Gattung…
das wirklich geile in den täglichen 5minütigen radionachrichten ist ja, wenn die einerseits über alle möglichen offiziellen booms (meist fake news) erzählen und dann als nächstes eine erhöhung der depressionsdiagnostiken erwähnen.
Tut mir leid, aber wer unter Depressionen leidet, macht etwas falsch.
Ich sehe das so: Rattner – Aggression und menschliche Natur – beschreibt die „Bewältigungsmöglichkeiten“ von Frustrationen. Gewalt gegen andere, Gewalt gegen sich selbst, oder, die leider am Wenigsten genutzte Möglichkeit, die Energie zu nutzen um das „Problem“ anzugehen. Wer also seine Frustration, also die „Bedürfnisverweigerung“ die er erlebt, gegen sich selber richtet, indem er in Depressionen „flüchtet“, schadet sich nur selber.
Also bleibt Moliere – man ist nicht nur verantwortlich für das, was man macht, sondern auch für das, was man nicht macht.
Wer sich nicht wehrt, lebt eben verkehrt. Und dann wirkt der „Frust“ eben in Form von Depressionen, weil man sich hilflos fühlt. Anmerkung: Ich war auch mal depressiv. Als ich glaubte, es sei ein persönliches Problem (z.B. arbeitslos zu sein, bis ich erkannte, es ist ein gesellschaftliches Problem, gewollt, um Macht auszuüben.
Wer da in Depressionen „flüchtet“, unterwirft sich leider. Und das ist immer ein Fehler.
Nun, dann Bob Marley –
Get up, stand up: stand up for your right
Get up, stand up: don’t give up the fight
Und wer unter Krebs oder einem gebrochenen Bein leidet, macht nichts „falsch“?
Dieser Kommentar zielt mal wieder darauf ab, dass eine Depression keine echte Krankheit ist, sondern nur ein persönliches Defizit, an dem man selbst Schuld ist.
Es wäre den Betroffenen schon geholfen, wenn ihre Krankheit endlich auch als solche anerkannt wird.
Bob Marley zu hören, ist sicher keine Therapie, die das Problem lösen könnte.
Eyeyey, Bob Marley geht immer 😉
Nix gegen den guten Bob 🙂
Alle Kinder spielen Wilhelm Tell, nur Bob, der hat den Pfeil im Kopp !
Es ist ein Unterschied, ob eine Krankheit oder ein seelisches Problem besteht.
Für mich sind psychische Störungen keine „echte Krankheit“.
Ich würde dann empfehlen, einmal Rattner zu lesen:
https://www.amazon.de/Josef-Rattner-Aggression-menschliche-Natur/dp/B00BR7HW9W
oder auch:
https://www.amazon.de/Anatomie-Neurose-wissenschaftliche-Grundlegung-Urschrei-Therapie/dp/3436023418
Nachtrag:
Zitat: sondern sich mit der Behandlung der Symptome zufriedengeben. Zitat Ende.
Gerade deshalb meine Leseempfehlung. Die Ursache!
Der Mensch hat eben Bedürfnisse. Da diese nicht befriedigt werden, entstehen Spannungen, diese Spannungen sind dann irgendwann so stark, wenn man nicht in der Lage ist diese positiv abzubauen, dass eben eine psychosomatische Störung entsteht. Und das ist auf keinem Fall eine Krankheit.
ganz schön spitzfindig. müssen solche störungen nicht auch irgendwie behandelt werden?
analog zu deinen sog. echten krankheiten kann dies natürlich auch in eigenregie erfolgen, ursachenbekämpfung ist das wichtigste etc.
also was ist der unterschied?
und was willst du mit diesem bezwecken? psychische störungen ggü. „echten“ krankheiten abwerten?
Wie erklärt dein Chefesoteriker Rattner die endogene Depression die durch rein physiologische Veränderungen im Gehirn hervorgerufen werden und auch vererbt werden ?
Umweltfaktoren spielen bei diesem Typ von Depressionen keine Rolle.
Ist Rainer N. nicht – ausgerechnet – derjenige, der hier oft genug selber auf die Mitleidstour macht, indem er hier ungebeten seine zahlreichen Gerichtsprozesse ausbreitet?
Dafür ist sein unsolidarisches „Selber-schuld“-Gerede ja noch abstoßender.
Er ist ein selbstmitleidiger Prozesshansel, dem man bei der nächsten Kadi-Pleite ruhig noch a bisserl mehr Prozesskosten aufs Auge drücken kann.
Wie lässt sich diese deine Meinung in Einklang damit bringen, das Depressionsanfälligkeit statistisch signifikant häufiger bei familiärer Vorgeschichte auftritt als ohne? Und das, ebenfalls statistisch signifikant, die Vererbbarkeit bei Frauen höher ist?
Beides spricht für genetische (Mit)ursachen, das kann, selbst ohne verantwortliche Gene zu kennen, als sicher gelten.
Würde das Ungleichgewicht der Hirnchemie nur Symptom statt Ursache sein, gäbe es gar keine Gründe für Vererbbarkeit und die o. g. Signifikanzen dürften nicht existieren.
Außerdem: Definiere doch mal „echte Krankheit“, bevor du andere Begriffe gegen diesen Begriff abgrenzt!
Der Begriff Krankheit wird meines Erachtens für zu viele „Zustände“ benutzt. Ich unterscheide da grundsätzlich zwischen psychischen und physischen Ursachen. Wenn ich mir einen Virus oder eine bakterielle Erkrankung „einfange“, ist das eine „echte Erkrankung“. Aber selbst da wird inzwischen unterschieden. Also bei einer Erkältung wird dann auch noch die „schwere“ beachtet.
Aber wenn ich einen Unfall habe, wodurch zum Beispiel der von Tom genannte Beinbruch entstehen kann, da kann ich durchaus unter Umständen selber Schuld haben, ist das keine „echte Krankheit“, sondern nur eine Beeinträchtigung meines körperlichen Zustandes. Beeinträchtigungen gelten zwar als Krankheit, ja, es gibt da viele Möglichkeiten der Beeinträchtigung, nicht alles ist eine „echte Krankheit“. Oder ist das Alter auch eine? Sehe ich nicht so.
Fazit. Was im Leistungskatalog von Krankenkassen als Krankheit anerkannt wird, ist eine Sache. Das kann sich aber immer wieder einmal ändern, wie schon geschehen.
@Rainer N.
Ich finde, bei der Definition von Krankheit zwischen physisch und psychisch zu unterscheiden, als reichlich schräg.
M.M.n. verläufr die Trennlinie zwischen Krankheit und Gesundheit bei der Qualität des Lebens und Erlebens. wer hier auf längere Sicht eingeschränkt ist, ist eben nicht gesund und da gibts für mich keinen Unterschied zwischen dem Stich einer TseTse-Fliege oder einem gestörten Serotonin- bzw Dopaminhaushalt.
Beides schränkt gleichermaßen die volle Präsenz eines Menschen in der Welt ein.
Es ist nicht nur so, daß in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnt, sondern eine kranke Seele bewirkt auch einen kranken Körper. und sei es „nur“, weil der Antrieb fehlt, das natürliche Bedürfnis nach Bewegung zu befriedigen.
@Rainer N.
Da möchte ich doch glatt mal ChrisA zitieren:
Nebenbei – Du findest es sicherlich auch korrekt, jemand mit einem gebrochenen Bein (Skiunfall) eine Selbsterkenntnis nahezulegen, da er ja schließlich seine Krankheit sogar noch selbst verursacht hat?
Am besten behandelt er sich auch selbst – er hat ja auch selbst die Situation herbeigeführt, die zum Beinbruch geführt hat.
Ich halte es für reichlich frivol, wenn ein Laie auf der Grundlage eines populärwissenschaftlichen Werks und einer Werbeschrift für eine wissenschaftlich umstrittene und nicht anerkannte Therapiemethode über ein Krankheitsphänomen urteilt, das jedes Jahr mehr Todesopfer fordert als der Strassenverkehr. Es entspricht exakt dem neoliberalen Narrativ, Depressionen, und am besten gleich Armut und Arbeitslosigkeit, für selbstverschuldet zu erklären.
Word!
@Rainer N.
Arthur Janovs Urschrei habe ich vor rund 30 Jahren gelesen und fand den Ansatz ganz interessant. Allerdings war die Zahl der nach seiner Methode praktizierenden Therapeuten recht überschaubar.
Wenn ich heute im Internet nach Primärtherapie suche, scheint sich daran nicht sehr viel geändert zu haben.
Das spricht nicht gerade für einen durchschlagenden Erfolg der Therapie als solcher.
Ich vermute mal, daß diese Methode auch nicht von den Krankenkassen unterstützt wird, was natürlich eine Menge therapiebedürftiger Menschen mit geringem finanziellem Spielraum fernhält.
