AfD: Das ganz normale Verbot einer ganz normalen Partei

Es ist ein Stück in (bisher) zwei Akten. Erst wird bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags von den etablierten Parteien eine chaotische Szenerie aufgeführt. Dann folgt der Ruf nach einem Verbot der AfD.

Im Mainstream muss man lange suchen, bis man auf Stimmen stößt, die die Inszenierung im Thüringer Landtag vornehmlich den etablierten Parteien in die Schuhe schieben. Doch das ändert nichts daran, dass das der Fall ist, und auch das BSW hat sich an dem Schauspiel beteiligt. Abgesprochen oder auch nicht waren sich offenbar alle einig, dass die Bildung des Landtages in einem Desaster enden sollte, für das man im Anschluss de AfD die Schuld geben wollte. Man kann sich vortrefflich darüber streiten, ob das gelungen ist, würde man Autoren von „Süddeutscher Zeitung“, dem „Spiegel“ oder der „Tagesschau“ fragen, würden wohl alle Vollzug melden. Der gemeine Wähler dagegen dürfte das Theater anders beurteilen.

In jedem Fall hat sich nun eine Front gebildet, die der Meinung ist, so etwas wie in Thüringen dürfe sich nicht wiederholen. Diese Fraktion ist zudem der Ansicht, jetzt einen triftigen Grund für ein Verbot der AfD gefunden zu haben. Dagegen gibt es Widerstand, doch es lohnt sich, auf die jeweiligen Begründungen zu schauen.

Verbot, weil …

Der Linken-Landtagsabgeordnete Michael Noetzel erklärte mit Blick auf den Eklat im Thüringischen Landtag, die Vorgänge dort seien „selbst die besten Argumente, um die letzten Kritiker eines Parteiverbots umzustimmen“. Das muss man wirken lassen, denn wie das Chaos in Thüringen als Argument für ein Parteienverbot herhalten kann, erschließt sich selbst dem wohlgesonnenen Beobachter nicht. Doch es gibt ja auch noch andere Versuche, aus einem Parteienverbot eine noble Sache für die Demokratie zu machen.

Beim NDR ist nachzulesen:

„Zur Begründung heißt es in dem Antragsentwurf, die AfD wende sich gegen den Kern des Grundgesetzes, gegen die Würde des Menschen und das Demokratieprinzip. Beispielsweise spreche die AfD Migranten mit deutschem Pass eine Staatsbürgerschaft ab. Deutsche mit Migrationshintergrund seien für die Partei keine ‚vollwertigen Deutschen'“.

Seit Corona ist allgemein bekannt, dass die Richter des Bundesverfassungsgerichtes schon mal ein oder zwei Augen zudrücken, wenn es darum geht, die merkwürdigen Ansichten der Bundesregierung durchzuwinken. Doch in diesem Fall wäre schon viel positive Interpretation nötig, um die AfD zu verbieten, weil sie etwa Deutsche mit Migrationshintergrund für keine „vollwertigen Deutschen“ halte.

Aber was ist mit dem „Kern des Grundgesetzes“, der „Würde des Menschen“ und dem „Demokratieprinzip“? Geht da vielleicht was? Nein, eher nicht, denn erstens sind diese Formulierungen vage, und zweitens gibt es keine Pflicht, sich diesen Attributen anzuschließen, abgesehen davon, dass sie auf vielerlei Art und Weise interpretiert werden können. Wer möchte denn abschließend festlegen, was der Kern des Grundgesetzes ist, wer die Würde des Menschen bis zum letzten I-Punkt ausformulieren und das Demokratieprinzip präzise in einem Satz zusammenfassen?

Übrigens: Die Verfechter eines Verbots scheinen sich schon auf die Niederlage vorzubereiten, denn im Fall eines Scheiterns wollen sie zumindest die staatliche Parteienfinanzierung der AfD beenden. Das käme einem Verbot zwar nicht gleich, wäre aber ein empfindlicher Schlag für die AfD.

Manuela Schwesig (SPD) hat auch ihre Vorstellungen davon, warum die AfD verboten werden müsse:

„Aus Sicht von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat der Vorgang (in Thüringen) gezeigt, dass die AfD keine Partei ist, die Verantwortung tragen sollte. Das, was in Thüringen passiert sei, ‚ist nur der Anfang‘, sagte Schwesig. Eine AfD in Regierungsverantwortung führe ins Chaos. Das müssten alle die wissen, die meinten, die AfD solle doch einmal in Verantwortung kommen.“

Diese Einordnung muss man nicht weiter kommentieren, sie grenzt an die infantile Sicht eines Kleinkindes auf die große Politik.

Kein Verbot, weil …

Naturgemäß gibt es auch Gegner eines Verbotsverfahrens. Diese sind in allen Parteien zu finden, was zunächst einmal ein Zeichen für einen gewissen Grad an Restvernunft bedeuten mag. Aber die Begründungen zeigen erhebliche Schwächen.

