Appell an die soziale Menschlichkeit

Nach unseren Texten „Teert und federt die Jugendlichen, die Termine beim Jobcenter versäumen!“ (der vielleicht auch „Wann verbietet der Neoliberalismus die Pubertät?!“ hätte heißen können) und „Edel sei der Mensch, verdammt nochmal!“ erreichte uns ein kleiner Gastbeitrag, der zum Thema „Sanktionen“ passt. Wir stellen ihn hier zusätzlich zur Diskussion.

von He-Ka-Te

Um vorwärts zu kommen, ist ein Blick auf Vergangenes unumgänglich. Auch die Debatte um die Hartz IV Gesetzgebung zeigt das, aber nicht nur die.

Die Zumutung

Müßige Diskussionen um die Zumutbarkeit von Arbeit heben die Trägheit, was längst nötige Veränderungen anbelangt, auf die nächste Stufe des politischen Stillstandes. Gern bemüht man das Toilettenputzen oder auch das Entsorgen von Müll, um klarzustellen: „alles ist zumutbar“. Der Ansatz dieser kläglichen Argumentation müsste meiner Meinung nach aber wo anders beginnen. Und zwar nicht im klassischen Feudalismus, wo das Hofpersonal dem Kaiser den Hintern abwischt.

Ist es wirklich nötig, Menschen in Beschäftigungsverhältnisse zu stecken, die jede einzelne Person selbst erledigen kann und vielleicht auch sollte? Beim Beispiel des Toilettengangs bleibend: kann nicht jeder Einzelne nach seinem Geschäft Spuren des selbigen beseitigen? Ist Das zumutbar? Ja, es ist.

Die Zukunft der Arbeit sollte dahingehend Gehör finden, dass die Menschen „klassische“ Beschäftigung wählen, wenn sie diese wünschen und jene, die einer anderen nachgehen möchten das auch können und dafür eben auch Anerkennung bekommen. Ein gutes Beispiel dafür sind die so noch genannten „ehrenamtlichen“ Tätigkeiten, die unbezahlt und oft genug unbezahlbar sind. Die Menschen wählen aus eigenen Stücken ihr Einsatzgebiet – oft genug gerade, weil es ihnen Spaß bereitet, dieses oder jenes zu tun. Spaß am Einsatz – oft genug unentgeltlich. Geben wir ihnen etwas dafür; nicht nur warme Worte und einen Händedruck. Anerkennen wir es als Arbeit.

Und wenn wir schon einmal dabei sind, hören wir auf, Freundschaftsdienste gedanklich mit einem Auge der Schwarzarbeit zu bezichtigen. Oder Tauschgeschäfte unter Menschen als rückwärtsgerichtet zu betrachten, nur weil damit auf „dem Markt“ keine Kasse gemacht werden kann. Anerkennen wir beides als solidarische Sozialleistung – als Arbeit.

Die Wertschätzung

Die Ethik. Was ist sie, was umfasst sie und wie gehen heutige Gesellschaften damit um?
Sittliches Verhalten setzt ein Moralkonstrukt voraus, welches im Laufe der Jahrtausende eine ständige Anpassung erfährt. War es zum Beispiel im Rokoko noch Gang und Gäbe Frauen an die Brüste zu fassen, so ist dies heute – aus moralischer Sicht – verwerflich, oder mindestens anstößig. War es in der Antike noch normal, innerfamiliär Vermählungen anzustreben, so gilt es heute als inzestuös. Gut so. Irgendwo muss es Grenzen geben. Moral und somit Ethik unterliegt stetiger Entwicklung.

Mit unseren heutigen Werten verhält es sich ähnlich. Sie sind zum Teil abgeleitet aus moralischen Kodexes. Der, meiner Meinung nach, umfänglichste Kodex ist für „Christen“ schriftlich festgehalten im Neuen Testament (welches das Alte erneuert) – für Buddhisten sind es, beispielsweise, die Sieben goldenen Regeln.
„Du sollst nicht töten“, „.. habe Mitgefühl, aber leide nicht mit“ sind aus beiden „Anleitungen“ nur zwei Beispiele von vielen.
Die und ähnliche Darreichungen erzählen uns von Werten – moralischen und sozialen Werten. Sie werden als das höchste Gut angesehen, und doch handeln und leben sehr viele Menschen noch immer so, als gäbe es sie überhaupt nicht.

Wir predigen Toleranz und schließen die Intoleranten aus. Wie weit ist es dann mit der so hochgelobten Toleranz?
Wir wünschen uns mehr Achtung und Aufmerksamkeit, bekommen aber nur schwerlichst ein „guten Tag“ gegenüber einem Fremden beim Spazierengehen, oder an der nächsten Kasse im Supermarkt, über unsere Lippen.
Wir fordern Hilfe, verweigern anderen allerdings unseren Sitzplatz im Bus oder Wartezimmer.
Beispiele dessen gibt es unzählige. Kleinigkeiten, will man meinen – doch bleiben sie meist ungeachtet.

Wenn wir heute von Werten sprechen, meinen wir jene, die uns als Einzelperson zuträglich sind. Nicht aber jene die anderen ebenfalls zuträglich sind. Wir rechnen auf – für uns, nicht oder selten und immer weniger für die Anderen. Solidarisch und sozial, so wie auch Toleranz meint und bedeutet aber genau dies: Mit und für Andere. Werte, die wichtiger sind als alles Geld der Welt. Die Werte sind des Menschen Kapital.  [InfoBox]

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Gastautor

Der Inhalt dieser Veröffentlichung spiegelt nicht unbedingt die Meinung der neulandrebellen wider. Die Redaktion bedankt sich beim Gastautor für das Überlassen des Textes.

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ChrissieR
ChrissieR
5 Jahre zuvor

Na ja…“ die Märkte“ werden auch das regeln….
Menschlichkeit gegen genügend Cash…

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Reply to  ChrissieR
5 Jahre zuvor

#POTEMKINSCHE DÖRFER

„ARBEITSPLÄTZE STIMULIEREN DIE WIRTSCHAFT“

> DER WÄHLER SOLLE ASPHALT UND ARBEITER
> MIT SCHAUFELN SEHEN, BEZAHLTE STATISTEN,
> DIE JENEN WIRTSCHAFTLICHEN WOHLSTAND
> DARSTELLEN ?

SCHÖNES BEISPIEL: „EVENTS IN BERLIN UND UMLAND GENIESSEN“

> „REGIERUNG ZAHLT 1 MILLIARDE SPONSORING
> FÜR MINNI-JOBBER IN DER GASTRONOMIE“

VERMUTLICH MUSS JENE MILLIARDE IRGENDWOHER KOMMEN

> UND WOHLMÖGLICH FEHLT SIE AUCH AN ANDERER STELLE ^^

RKL
RKL
5 Jahre zuvor

Wenn es darum geht nur Arbeit um der Arbeit Willen zu betreiben, Arbeit als Selbstzweck und zur Beschäftigungstherapie, so muss man einfach den Gebrauch bestimmter Maschinen unterbinden. Ein Verbot von Baggern gäbe jedem etwas zu schaufeln bis zur Vollbeschäftigung. Adolf ließ den Baldeneysee in Essen überwiegend von Hand
schaufeln für eine Reichsmark pro Tag. Aufstocken, weil man in Vollzeit von seinem
Lohn nicht leben kann, ist nicht viel was Anderes. ( Achtung ! Leicht glossiert .-)

ronaldo
ronaldo
5 Jahre zuvor

Ohne Arbeit geht es nicht, Reichtum ist nichtg per se eine Schande! Termine beim Jobcenter zumutbar usw.