Auch die geringe Zahl an Bewertungen auf Amazon drückt nicht gerade große Begeisterung für die Werke Janovs aus. Gleiches gilt auch für Josef Rattner.
Leider gibt es auf dem Therapiemarkt etliche schwarze Schafe, die ihre Methode als das Ei des Kolumbus anpreisen, was für Hilfesuchende fatal sein kann, womit ich jetzt nicht ausschließen will, daß die Primärtherapie in einzelnen Fällen durchaus erfolgreich sein kann.
Es könnte aber auch ganz einfach daran liegen, daß zwischen Therapeut und Klient die Chemie stimmt.
Das halte ich sogar für eine ganz entscheidende Grundlage, die eigene Seele zu heilen, denn wenn die Klienten in der Lage wären, ohne Hemmungen ihre Probleme anzusprechen statt sich hinter einer Maske zu verstecken, wären sie vermutlich nicht depressiv und bräuchten keinen Therapeuten.
Depression nicht als Krankheit zu bezeichnen, halte ich für nicht gerechtfertigt.
Es gibt schließlich keine Trennlinie zwischen Körper und Seele, beides hängt zusammen und wenn ein Teil leidet, leidet der andere mit.
Rattner:
Wo gewöhnliche Anpassungsmuster versagen und Flucht unmöglich ist, kann die Neigung bestehen, aggressiv zu werden.
Ähnlich sind, nach Scott, auch menschliche Verhaltensweisen auf Angriffe und Frustration zu deuten. Hierzu ist allerdings zu sagen, daß beim Menschen sehr oft Fehlanpassung erfolgt, weil die Anpassungsfähigkeit durch eine repressive Erziehung eingeschränkt worden ist.
Es kommt zu ungerichteten Aggressionshandlungen, die man bei Tieren und Menschen beobachten kann.
Es gibt auch das Phänomen der verlagerten Aggression. Diese wird auf ein Objekt übertragen, vor dem man keine Angst empfindet.
Jeder Reiz verlangt nach einer Antwort. Ist das Individuum unfähig, eine solche Antwort zu geben, so ist es situationsunangepasst und reagiert nicht selten aggressiv. Denn jede untragbare emotionale Situation fördert Angriffs- oder Fluchttendenzen.
Als Frustration wird jede Hemmung der Zielgerichtetheit des Organismus betrachtet. Die gehemmte Lebenstätigkeit ergibt das Frustrationsgefühl. Hierzu gehören in der egel auch die Emotionen und Affekte von Wut, Zorn, Haß, Ressentiment etcetera. Frustrationen schlagen leicht in Aggressionen um.
Dies bedeutet, daß nur aggressive Individuen in frustrierenden Bedingungen aggressiv werden. Aggression muß gelernt und gewohnheitsmäßig verankert sein.
Nun, ich war mit 20 ein aggressiver Typ. Habe mehrere Schlägereien verbal provoziert, bis dann die Provozierten ausrasteten und in blinder Wut auf mich los gegangen sind, und ich die dann zusammengeschlagen habe. Dann den Film über die Urschreitherapie gesehen, es gründete sich eine Gruppe aus den „Zuschauern“, wir wollten dann ein paar nach Janov senden, die dort die Therapie lernen und dann den Rest der Gruppe „behandeln“. Alternativ wurde dann auch Otto Mühl genannt. Den habe ich damals in Wien besucht, war aber von seiner Methode nicht überzeugt.
Dann habe ich die genannten Bücher „entdeckt“. Ich habe dann meine Aggressionen umgeleitet, Bowling, alleine 10 Durchgänge ohne Pause zum Beispiel. Mir ist es gelungen meine Aggressionen, die durch „Bedürfnisverweigerung“ und „Zwangshandlungen“, also dem „Gesellschaftssystem“ ausgerichteten Unterwerfungen, zu überwinden.
Und mir hat eben die Beschreibung in Rattners Buch geholfen, nicht mehr Gewalt gegen andere Menschen oder mich selber zu richten.
Ich sehe in Depressionen eine Flucht vor der Wirklichkeit. Um nicht die Ursachen zu beseitigen, wird das nun als Krankheit betrachtet, so hat dann jeder seinen „Namen“ für sein Problem. Es ist eine Krankheit, da kann man selber nichts machen … nein, es ist ein Problem des Gesellschaftssystems.
Hat Tom eigentlich auch erkannt und „angedeutet“. Die Ursachen werden eben nicht angegangen. Wenn aber Ursachen nicht angegangen werden, ist es leichter, das als „Krankheit“ zu verharmlosen.
@Rainer N.
Das ist ein ganz natürliches Muster bei Bedrohung.
Selbst Tiere, die für gewöhnlich zur Flucht tendieren greifen an, wenn sie in die Enge getrieben werden.
Es gibt eben nur drei Möglichkeiten auf Bedrohung zu reagieren, nämlich Totstellen, Flucht oder Agression/ Angriff.
Ich denke, bei der Depression verhält es sich so, daß die Bedrohung nicht konkret mit einer Person als Verursacher verknüpft werden kann und diffus bleibt.
Daher dürfte der Depressive seine Agression gg. sich selbst richten, weil die Agreesion ein konkretes Ziel braucht.
Das Depression eine Flucht vor der Wirklichkeit sei, ist mir zu einfach.
Dazu müßte ja die „Wirklichkeit“ transparent für Jeden ersichtlich sein, was aber nicht der Fall ist.
Gerade bei politischen oder unternehmerischen Handlungen findet ja geradezu ein Etikettenschwindel statt.
Wahre Motive werden in aller Regel nicht offenbart. Oft genug müssen Scheingründe als Erklärungen für die, die Menschen massiv betreffenden, negativen Handlungen herhalten.
Entlassungen werden oft mit der Globalisierung gerechtfertigt, wenn tatsächlich höhere Profite angestrebt sind oder die angebliche Terrorgefahr muß für die Überwachung der Bürger herhalten.
Sensible Menschen haben offensichtlich keine adäquate Strategie erlernt, mit derartigen Situationen erfolgreich umzugehen, brauchen aber ein Ziel für ihren Frust bzw. ihre Agression und da wird eben als Stellvertreter das eigene ich zum Ziel des Abreagierens.
Da der Betroffene sich ohnehin als schwach und für das harte Leben als schlecht gerüstet empfindet, ist das durchaus naheliegend, wenn auch destruktiv.
Ein gesellschaftliches Problem ist es in der Tat, weil allein die Größe unserer Gesellschaft dem menschlichen Bedürfnis nach Überschaubarkeit widerspricht und damit zwangsläufig zu Entfremdung führt.
Dazu kommt noch die immer schneller werdende technische Entwicklung, der das Individum gnadenlos hinterherhinkt.
Auch die Fragmentierung der arbeitsteiligen Gesellschaft sorgt dafür, daß kein Mensch mehr alle Tätigkeiten beherrscht, die zu seinem Überleben an sich traditionell notwendig wären.
Dies zusammen macht das Leben recht unüberschaubar.
Daran nicht zu zerbrechen, ist schon eine Kunst, die viele Menschen eben nicht oder nur unzureichend beherrschen und das scheint auch duraus im Kalkül elitärer Kreise zu liegen, da eine starke, selbstbewußte Gesellschaft eben nicht manipulierbar ist und ihre Rechte einfordert.
Zudem verdient die Pharmaindustrie ein Heidengeld an diesem Martyrium.
Wen wundert es da, daß praktisch nichts in Richtung Prävention und Ursachenforschung unternommen wird?
Seid ihr mit eurem Exkurs zur Küchenpsychologie bald durch ?
Ein schwachsinniger Artikel voller Unwahrheiten und Halbwahrheiten,
gekrönt von noch schwachsinnigeren Kommentaren.
Haltet ihr Dödel die Psychologie für ein Laberfach oder warum
maßt ihr euch das an ?
Auffällig werden immer die selben Schwätzer.
@Heidi: Lol. Du bist dumm wie Brot 🙂
@Mordred
Nanana, wo Heidi doch beim Geißenpeter Bergpsychologie studiert hat.:-)
Nein, das hast du falsch verstanden!
Er schreibt:
Eine nachvollziehbare These, find ich, weil die gesellschaftlichen Strukturen wirklich super starr sind.
Kann ich mich wehren? Zumindest nicht alleine. Und wir sind heute ja alle sehr allein, nicht mehr große soziale Gruppen, sondern Gesellschaftsmoleküle, wo jeder schon sein eigen Bier braut und schauen muss, wo er bleibt.
Widerstand ist zwecklos, assimilieren …
Der Unterschied von Krebs zur Depression ist doch klar das man das eine wissenschaftlich evident durch sein Verhalten beeinflussen kann.
