Märchenerzähler und andere Journalisten

Der Stern lieferte neulich ein Interview mit einer Geächteten: mit Ulrike Guérot nämlich. Wer in dem Stück allerdings wirklich geächtet wurde? Der Journalismus!

Dass der Qualitätsjournalismus im Lande nicht mit denen spricht, die er moralisch herunterputzt, stimmt nicht. Er tut es. Natürlich lässt er Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer zu Wort kommen, selbstverständlich spricht er mit Alice Weidel oder Elon Musk — um nur einige Namen zu nennen. Hin und wieder wird sogar das wiedergegeben, was diese Personen gesagt haben — dann quasi aber in einer kommentierten Fassung, um den Rezipienten an der Hand zu führen und ihm Orientierung zu geben. Er soll schließlich wissen, wie er das Gesagte einzuordnen hat.

Zuletzt gab der Stern Ulrike Guérot eine Stimme. Er tat jedenfalls so. Die Politologin wurde in einer Reportage von Stephan Maus ausgiebig zitiert. Maus und Guérot saßen in Charlottenburg zusammen, so leitet der Journalist seinen Artikel ein. Die Überschrift seines Machwerks verspricht zu erläutern, wie die Politikwissenschaftlerin zu einer Geächteten wurde. Dabei macht Maus aber genau das: Er ächtet seine Gesprächspartnerin, lässt sie mit laxen Nebensätzen und eigenwilligen Interpretationen dumm aussehen.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Clarisse
Clarisse
11 Monate zuvor

Wie sagte doch unsere oberste Klimanichtversteherin Frollein Neubauer gerade so schön auf der religiösen OMR Messe : „Geschichte schreiben statt Märchen erzählen.“

https://www.abendblatt.de/hamburg/article238366705/Neubauer-Geschichte-schreiben-statt-Maerchen-erzaehlen.html

Glücklicherweise schon hinter der Bezahlschranke verschwunden, war wohl zu banal. Der Stern hat ja auch schon Geschichte geschrieben mit der Veröffentlichung von Adolfs Tagebüchern. Man sollte dort, damit der Stern nicht in der Versenkung verschwindet, so langsam mal Stalins Tagebücher veröffentlichen.

Wütender Bürger
11 Monate zuvor

Ich habe gestern den aktuellen Podcast „Ludgers Welt“ auf Kontrafunk gehört, und das Thema jener Ausgabe passt ganz gut zu diesem Artikel von Roberto:
Ludger K. im Gespräch mit Sandra Kostner: „Wenn ich was verbergen will, dann muss ich es unterdrücken.“

Dr. Sandra Kostner ist Migrationsforscherin, Historikerin und Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Ihr kritisches Sachbuch „Pandemiepolitik – Freiheit unterm Radar?“ erschien 2022 als Essaysammlung und bleibt gerade jetzt im „Post-Covid-Zeitalter“ eine äußerst spannende Lektüre. „Es ist wichtig, im öffentlichen Debattenraum unterschiedliche Interpretationen gleichwertig zur Diskussion stellen zu können“, meint Sandra Kostner, und auch ihre neuste Veröffentlichung „Ukrainekrieg: Warum Europa eine neue Entspannungspolitik braucht“ möchte dazu einen Beitrag leisten.

Absolut Hörenswert!

spartacus
spartacus
11 Monate zuvor

Zurück aus dem Off. Schön. 🙂

flurdab
flurdab
Reply to  Roberto J. De Lapuente
11 Monate zuvor

Und ich hatte heute morgen schon den Frühstückstisch für Überraschungsbesuch gedeckt und die Haustür offen gelassen.

ShodanW
ShodanW
11 Monate zuvor

Dieses Fühli-Zeug hat wahrlich das Potenzial, zum Interpretationskompass zu werden. Dabei wird natürlich der eigene Gefühlskompass ausgeblendet, den Maus ja angeblich außen vor lässt. Macht sich selbst zur Maschine und Guérot zur Fühlenden. Interessant, wie man dieses Mensch-Maschine-Muster immer wieder umgestalten kann – das ist aber nur Mittel von Opportunisten. Wenn es andersrum geframt werden soll, ist die Gefühlslage eines Interviewpartners dann wieder das Mittel zur Legitimierung einer gewollten Aussage seitens der Autoren oder des Verlages. Könnte glatt als „On-Off-Beziehung“ zum eigenen Berufsethos durchgehen.

flurdab
flurdab
11 Monate zuvor

Soll ich jetzt glauben das die Guérot diesen „Artikel“, ohne ihn gegen gelesen zu haben, zur Veröffentlichung frei gab?

Na ich weiß ja nicht…