Ralf Stegner (SPD) ist zwar grundsätzlich für ein Verbotsverfahren, trägt aber auch Zweifel vor. Laut „Handelsblatt“ sagte Stegner:

„Dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist, dass sie vom Verfassungsschutz als gefährlich für unsere demokratische Ordnung eingeschätzt wird und dass sie skrupellose Faschisten in ihren Führungsreihen hat, steht außerhalb jeden vernünftigen Zweifels.“

Er fügte aber hinzu, dass ein Verbotsantrag keine Niederlage zulasse, er müsse genau geprüft werden, denn:

„Der Worst Case wären gespaltene demokratische Fraktionen und Parteien, während die Demokratiefeinde sich ins Fäustchen lachen.“

Sahra Wagenknecht (BSW) ging noch weiter und sagte:

„Das ist wirklich der dümmste Antrag des Jahres.“

Man müsse die AfD argumentativ bekämpfen, nicht durch ein Verbot. Statt die berechtigten Anliegen der AfD-Wähler ernstzunehmen, wolle man „den unliebsamen Konkurrenten jetzt mit der Verbotskeule erledigen“, so Wagenknecht.

Wenn Verbot, dann „richtig“

In eine andere Richtung zielt Tobias Hans (CDU), ehemaliger Ministerpräsident im Saarland. Er schrieb auf X:

„Die AfD ist nicht nur gefährlicher und menschenverachtender als es die NPD je war, sie hat in Thüringen sogar den beinahe erfolgreichen Umsturzversuch unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung gestartet. Ein deutsches Parlament sollte entmachtet werden. Nur das Verfassungsgericht konnte diesen Wahnsinn noch stoppen. Wollen wir wirklich warten, bis diese Partei auch im großen Stil Verfassungsrichter einsetzt? Dann ist es ganz zu spät. Es braucht ein neues Verbotsverfahren der AfD.“

Damit überschreitet Hans nicht nur Grenzen des Extremismus, indem er von einem „Umsturzversuch“ spricht, was weit von der Realität entfernt ist. Er zielt aber zumindest auf einen möglichen Grund für ein Verbot ab, der erfolgversprechend sein könnte. Anders als andere Politiker denkt Hans offenbar darüber nach, wie schwierig ein Verbot der AfD tatsächlich ist. In einer normalen Welt (die wir aber nicht haben) wäre der Ansatz von Tobias Hans jedoch ebenso zum Scheitern verurteilt wie die bisher gelieferten Begründungen anderer Politiker.

Wann kann eine Partei verboten werden?

Losgelöst von den emotionalen und inhaltlich auffallend schwachen Argumenten für ein Verbot der AfD sei darauf hingewiesen, wann ein solches Verbot grundsätzlich möglich ist.

Ausgerechnet aus der SPD kommen schlüssige Gegenargumente. Kevin Kühnert, sonst nicht für intellektuelle Überflüge bekannt, merkt an, dass bei einem Verbot der AfD Beweise vorgelegt werden müssten, „bei denen sie sagen, das ist klar gegen die Verfassung gerichtet und deshalb sollten die verboten werden.“ Derlei Beweise lägen Kühnert aber nicht vor.

Tobias Hans zielte mit seinem überzogenem Statement in die gleiche Richtung, und das ist die einzige, die überhaupt Sinn ergibt, wenn man über ein AfD-Verbot nachdenken will. Die Bundesregierung selbst schreibt auf Ihrer Website:

„Eine Partei kann nur dann verboten werden, wenn sie nicht nur eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt, sondern diese Haltung auch in aktiv-kämpferischer, aggressiver Weise umsetzen will. Für ein Parteiverbot genügt es also nicht, dass oberste Verfassungswerte in der politischen Meinungsäußerung in Zweifel gezogen, nicht anerkannt, abgelehnt oder ihnen andere entgegengesetzt werden. Die Partei muss vielmehr planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen wollen. Dies setzt voraus, dass konkrete, gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann.“

Damit ist faktisch alles gesagt. Mögen diejenigen den Arm heben und sich zu Wort melden, die allen Ernstes glaubhaft versichern können, dass die AfD nicht nur eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt, sondern diese auch noch in aktiv-kämpferischer Weise umsetzen will. Ersteres ist schwer nachzuweisen, Letzteres praktisch überhaupt nicht. Denn sogar wenn man in der AfD Mitglieder finden mag, die über die für ein Parteienverbot notwendige Haltung verfügen, wären diese individuell zu behandeln und als Begründung für das Verbot einer kompletten Partei nicht ausreichend.