Und das war eben auch nicht metaphorisch gemeint, sondern wörtlich:
Tja, ehrlich gesagt würde ich sagen: stimmt. Wann gehts los?
https://www.youtube.com/watch?v=D39rJvoCqjE
Nein, hab ich nicht.
„Du bist böse“
„Bin ich nicht“
„Bist du wohl“
Ausschnitt aus einer angeregten Diskussion.
xD.
Ja egal. Doch, denke schon. Er meint nicht, das Depressionen keine Kranheit sind.
Er meint, dass eine Ursache für Depressionen in den gesellschaftlichen Umständen zu finden ist. Und dass das „sich nicht mit der Gesellschaft identifizieren können“ kein persönlicher Mangel ist.
Trotzdem kann man davon Depressionen – eine Krankheit – bekommen. Klare Sache.
Aber nicht, weil man selbst schwach ist.
Wo der Kommentator Rainer N. falsch liegt ist, dass er es sich mit
viel zu einfach macht.
Weil nicht jeder Mensch sinnvolle Problemlösungsstrategien für alles im Leben hat.
Wie, davon nur eines? Wie war das nochmal: Wer sich „wehrt“ kann Depressionen verhindern. Aha.
Wer nicht Kette raucht, kann sein Krebsrisiko reduzieren. Hmmm… Laut dir müsste eines davon wissenschaftlich evident falsch sein.
Keine Ahnung wo du das mit dem „wehren“ her hast.
Aber Depression kann man therapieren. Nicht immer erfolgreich, aber so ist das mit dem menschlichen Verhalten, den Umständen, dem Glück usw.
Trotzdem, wissenschaftlich klare Sache. Hier ein paar Infos:
http://www.icd-code.de/suche/icd/recherche.html?sp=0&sp=Sdepression
Halt! Ich habe überhaupt nicht von möglichen Krebsrisikofaktoren gesprochen.
Aber wenn du eine Krankheit wie Krebs bekommst kann das z.B. genetische Ursachen haben die mit deinem Leben(sstil) NIX zu tun haben.
Auch das ist wissenschaftlich geprüft. Schau dir Zwillingsstudien an.
Ich ersetze ein einziges Wort:
Aber wenn du Krankheiten wie Depressionen bekommst kann das z. B. genetische Ursachen haben die mit deinem Leben(sstil) NIX zu tun haben.
Auch das ist wissenschaftlich geprüft. Schau dir Zwillingsstudien an.
Du hast oben behauptet, nur eines von beidem ( Krebs, Depressionen ), ließe sich wissenschafltich evident durch das eigene Verhalten beeinflussen.
Das ist erstens falsch und zweitens unvollständig.
a)Beides kann durch Verhalten beeinflusst werden, sofern es nicht rein genetisch verursacht ist.
b) Gleichzeitig ist der Unterschied, den du versuchst aufzubauen, so nicht vorhanden. Beides kann physiologisch induziert sein und in diesem Fall pharmazeutisch behandelt werden.
Nur weil Krebs auf Gesprächstherapien gar nicht anspricht, manche(!) Depression aber schon, ist noch lange kein Beweis erbracht, dass das eine Krankheit, das andere bloß irgendwas anderes ist, was man mit der richtige Einstellung zum Leben schon wieder weg kriegt.
Wir reden über Menschen mit einer z. T. gestörten Hirnchemie. Diskutiert wird dann, ob das denn eine Krankheit sei oder bloß die Kumulation von Lebenseinstellungsfehlleistungen. Das ist so doof, wie es klingt, aber ohne Abstriche!
„Krankheit“ ist eine Klassifizierung, kein objektiver Umstand. Die ergibt sich mal mehr, mal weniger offensichtlich. Aber dass man 2017 noch darüber redet, als was Depressionen zu klassifizieren sind, da krieg ich die Krise.
Unser kleiner Piesepampel weiß es wieder besser und drischt
in unnachahmlicher Kleinkariertheit auf andere ein um seine
Überlegenheit zu demonstrieren 🙂
So wirkt das auf dich?
Wobei, ok, für dich muss es wohl so wirken. Nichts für ungut :).
Falls du dich über mich aufregst, vergebens!
ist alles, was ich kommentiert habe.
Den Rest hast du schön zusammengefasst.
Macht den Kommentar „Depressionen im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Umständen“ nicht weniger falsch.
@Tom J. Wellbrock Wellbrock
Danke für die Kommentierung. Bin mal gespannt was der Kommentator, dem Du antwortest, über demenzkranke Menschen denkt – Sind die auch selber schuld daran, dass sogar Psychiater und Psychotherapeuten hier die „Flinte ins Korn werfen“?
Zynischer Gruß
Bernie
Wenn Rainer N. AIDS kriegt, ist das auch keine Krankheit. Für lasterhaftes Leben ist es eher die gerechte Strafe.
; )
Wofür man, selbst wenn körperlich nichts mit reinspielt, erstmal das Problem kennen muss. Bis dahin ist dieser Weg versperrt.
Es gibt einen guten Grund, warum dein Beispiel nicht übertragbar ist.
Wenn du schreibst, du hast „erkannt“, heißt das nicht, dass du eine objektive Tatsache festgestellt hast.
Du hast dich aber „entschlossen es so zu sehen“. Salopp formuliert hast du einen Glauben angenommen, nämlich den, dass eine höhere Gewalt ( …gesellschaftlich gewollt… ) verantwortlich ist.
Das schützt dich erstens vor zu viel Selbstzweifeln ( psychischer Selbstschutz ) und bietet dir zweitens einen Ansatzpunkt, dich zu wehren, wie du es ja auch als Lebenshaltung zur Überwindung depressiver Verstimmungen forderst.
Ich bitte Dich zu verstehen, dass ein ähnlicher Weg vielen Menschen schon ob ihrer Unfähigkeit sich per Glauben an was auch immer einen festen Halt zu schaffen, versperrt ist. Damit ist eine Identifikation „des Problems“ extrem schwierig, deshalb kann es auch nicht einfach angegangen werden.
Dein Ansatz, aus dem du abgeleitet hast, dass Depression keine Krankheit sei, ist nicht verallgemeinerbar und deine Argumentation somit nicht stichhaltig.
Zusätzlich gilt das Gegenargument der physiologisch verursachten Depressionen natürlich weiterhin ( was alleine schon ausreichend ist ).
Ergo: Eine Klassifizierung depressiver Menschen als generell Nichtkrank ist logisch nicht haltbar.
Warum sollte man es trotzdem tun? Wem ist damit geholfen?
Und? Jeder andere hat sich auch in irgendeiner Form „entschlossen“, es so zu sehen, wie es ihn dann erst depressiv werden lässt…!
Die Frage sollte doch lauten, ob es klug ist, bei einem Thema wie „Depressionen“ mal eben die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen die Menschen „funktionieren“ sollen mal eben so vollständig auszublenden! Wer über Depressionen (als gesellschaftliches „Phänomen“) sprechen will, kommt nicht umhin, auch die Gesellschaft zu analysieren…!
Ich müsste annehmen, das kommt von einem Fake-Dennis82, denn ein Kommentator, der sonst gute Beiträge einstellt, schreibt auf einmal megahohlen Mist.
Zu dem Quark „jeder Depressive ist Opfer seiner Lebenseinstellung“ ist schon alles gesagt. Lies es!
Zu dem Quark, eine Ausblendung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen liege vor, wenn man auch auf die nicht-persönlichen sowie die nicht-gesellschaftlichen Ursachen von Depressionen eingeht, sei hiermit alles gesagt: Es ist Unfug.
Dieses ganze Geseihere, man könne sich entschließen, sein Leben so zu führen, dass man nicht depressiv werden müsse, ist einfach nur Grütze, nein schlimmer: neoliberal gefärbte Grütze!
Da erzählt einer, der aus eigener Kraft mal einer depressiven Verstimmung entkommen ist jetzt anderen, dass sie es ihm ja bloß nachmachen müssten!?
Ich habe einen schwer depressiven Menschen jahrelang begleitet und mehr von offenen und auch geschlossenen psychiatrischen Abteilungen mitgekriegt, als ich mir jemals hätte ausmalen können. Nur ein Ausschnitt davon befördert jedes Geschwätz von „entschlossen, den depressiv machenden Weg zu wählen“ in den Orkus, wo sowas unter seinesgleichen ist.
Nein, der ist echt! 😉 Das, was du mir unterstellst, sage ich ja gar nicht aus. Ich hab auch in meinem persönlichen Umfeld mit Depris zu tun gehabt; die hatten aber auch immer zum Teil(!) persönliche und „selbstantreibende“ Gründe; der Übergang von den „systemverursachten“ und persönlichen Gründen ist eh fließend…! Wenn du die Person darauf hingewiesen hast, doch auch einmal die Grundlage des „Selbstmarterns“ oder oft unbewussten „Selbstgeißelns“ (z. B. die Minderwertigkeitskomplexe, auf dem „Arbeitsmarkt“ nicht gebraucht zu werden) kritisch zu ergründen (was jeder gute Psychologe auch so tun würde), wird fast immer ablehnend reagiert. Und einem eingeschnappt vorgeworfen, man würde ihm ja vorwerfen, er stünde sich primär nur selbst im Weg. Nicht primär, aber eben: auch! Wer z. B. aber das „Ich-will-arbeiten-um-jeden-Preis“-Lohnarbeitsdogma nicht kritisch hinterfragen will, wird sich auch schwer tun, eine darauf aufbauende Depression zu überwinden.
Ich sage ausdrücklich nicht, dass jeder seine Depression im Grunde ausschließlich „selber macht“! Ich sage vielmehr, dass die Gesellschaft diese verursacht. Aber zum Teil liegt das eben auch an eigenen (falschen) Erwartungen und Einstellungen (von denen man nicht lassen will). Mich erstaunt grade die oft zu beobachtende „Angegriffenheit“ Vieler, wenn sie das Gefühl haben, man wolle ihnen ihre „Krankheit“ „wegnehmen“…!? Oder sie damit „verharmlosen“! Deine Reaktion steht da schon exemplarisch für…
Nix für ungut!
@Dennis82
So wie ich das sehe, greifen systemverursachte und persönliche Gründe ineinander.
Die kleinste Einheit der Gesellschaft ist die Familie und ein Kind geht ganz selbstverständlich davon aus, daß es dort alles lernt und vorgelebt bekommt, was zum Überleben als Erwachsener notwendig ist. Da funktioniert der Mensch genau so wie jedes andere Tier.
Die wenigsten Kinder dürften bemerken, daß im Verhalten ihrer Eltern etwas nicht stimmig ist und wenn, sind sie vollkommen abhängig, so daß die wenigsten wohl aufbegehren.
Auf die Art wird unsere Sicht auf die Welt, wie z.B. die Identifikation mit Arbeit, zu einem Dogma.
Da heraus zu kommen, bedarf schon großer Anstrengungen und dauert m.M.n. mindestens so lange wie die Zeit des „Programmierens“ in der Kindheit.
Wie schwer das ist zeigt doch der Hang nicht weniger Depressiver zum Freitod bzw. die mangelnde Bereitschaft der Gesellschaft/Individuen, neue Formen des Zusammenlebens auszuprobieren und statt dessen in konservativen Strukturen zu verhaften.
Bloß keine Experimente, scheint doch die Devise.
Wer diesem Gesellschaftsbild nicht oder nicht mehr entspricht, kann an der Kluft zwischen ureigenen, aber unterdrückten Bedürfnisen und dem gesellschaftlichen/ familiär erlernten Anspruch regelrecht zerbrechen.
In unseren elitären/politischen Kreisen scheint es auch kein Interesse an einer Veränderung der Situation für die Betroffenen zu geben, weil diese kranken Strukturen natürlich ideale Bedingungen zur Ausbeutung schaffen.
Sonst würde ja ernsthaft versucht werden, die krankmachenden Faktoren zu beseitigen.
Allein die langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz zeigen doch das genaue Gegenteil.
@Dennis82
Mir schwillt bei bestimmten Aussagen zu bestimmten Themen nunmal der Kamm. Ebenfalls nicht für ungut.
Zur Spirale von depressiver Verstimmung hin zu Depression sowie die Abgrenzung zwischen reaktiv und physisch begründet hat Lutz Lippke weiter unten einen lesenswerten Kommentar verfasst.
Wenn eine depressive Verstimmung sich verselbstständigt, ist die Hirnchemie betroffen und spätestens dann ist jeder Ansatz in Richtung Änderung der persönlichen Lebensführung verfehlt, weil die dafür nötige Integrität der Psyche bereits fehlt. So betroffene Menschen sind krank, ohne Wenn und Aber.
Ich gebe ergänzend zu bedenken, dass auch bei Depressionen, die nicht nur auf körperliche Ursachen zurückzuführen sind, nicht immer eine Möglichkeit für Betroffene bestanden hätte, diese im Vorfeld zu vermeiden.
Das liegt daran, dass Menschen mit dem ihnen eigenen Naturell ( schüchtern, selbstbewusst, devot, durchsetzungsstark, feingeistig, etc. pp. ) in ihrer Umgebung ( z. B. Familie ) manchmal schlicht ihre Bedürfnisse nicht formulieren, einfordern, ausleben können. Weder von dem einen noch dem anderen kann man sich aber einfach emanzipieren.
Also was tun? Zuwider dem eigenen Naturell sich seinen Bedürfnissen zuwenden? Oder sein, wie man ist, aber auf elementare Bedürfnisbefriedigung verzichten? Das sind Lose-Lose Situationen, die disponierte Menschen in die Depression bringen können.
Solche Situationen sind meiner Erfahrung nach großteils familiär geprägt.
Ein weiterer Punkt ist, dass ich bei deiner Wortwahl „Selbstmartern“, „Selbstgeisseln“, das Gefühl habe, dass du depressiv verstimmte Personen kennen magst, aber keine mit schweren Depressionen. Da wären diese Wörter mit das letzte, was dir einfiele, glaub mir das.
Du versuchst mit einiger Gewalt, Depressionen zu einem rein gesellschaftlichen Phänomen umzudeuten ( Ansatz von Rainer N. ), um daran dann die linke Kritik der Selbstausbeutung in unserer ökonomisierten Gesellschaft aufzuhängen. Das ist aber nur eine Achtelwahrheit.
Nun zur „Angegriffenheit derer, denen man ihre Krankheit wegnehmen wolle“: Das ist genau das Geschreibsel, das zeigt, dass du zu wenig von dem Thema verstehst.
Einen Depressiven treibt in der Frühphase nichts mehr um als die Frage: Was mache ich verkehrt, dass es mir so schlecht geht? Gern in Verbindung mit den körperlichen Symptomen, die erst gar nicht mit Depressionen verknüpft werden.
Die Anerkennung des Umstandes, einfach unverschuldet krank zu sein, ist der Akzeptanzschritt, mit dem viele Therapien überhaupt beginnen können.
Man nimmt Betroffenen ihren Therapieansatz weg, wenn man ihnen „ihre“ Krankheit ( wieder etwas, was exakt so doof ist, wie es klingt ) wegnimmt.
Ob man Depression als Krankheit klassifizieren sollte oder nicht, ist aus o. g. Gründen essentiell und nicht bloß ein Streit um die goldene Ananas.
Zusammenfassend muss ich sagen, dass du m.M.n. aus der Warte des Gesellschaftskritikers, der den Neoliberalismus geißelt, ein zu enges Blickfeld hast und dem Thema deshalb nicht gerecht wirst. Dass es in einer „perfekten“ Gesellschaft keine Depressionen gäbe, ist aufgrund physischer Veranlagung ja ebenfalls nicht zu erwarten. Nicht an allem ist der Neoliberalismus schuld.
Ich finde, dass man Rainer N. hier doch etwas Unrecht tut. Warum ist es eigentlich so wichtig, etwas (grade im Kontext des Zitats) unbedingt als „Krankheit“ zu definieren? Auch ich war schon „depressiv“, völlig „unbehandelt“. Kein Kopfdoktor, keine bunten Pillen. Drei Jahre in einem brutalen Rattenrennen-„Studium“ im ÖD haben mich an den Rand meiner Kräfte gebracht; ergänzt noch von dem ganzen anderen Müll, der einen im Leben so fertig macht wie z. B. Familie oder „soziales“ Umfeld. Ich war nur noch ein Haufen Elend…
Was war die Erkenntnis? Ich war deshalb „depressiv“, weil ich auf eine bestimmte Art und Weise „funktionieren“ sollte, aber so nicht „funktionierte“. Weil dieser „Kompromiss“ eben nicht zu meiner Persönlichkeit passte, mein tiefstes Inneres es nicht wollte; es erkannte, dass da was Grundlegendes nicht passt. Der grade Anfangs schlimmste „Antreiber“ war ich selbst; ich steckte mir Ziele, die ich schlicht nicht erreichen konnte. „Du musst, du musst, du musst…“ Ich gab die Schuld am „Versagen“ mir. Ich hämmerte mit Gewalt ein Puzzelteil nach dem anderen an Stellen, an die sie aber nun einmal einfach nicht passten.