Die Stimmen, die sich gegen ein AfD-Verbot aussprechen, tun dies auf sehr fragwürdige Art und Weise, denn sie müssten tatsächlich auf den totalitären Zug hinweisen, der mit einem Verbotsantrag verbunden ist. Unabhängig davon, wie man zur Partei AfD steht, sollten in jedem demokratisch schlagenden Herzen sämtliche Alarmglocken zu läuten beginnen, wenn Stimmen laut werden, die mal eben und aus fadenscheinigen Gründen das Verbot einer Partei fordern.

Für das Erklingen dieser Alarmglocken muss man weder Mitglied noch Wähler noch der AfD gegenüber neutral eingestellt sein. Man muss sich nur bewusst machen, dass das Verbot der AfD, eingebettet in die aktuelle politische Landschaft, das Ende der Parteienvielfalt wäre und somit auch die freie Meinungsäußerung einmal mehr massiv beschneiden würde. Was soll eigentlich noch passieren, bis ein wirklicher und massenhafter Aufschrei durch Deutschland geht, der der Autokratie seinen Widerstand entgegenruft?

Nachtrag: Man kann eine Gefahr auch herbei schreiben und so den eigenen Extremismus dokumentieren.

Spenden:

Per Überweisung oder Dauerauftrag:

Kontoinhaber: Jörg Wellbrock

Kontobezeichnung: neulandrebellen

IBAN: DE10 2305 2750 0081 6124 26

BIC: NOLADE21RZB

Via PayPal:

neulandrebellen@proton.me oder neulandrebellen@gmail.com

Steady:

steadyhq.com/de/neulandrebellen/about

Telegram-Wallet:

1NWHn1MxDACfGEefN9qxVWKXLucKwmiWcy

oder

 

 

 

5 1 vote
Beitragsbewertung
[print-me target="article .article-content" title="Diesen Beitrag ausdrucken"]

Tom J. Wellbrock

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

Unterstütze uns und hilf dabei, die neulandrebellen besser und wirkungsmächtiger zu machen
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

3 Kommentare
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
tafelrunde
tafelrunde
Gast
3 Tage zuvor

J.F. Kennedy sagte einst:
„Wir haben keine Angst davor, das amerikanische Volk mit unangenehmen Tatsachen, ausländischem Gedankengut, fremden Philosophien und kompetitiven Werten zu konfrontieren; denn eine Nation, die Angst davor hat, von ihren Bürgern Wahrheiten und Unwahrheiten in einem offenen Markt beurteilen zu lassen, ist eine Nation, die Angst vor ihren Bürgen hat.“
Kennedy ist tot.

Diese Mischpoke der „Unseredemokratie“-Verteidiger (hat schon fast was von Erichs „deutschkratsche-Repulik“) bedienen sich für ihre menschenverachtenden Machenschaften sehr gerne des, gerade im gebenedeiten „Wertewesten“, tief verankerten Nazigeistes! Die gleichen Methoden, die gleichen Strategien aus der Gedankenwelt der damaligen Faschisten.

Die meisten Leute in Deutschland sind es nicht wert, dass man sich um sie Gedanken macht. Sie haben alles verdient, was da noch kommen wird.

n.b
n.b
Gast
2 Tage zuvor

Damit überschreitet Hans nicht nur Grenzen des Extremismus, indem er von einem „Umsturzversuch“ spricht,

Wenn das ein Umsturzversuch ist, bin ich der Kaiser von China…

Zumindest wissen wir jetzt gesichert wer zur Hölle in Wirklichkeit die Faschos sind die auf Demokratie schei*en!

Es ist nicht die AfD!!! Und um das festzustellen, muss ich weder die Partei wählen, mögen oder anders politisch zustimmen.

Wir leben wahrlich in sehr interessanten Zeiten…

flurdab
flurdab
Gast
Reply to  n.b
2 Tage zuvor

Das ist übrigens der Hans, der den Ungeimpften via Interview mitteilte: „Ihr seid raus aus dem Leben“.
Der hätte mit seinen „soliden“ Bildungs- und Berufsabschlüssen auch Karriere bei den Grünen machen können.
Ich hatte gehofft nie wieder was von dem Vogel zu hören, aber scheinbar sind Zombis in der Politik Alltag.

Die Schlesig war in ihrer Funk­tion als Bundes­ratspräsi­dentingerade mit einer 75 köpfigen Delegation in Brasilien.
Früher ist nur der Betriebsrat von VW nach Braslilien geflogen, wegen Puff und Huren und Betriebsklima.
Die Parlamente in Deutschland sind die teuersten Kindertagesstätten die wir uns leisten können.
Ich könnte mich für eine zweite Wahl nach der Bildung von Regierungen begeistern, in der die Wähler die Minister bestätigen müssten.
Könnte ein bisschen ruckeln, aber Corona hat uns ja bewiesen das Zeit keine Rolle spielt.

3
0
Would love your thoughts, please comment.x