Bis ich irgendwann erkannte, dass nicht ich „krank“ bin, sondern die Anforderungen, die an mich gestellt wurden…! Dass mich die Verhältnisse dazu angetrieben haben, mich selbst zu zerstören. Und genau da sollte man auch ansetzen, wenn man so ein Thema wie „Depressionen“ diskutiert. Ich bin mal ganz frech – und behaupte, dass es grade ein gewaltiges Problem ist, dass noch viel zu wenige Menschen „Depressionen“ haben! Es ist in meinen Augen nämlich durch alltägliche Beobachtungen erschreckend, wie viele Menschen eben genauso funktionieren, wie sie sollen. Und sich bei diesen überhaupt kein gesunder Geist mehr gegen völlig kranke Zustände wehrt, man schon gar keine kognitiven Dissonanzen mehr wahrnehmen kann. Denn Depressionen sind in meinen Augen auch zu einem bedeutenden Teil „Abwehrreaktionen“ eines gesunden Geists, der sich an „kranke“ Zustände anpassen soll. In diesem Sinne sind die formell „Gesunden“ eigentlich die, die man in eine geschlossene Psychiatrie einweisen müsste! Weil der durchschnittliche Mensch sich heute im Rahmen klassischer kapitalistischer Erwerbsbiographien permanent strukturell selbst schädigt; diese fast perfekte, systematische Selbstentfremdung ist es, die die Vielzahl der Menschen heute so gleichgültig und seelenlos hat werden lassen. Wir leben eigentlich sogar inzwischen inmitten von zig Millionen Sozio- und Psychopathen! Denen tut das schon gar nicht mehr „weh“; die sind im wahrsten Sinne schmerzbefreit. Und jetzt lebe mal mit diesem Wissen in so einer „Gesellschaft“. Dann verlieren wir sehr bald den Überblick, welche kranke Henne hier jetzt eigentlich ein gesundes Ei (oder umgekehrt…!) legt!
Deshalb gibt es natürlich grade bei Depressionen natürlich auch einen gewaltigen Anteil an „eigener Schuld“! Das ist aber ausdrücklich keine Schuldzuweisung von „außen“, sondern betrifft das Innere eines Jeden selbst! Wer z. B. auch deshalb depressiv wird, weil er in seiner bürgerlichen Reihenhaussiedlung vom Rest der Spießer abschätzig angesehen wird, weil er arbeitslos ist und sich kein Auto mehr leisten kann – der wird nicht umhinkommen, seine Einstellung in Sachen Materialismus kritisch zu hinterfragen. Denn es könnte ihm ja auch einfach am Arsch vorbeigehen, was irgendwelche Idioten von ihm denken…!
Da spricht an mancher Stelle der gute, alte Erich Fromm, der auch hier gern und oft zitiert wird.
„Heldentasse“ nimmt ihn häufig .-) ( Anmerk. „Haben oder Sein“ sollte man von ihm lesen )
https://www.youtube.com/watch?v=Dt09hfllNc8
– Für alle nichtkommentierenden Mitleser-
Grundthesen / Haben oder Sein ( Quelle Wiki )
– die Produktion habe der Erfüllung der wahren Bedürfnisse des Menschen und nicht den Erfordernissen der
Wirtschaft zu dienen
– das Verhältnis der Ausbeutung der Natur durch den Menschen wird durch das der Kooperation zwischen
Mensch und Natur ersetzt
-der wechselseitige Antagonismus zwischen den Menschen ist durch Solidarität ersetzt
oberste Ziele des gesellschaftlichen Arrangements seien das menschliche Wohlsein und die Verhinderung menschlichen Leids
-maximaler Konsum ist durch einen vernünftigen Konsum (Konsum zum Wohle des Menschen) ersetzt
der einzelne Mensch wird zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben motiviert
Das Layout issn bissl, naja….
http://lycaeum.org/mv/sci/Haben_oder_Sein__Fromm.pdf
@ Rainer N.
Zunächst gibt es einen wichtigen Unterschied bei Depressionen. Betrifft es Menschen mit genetischer, biologischer Tendenz zur Depression, dann verfehlt die Fehlerzuweisung vollkommen. Ich glaube, da sind wir uns einig. Der „Vorteil“ dieser Menschen ist, dass sie häufig ihre Krankheit bereits aus der Familienanamnese kennen und mit Medikamenten erfolgreich gegensteuern können. Andernfalls kann es für sie allerdings auch lebensgefährlich werden. Da hilft dann auch kein rationales Aufbegehren. Mehr weiß ich dazu allerdings nicht.
Etwas Anderes sind reaktive Depressionen, die zunächst gar keinen Krankheitswert haben, sondern in einem begrenzbaren Maß eine gesunde, natürliche Reaktion auf unhaltbare Zustände. Es wäre töricht davon auszugehen, dass unangemessene Situationen immer und sofort mit Energie, Kampfesmut und Erfolg zu bewältigen sind. Oft ist ein temporärer instinktiver Rückzug sogar die beste Gegenmaßnahme. Zu vermuten, dass Depressive sich durch Flucht in schlechte Gedanken und Gefühle dem Machtvollen unterwerfen, ist zu einfach und bedient tatsächlich das Klischee des Versagers. Zu allererst beweisen Depressive gerade mit dem Verweigern eines „Geht schon“ oder „Wir schaffen das“ eine innere Gegenwehr zum Machtausübenden und der Macher-Mackerei. Sich von unhaltbaren Situationen innerlich zu distanzieren ist also kein Ausdruck von Schwäche. Problematisch ist eine Verstetigung des Empfindens des Unhaltbaren und die zunehmende Isolation aus dem sozialen Umfeld, das häufig wie gewohnt im Räderwerk weitermacht. Wer sich aus schwierigen Situationen tatsächlich über längere Zeit nicht mehr befreien kann, verliert soviel Energie und Lebensfreude, das sich die Depression von seinem reaktiven Ursprung lösen kann und damit verselbstständigt. Erst dann kann man von einer tatsächlichen Krankheit sprechen, wenn also selbst äußerliche Entlastung und fördernde Umstände keine gute Stimmung mehr erzeugen. Das zu erkennen, ist einerseits für Gegenmaßnahmen sehr wichtig, andererseits aber auch eine beängstigende Erfahrung, die mit einer depressiven Verstimmung (z.B. 3 Tage Kloß im Hals ohne erkennbaren Grund) gar nicht vergleichbar ist. Natürlich ist das ungesund und falsch, aber eben kein rational durch Selbstbeherrschung und Aktivierung behebbarer Fehler, sondern eine therapiebedürftige Erkrankung. Ohne Dir ein Recht auf Depression zu verweigern ;-), fehlt Dir möglicherweise die Erfahrung zur verselbständigten und dauerhaften Depression.
Man ändert doch nicht wegen einigen depressionen die „Wettbewerbsökonomieorgie“.
Der Mensch wäre nicht da, wo er ist, mit solchen kinkerlitzchen…
PS: 😉 Guter Artikel!
… Dabei ist längst erwiesen, daß Hartz-IV auch psychisch krank macht. Erschwerend kommt noch hinzu, daß man sich noch die sonstigen Wehwechen zuziehen kann. Alles in allem können da schon mal etliche Wochen, Monate, wenn nicht Jahre an Arbeitsunfähigkeit zusammenkommen. Hier eine Übersicht, woran man mittlerweile erkranken kann …
Der Jobcenter-Poker um die Arbeitsunfähigkeit
https://aufgewachter.wordpress.com/2017/03/20/der-jobcenter-poker-um-die-arbeitsunfaehigkeit/
@Aufgewachter
Bei aller Übereinstimmung mit dir, aber das fängt lange vor Hartz-IV, und zwar schon mit dem ersten Tag der Antragsstellung bei der Arbeitsagentur an. Ich weiß von was ich schreibe, da mit der Umgang der Arbeitsagentur, bei ALG1, in Depression, getrieben hat, nicht erst ALG2, auch Hartz IV genannt, aber ansonsten stimme ich dir völlig zu.
Interessant wäre auch einmal historisch in dieser Hinsicht zu recherchieren, denn es gab schon einmal eine Zeit wo Menschen psychisch krank gemacht wurden in ganz Deutschland – von 1933 – 1945. Ich weiß ein drastisches Beispiel, aber wer damals etwas gegen Hitler hatte, war schnell ein Fall für die Psychiatrie, von den Juden, die mit alltäglichen Vorurteilen leben müssen, ebenso wie den anderen ausgegrenzten Gruppen, den Cinti und Roma sowie den Jenischen ganz zu schweigen. Übrigens Vorurteile, die bis heute in manchen dt. Hirnen rumspucken, und denen manche Vorurteile gegenüber deutschstämmigen und nichtdeutschstämmigen Menschen in Merkel-Gabriel-Schulz-Deutschland bis heute gleichen….
Zynischer Gruß
Bernie
Dazu:
http://www.neulandrebellen.de/2017/02/hartz-iv-und-mehr-depressionen-und-passivitaet-als-gewolltes-politisches-mittel/
Du solltest das aufdröseln. Die Übernahme von Miete, Heizkosten und ( bescheidensten ) Lebenshaltungskosten
kann nicht kranker machen als eine Obdachlosigkeit ohne jegliche Grundsicherung.
Warum übernimmt ein Staat, der dem Bürger Entsolidarisierung und Eigenverantwortlichkeit als
Leitmotiv ungefragt auf die Fahnen geschrieben hat überhaupt noch solche Kosten ?
Weil er die Kontrolle über Millionen von Menschen behalten will. Es geht dabei
nicht mehr um Sozialstaatlichkeit. Ginge es darum, ginge es auch um Verteilungsgerechtigkeit.
Tut es aber nicht.
Krank machen die Kontrollmechanismen und Repressionen denen Betroffene ausgeliefert sind
OHNE AN IHRER PERSÖNLICHEN SITUATION ETWAS ÄNDERN ZU KÖNNEN.
In anderen Zusammenhängen nennt man das Folter.
Schöner Artikel, der die Problematik auf den Punkt bringt. Ergänzend, als jemand der selbst seit Ende Dezember 2016 wegen sogenannter „mittelschwerer Depression“ vom Leistungsbezug der Bundesagentur für Arbeit krankgeschrieben ist, möchte ich anmerken, dass dies doch kein Wunder ist – die neoliberalen „Reformen“ töten eben. Ausgrenzung ist da auch ein Teil davon, und genau die führt zur Depression, egal welchen Grades. Interessant wäre einmal die Sanktionen, die Sperrzeiten, bei der Bundesagentur für Arbeit, und den Jobcentern, hinsichtlich dem Risiko an Depressionen zu erkanken zu untersuchen? Der Volksmund, zumindest in meiner Heimatregion, sieht da durchaus einen Zusammenhang – Das nun schon jahrelange Bashing der Kurzzeit- und Langzeitarbeitslosen führt eben zu Depressionen – was ja kein Wunder ist. Meinen Fall habe ich ja geschildert, der dazu geführt hat, dass ich vom Leistungsbezug ALG1 in Krankschreibung mit Depression abgerutscht bin – die via Folgebescheinigung immer wieder bestätigt wird. Nur soviel, ich kämpfe schon seit März 2016 darum, dass mein Leben weitergeht nachdem mir mein erlernter Beruf wegdegradiert wurde, und eine Umschulung, aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen, in einen neuen Beruf verweigert wird. Zudem lebe ich noch im selben Heim mit einer psychopathischen Schwester (hat mir ein Therapeut amtlich bestätigt nachdem ich ihm geschildert habe wie die mit polnischen Pflegehilfskräften, und mir, umspringt) sowie einer schwerpflegebedürftigen, dementen Mutter – was meine Depression noch verstärkt, und zudem mein Unverständnis, denn damals, als es den dt. Wohlfahrtsstaat noch gab, wurde uns geholfen, aber heute beschränkt sich die Pflege darauf uns nicht „verhungern zu lassen“. Wir müssen auf polnische Pflegeauszubeutende zurückgreifen sowie auf unterbezahlte Caritas-Mitarbeiter. Bei Demenz merkt man übrigens auch wie allein man als zu pflegende Person, und pflegender Angehöriger, ist – Einstige Freunde, und Bekannte, ja sogar Familienmitglieder, und Verwandte lassen sich sehr selten blicken, oder brechen den Kontakt zur Familie gleich ganz ab – traurig, aber leider wahr im neoliberalen Merkel-Schulz-Deutschland.
Morgen habe ich einen Termin bei der Sozialberatung meiner Heimatgemeinde, denn die Situation ist wirklich unterträglich für mich geworden, und hätte ich 1 Million wäre ich längst ausgezogen, denn Mensch hat nur ein Leben….und dies schreibe ich auch, und gerade, weil ich manchmal darüber nachdenke dieses endgültig abzuschreiben – Warum ich es nicht tue? Ich bin zu feige dazu, und außerdem bin ich Atheist, und weiß, dass danach nix mehr kommt….insofern hat mir mein persönlicher Atheismus schon mehr als einmal das Leben gerettet….
Gruß
Bernie
Sorry, ich weiß nicht wie dies hier funktioniert, aber noch ein kleiner Anhang zu meinem Text.
Ich hab mir fest vorgenommen Therapeuten beim Erstgespräch folgende zwei Fragen zu stellen:
1. Ist Ihnen die schwierige Lebenssituation von Angehörigen schwerpflegebedürftiger Menschen bewußt?
2. Sind Sie vorurteilsfrei? Insbesondere Arbeitslosen gegenüber?
Ich weiß warum ich dies schreibe, da ich einen Therapeuten „gefeuert“ habe, weil der mit mir nicht klar kam, und bin daher übervorsichtig geworden – Merke: Auch Psychodocs sind Menschen…..
Gruß
Bernie
ich möchte mal, nur als anregung, eine provokante frage stellen. sie hat ein wenig mit rainer n. und nachfolgenden antworten auf ihn zu tun, meint aber etwas anderes.
ist leiden als solches bereits krank, bzw. darf man auch leiden, ohne für krank erklärt zu werden, bzw. ist leiden grundsätzlich behandlungsbedürftig?
Wer leidet, ist in erster Linie hilfebedürftig. Oder emotionale Unterstützung reicht oder eine ärztliche oder therapeutische Behandlung nötig ist, muss im Einzelfall geklärt werden.
du hast da genau die eng eingegrenzte definition von leiden, die mich zu meiner frage gebracht hat. ich bin der auffassung, dass das leiden an einer krankheit und das leiden als krankheit nur zu gerne im sinne der pharmazeutischen industrie verwechselt werden.
@GrooveX
Die Frage ist in der Tat eine harte Nuss, die du uns da zu knacken gibst.
Ich denke, Leiden ist dann nicht krankmachend, wenn es zeitlich begrenzt ist, z.B. eine Trauerphase wg. des Verlustes eines nahestehenden, geliebten Menschen. Dann dient Leiden der Bewältigung eben dieses Verlustes.
Wenn Leiden zu einem Dauerzustand wird und der Betroffene gar nicht mehr in gewohnte Bahnen zurückfindet, wo er selbstbestimmt agiert statt auf ein traumatisches Erlebnis zu reagieren, dann würde ich das schon als krank bezeichnen.
ob leiden krankmachend, pathogen ist, das ist ja noch mal ne ganz andere frage. manche leute glauben ja, dass das leiden der anderen sie krank mache. man kann an verschiedensten dingen leiden, und nicht immer ist leiden ein angemessener gegenstand für die medizin. leiden kann auch eine gesunde rektion auf eine krankmachende umgebung sein, sei sie eine gesellschaft, eine müllhalde oder das meer des schiffbrüchigen. ich zum bleistift leide regelmäßig im flugzeug, und das einzig pathologische daran ist die tatsache, dass ich mich trotzdem reinsetze.
@GrovveX
Das stimmt, passt aber doch auch zu der zeitlichen Begrenzung, die aus meiner Sicht eben nicht-pathologisches Leid kennzeichnet.
An diesen Situationen kann man ja durchaus etwas ändern.
Ich leide z.B. unter großen Menschenmassen, weil ich mich dort sowohl erdrückt als auch irgendwie verloren fühle. zudem kann ich bei entsprechender Lautstärke einzelne Stimmen nicht mehr richtig herausfiltern, was Unterhaltungen in größerem Kreis zur Qual für mich werden läßt.
Dem kann ich aber durch Vermeidung entsprechender Situationen meißt entgehen und fühle mich damit auch durchaus wohl.
@GrooveX
Hm… fragst du nach sowas wie einem „Recht auf Leiden, ohne als krank zu gelten“?
Gibt es doch schon, nennt sich Trauern. Und das wird, soweit ich weiß, außer durch evtl. verstärkte Zuwendung lieber Mitmenschen gar nicht behandelt, sondern es wird auf die Selbstheilungskräfte der Psyche des Trauernden vertraut.
Ist also als krank zu klassifizieren, wer leidet? Nicht unbedingt. Es gibt auch den Faktor der Leidensdauer. Von krankhafter Trauer spräche man ja erst, wenn nach Jahren immernoch kein Fortschritt innerhalb der Phasen des Trauerns sichtbar wäre.
Chronisches Leiden ist, meiner ganz persönlichen Meinung nach, eine Krankheit.
Zur Behandlungsbedürftigkeit: Diese liegt unter zwei Umständen in der Entscheidung des Leidenden. Erstens muss er entscheidungsfähig sein ( klarer Verstand ) und zweitens darf sein Leiden nicht zu Leiden bei weiteren Personen führen.
Bei Depressiven ist das mit dem entscheidungsfähig sein so eine Sache. Bei schwer Depressiven stellt sich die Frage nicht mehr ernsthaft. Hier eine Behandlungsbedürftigkeit zur Diskussion zu stellen wäre m. E. unmenschlich und mit der Menschenwürde unvereinbar.
Warum die Klassifizierung einer Depression als Krankheit für Betroffene wichtig ist, habe ich weiter oben geschrieben. Krank sein entlastet von Eigenverantwortung für die Situation ( ob nur vermeintliche oder echte spielt hierzu keine Rolle ) und schafft so einen Umstand, den ein Betroffener schlicht und ergreifend akzeptieren kann. Dieser Akzeptanzschritt ist gleichzeitig der erste Schritt der Standardtherapien. Hinsichtlich einer Behandlung macht es also unbedingt Sinn, Depression = Krankheit zu setzen.
Im Internet, wo man mit beginnender Depression ja noch durchaus mitliest, ist das Geschreibsel von denjenigen, die es mit Eigenleistung aus ihrem persönlichen Jammertal geschafft haben und jetzt an Eigenleistung anderer appellieren ( „du bist nicht krank, nur verhältst du dich selbstzerstörerisch, hör auf damit, ging bei mir ja auch, lies dazu am besten dieses Buch“ ) genau das Gegenteil von hilfreich.
Nutzlose Lebensratgeber mit nicht übertragbaren Einzelbeispielen ihrer Autoren verstopfen in den Buchahndlungen der Welt ganze Regalkilometer.
Das dazu, warum ich auf Rainer N. und auch Dennis82 so reagiere, wie ich reagiere.
@ChrisA
Da kennst du die fleißigen Bienchen und ihre Helfer von der neolib-Verwertungsfraktion aber schlecht.
https://vistano.com/psychologie/trauerarbeit/trauer-wann-hat-sie-krankheitscharakter/
Noch nicht einmal in Ruhe trauern kann man mehr. Kostet Wertschöpfung und Profit. Wertlose gefühlsdusselei wird nicht mehr geduldet. Nächster möglicher Schritt, in einer empathielosen Gesellschaft wie dieser? Soylent Green. Basta!
nein. ich habe auf gar keinen fall nach einem recht auf leiden (… ) gefragt. das wäre ja das gleiche, wie ein recht zu sterben! danach fragt man nicht. aber du hast schon etwas angesprochen, nämlich ‚ohne krank zu gelten‘. als krank giltst du für andere, seien es arbeitgeber, krankenkassen, angehörige, wer oder was auch immer zugriff auf deine persönliche verfassung glaubt haben zu müssen. andersrum: wer über deine verfassung in diesem sinne die definitionsgewalt hat (gilt nach icd fragmichnicht als krank), bestimmt über deine soziale zugehörigkeit bzw. nichtzugehörigkeit. leiden (also das des anderen) als krankheit ist ein wunderbarer ausschlussgrund – immer schon gewesen.
echt jetzt? standardtherapien? es macht sinn? wtf??? was macht denn da sinn? das ist doch einfach nur daher gebabbelt. die hilflosigkeit gegenüber depressiven menschen ist das einzige, das der anerkennung bedarf. und dann merkt man ganz schnell, dass die eigene hilflosigkeit nicht durch medikamentenverabreichung an andere therapiert werden kann. aber das ist wieder ein ganz anderes thema.
im übrigen bin ich ganz und gar nicht der meinung, dass depressive oder anders gefühls- oder wahrnehmungsverstörte menschen selbst ‚ihres glückes schmied‘ wären. solche plattheiten (wie einige andere auch) hab ich mir anno dunnemals, also früher, als selbst früher war alles besser noch besser war, abgeschminkt.
@GrooveX
Ich will erklären, warum es aus meiner Sicht „Sinn macht“. Die Hilflosigkeit Betroffenen gegenüber anzuerkennen, finde ich richtig.
Am Beginn einer Depression, wenn ein Betroffener ganz unzweifelhaft feststellt, dass mit ihm etwas vorgeht, stellt sich ein Gedankenkarussel im Kopf ein: Warum ich – was habe ich getan – welche Schuld habe ich auf mich geladen, das zu verdienen – und alles wieder von vorne, mit Tendenz zur Abwärtsspirale.
Solche Gedankenschleifen durchlaufen auch nichtdepressive Menschen durchaus mal. Sie können sie dann mit einer gezielten Handlung, die meist auf einem positiven Impuls gründet, durchbrechen.
Nun ist bei Depressiven die Hirnchemie genau derart verändert, dass positive Gedanken, Glücksempfinden, Eigenantrieb, eigentlich also alles was zu einem positiven Impuls führen könnte, nicht mehr stattfinden kann.
Man vegetiert dann an einem dunklen Ort vor sich hin, wo sich u. a. ein Schuldbekenntnis im Kopf dauernd wiederholt und den Ausgang blockiert.
In der Therapie wird daran gearbeitet, das Gefühl Schuld zu sein, zu überwinden. Der einfachste Ansatz: „Es ist eine Krankheit, ich muss akzeptieren, dass ich krank bin. Ich bin aber nicht schuld an dem, was die Krankheit aus mir macht, denn niemand ist schuld daran, was er durch eine Krankheit wird.“
Das geht freilich nur unter Bedingungen, wo nicht offen diskutiert wird, ob Depressive jetzt eigentlich überhaupt krank sind. Und da nicht jeder Therapiebedürftige in eine geschlossene Abteilung soll, wäre eine im Sinne einer solchen Therapie Umwelt wünschenswert, in der Depression als Krankheit gilt.
Man kann jetzt die Therapie in Frage stellen und diese Argumentation auf diese Weise entkräften. Ich habe aber gesehen, dass es wirkt und das mehr als nur ein mal. Übrigens immer mit Unterstützung durch Medikamente, die in die Hirnchemie eingreifen.
Eine Diskussion darüber, ob da nicht Krankheiten herbeidefiniert werden, um in neoliberaler Tradition ein verwertbares Gut Patient zu schaffen, kann man in der Gesamtschau auf die heutige Medizin führen – im speziellen Hinblick auf Depressionen finde ich sie aufgrund meiner Erfahrungen aber einfach nur das Gegenteil von hilfreich.
ich will eigentlich niemals mit einem leidenden den krankheitswert seines leidens diskutieren.
wenn jemand von sich sagt, ‚ich bin depressiv, ich bin krank‘, gut, alles klar. ich bin kein arzt, kann und muss niemanden krank schreiben. ich wollte nur hier im forum den fokus auf vorstellungen, die vom leiden existieren, richten und die gleichsetzung von leiden und krankheit hinterfragen. dabei wollte ich schon auf die gesellschaftlichen, gelegentlich auch existentiellen (siehe 3. reich – hadamar etc.) auswirkungen solcher zuschreibungen hinweisen. ich weiss, dass es keine ’standardtherapie gegen depression‘ gibt. die psyche, seele, das gemüt, der charakter, deine innere verfassung, das entzieht sich dem adlerauge des mediziners. man hat es mit allem versucht, einschließlich lobotomie und elektroschocks. ist ja noch gar nicht so lange her, dass hemingway nach dem ganzen tort in den folterkammern der amerikanischen institutspsychiatrie die sache für sich abgekürzt hat. wir hoffen alle auf das defekte gen, warum auch immer. vielleicht kann man es ja abschneiden, prophylaktisch aus dem ei oder spermium… das wird ein heidenspaß, wenn die befruchtungswilligen menschlein zuerst zu den genchirurgen rennen, damit ihr nachwuchs etwas heller, klüger und sanguinischer wird als sie befürchten.
brave new world
Guter Einwand. Es läuft ja oft umgekehrt; man sieht jemanden leiden – und verpasst ihm umgehend den Stempel „krank“! „Krank“ oder „nicht krank“ ist ja schon ein relativ scharfes Schwert, von dem teilweise sehr viel abhängt, auch rechtlich. „Das ist ja krank!“ – ist aber nicht umsonst ein eher negativ besetzter Ausspruch. „Krank“ zu sein bedeutet doch grade heute im neoliberalen Modell doch in erster Linie, nicht (voll) leistungsfähig zu sein – und somit anderen auf der Tasche zu liegen. Also Ausgrenzung; wirklich Rücksicht nimmt doch auf lange Sicht auch keiner; bei chronischen Erkrankungen erledigen sich dann viele persönliche Beziehungen auch sehr schnell.
Damals im Studium krochen sehr viele regelrecht auf dem Zahnfleisch, es wurden sich Aufputschmittel und Lerndrogen reingezogen bis zum Erbrechen, man schleifte sich als Wrack in die FH – aber wer mal öfter ein paar Tage gefehlt hat, war beim Rest schnell unten durch; ein Low-Performer, der nix aushält…! Und das ist doch allgemein im Berufsleben heute exakt genauso!
Die Diagnose „Depression“ ist doch für viele auch ein „Ausweg“ (und ich mein das nicht kritisch oder negativ), um den Hartz-Sanktionen zu entgehen. Ich bin da ganz ehrlich: ich will nicht nur deshalb Ruhe vorm Jobcenter haben, weil man mir attestiert hat, „krank“ zu sein! Das bekäme ich bestimmt irgendwie hin, zumal ich trotz der Tatsache, dass ich mit mir selbst im Reinen bin, von außen mit meinem „unangepassten Lebensstil“ als mehr oder weniger „bekloppt“ und eben auch (wegen meiner vermeintlich „zu negativen“ / realistischen Grundeinstellung) als „depressiv“ angesehen werde. Ja, sogar in Blogs wurde schon von Kommentatoren aus der Ferne diagnostiziert, ich würde an einer depressiven Störung leiden…
Damals während der Zeit des „Studiums“ und danach fand ich es immer wieder entmutigend, anmaßend aufgefordert zu werden, sich doch mal „in Behandlung“ zu geben und sich ein paar Stimmungsaufheller verschreiben zu lassen. Das Humankapital marktkonform reparieren! Ich leide in der Tat – aber ich fühl mich nun einmal nicht „krank“; ich empfinde die Gesellschaft als „krank“ – leider definiert die Mehrheit, wer als was zu gelten hat…! Nur wie soll die „Hilfe“ dann aussehen, wenn die kranke Gesellschaft eben nicht heilbar ist…!?
Es verschwanden aber auch viele. Einige nahmen Feuerlöscher, warfen die dicken Scheiben im Uni-Hochhaus damit ein und sprangen hinterher. Sie konnten mit einer Dauerleidensgeschichte nicht aufwarten.
Man sollte Selbst-, und Fremdbild nicht vertauschen. Den meisten Kommilitonen ist man gleichgültig.
Es gibt jetzt fast an jeder Uni psychosoziale Beratungsstellen. Wenn die Decke runterkommt, mal beim Studentenwerk nachfragen. Beratung und Hilfestellungen sind kostenlos.
Für Studenten die aus Nichtakakademikerfamilien kommen, denen das ganze Gemache an der Uni fremd ist
weil in der Familie nie darüber gesprochen werden konnte, können sich an arbeiterkind.de wenden.
Das nimmt auch den Druck wenn man da jemanden hat.
http://www.arbeiterkind.de/
das totale OFF TOPIC antidepressivum: die telekom hat den ersten ausbildungsgang ‚hacker‘ abgeschlossen. jetzt hat sie endlich ihk-zertifizierte hacker. vielleicht sollten die ein joint venture mit der bundeswehr machen. da sind doch unendliche synergien denkbar. früher war das doch auch kein problem. okay, die hacker hatten damals mit dampf gearbeitet. ich weiss nicht, was sie heute nehmen. möglicherweise fachsoftware vo digitask. ich bin völlig zergeistert – oder so.
Ein großartiger Artikel. Mir fällt dazu Jiddu Krishnamurtis Satz ein: „It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.“ (Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepaßt an eine zutiefst kranke Gesellschaft zu sein.)
[…] einem Artikel bei den Neulandrebellen namens „Depressionen: Das gefährliche „Uns-geht-es-gut-Paradoxon““ stellt Tom Wellbrock einen Zusammenhang zwischen Depressionen und Druck in der Arbeitswelt […]
ich versteh einfach nicht, wieso die Armut immer von allen unter den Teppich gewischt wird !?…
weil zu viele selbst betroffen sind?! angst davor haben, betroffen zu werden?!
Ich finde Kettensägen im Jobcenter- bezugnehmend auf dem allerersten Beitrag ganz erfrischend
Rache und Gewaltphantasien können Magengeschwüre verhindern und auch verhindern sie sogar, dass man real ausrastet…..das jobcenter hat die kettensäge echt verdient., ich spreche da aus eigener leidenserfahrung.
Die rachegelüste unschön zu finden oder sich zu mokieren wenn ein drastische Sprachbild verwendet wird das das Gewaltverhältnis umdreht- finde ich bemerkenswert denn das eine sind phantasien oder worte – aber in der Realtität sind die Machtverhältnisse aber andersrum verteilt und verurschen auch sehr viel leid und zerstören Menschen und zwar sehr real – Vernüftig zu sein und nicht mal die sowas rauszuhauen ist für mich dann eher depressionsfördernd!!!!!!!!
und kennt ihr das noch………
Und mich fragen „Welchen sollen wir töten?“
Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen
Wenn man fragt, wer wohl sterben muss.
Und dann werden Sie mich sagen hören „Alle!“
Und wenn dann der Kopf fällt, sage ich“Hoppla!“
.(Brecht Seeräuber jenny – einfach großartig)
Zum thema Depression: Therapeutinnen sind meißt auch sehr neoliberale priveligierte Mittelstandshäßchen die nach einem pychologie oder päd Studium auch noch kostenspielige Therapeutische Ausbildungen abolvieren und in der zeit müssen sie ja auch von was leben ja wovon bitte…… in den Teambesprechungen und Supervisioenen besprechen sie sich dann mit andern Mittelstanshäßchen und schmoren in ihrer Paralellwelt immer im eigenen Saft-
Themen wie Armut – Jobcenter geselltschftlicher Ausschluss die ggf aber ihre Klienten betreffen etc snd denen sehr fremd und Tabu- sie reden nicht gerade sehr repektvoll mit menschen deren lebensituaiton nicht im geringsten nachvollziehen können
Das ist auch gar nicht ressourchen voll und nicht resielent und auzuklammern-
und es geht natürlich um Selbstoptimierung- außerdem wollen sie in erster Linie Geld verdienen es mag Ausnahmen geben…
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aber ich musste mir anhören nachdem ich eine Intervention kritisierte, weil ich mir das schlicht nicht leisten konnte- instrument kaufen und musikunterreicht nehmen….. also das kritisierte ich weil meine prkäre situation ja bekannt war- worauf ich zu hören bekam dass die Intervention gut war und richtig und die Armen in den fernen Ländern , was die Therapeutin von ihren zahlreichen Fernreisen wusste diese ARmen waren total glücklich – das hätte also mit meiner glücksfähigkeit überhaupt nichts zu tun und an der müsste ich arbeiten…. und die werden da weggetreten…..
das sind die aussagen einer berliner traumatherautin und ich könnte noch unzählige weitere aufzählen – also ich denke Theapien schaden auch oft und das wird auch gerne verschwiegen und nicht diesen Menschen ausgeliefert zu sein kann auch ein Segen sein
Durch behandlung habe ich mich sehr verschlechtert……
Erst einmal Daumen hoch für eure Seite! Endlich mal jemand, der mit klaren Worten, die Themen auf den Punkt bringt.
Vorab mal ein Zitat von Sigmund Freud: „Bevor du dir selbst Depressionen oder geringes Selbstwertgefühl diagnostizierst, stelle erst mal sicher, dass du nicht komplett von Arschlöchern umgeben bist.“
Und genau dieser Satz ist die beste Therapie dieser „Krankheit“. Mal an alle ebenfalls Betroffenen, stellt euch einfach mal die Frage wer wirklich krank ist.
Ich versuche mich kurz zu fassen, denn für meinen eigentlichen Kommentar bräuchte ich einen eigenen Blog. Ich habe mal in die Blogs anderer Betroffener gestaut und mir platzt der Kragen, wenn ich da z.B. von Diagnosen wie „Hochsensibilität“ lese. Diesen armen Menschen wird ihre Emotionalität tatsächlich als Krankheit attestiert. In was für einer Welt leben wir nur? Krank sind die, die das ganze Elend nicht mehr ertragen können und gesund, angehört und gefeiert sind die, die es verursachen.
Eine „Heilung“ kann es nicht geben, weil es keine Krankheit ist. Es ist ein Symptom unserer heutigen Lebensweise, ausgelöste durch eine riesengroße Volksverarschung.
Leute, macht euch mal die Zusammenhänge klar und schaut mal tief in euch hinein. Eine Depression ist ein wahrer Segen und ein Signal eures Körpers und Geistes, der euch zwingt sich auszuruhen, nachzudenken und erden. Betäubt, verdrängt und verachtet eure Gefühle nicht! Ändert nicht euch, ändert euer Umwelt!
Zum Schluss eines schönes Zitat aus dem Gottesdienst: „Zu sagen, man kann nichts tun, ist die größte Gottesverleugnung die es gibt.“ In diesem Sinne, liebe Neulandrebellen, weiter so!