Integration als Spießrutenlauf

Mein Kollege Serkan ist Türke und lebt seit Jahrzehnten in Deutschland. Nun, eigentlich müsste ich an dieser Stelle den heutigen Hiob abwürgen, denn er fängt schon mit demselben Missverständnis an, mit dem auch Serkan hin und wieder in seinem Alltag zu tun hat. Er ist nämlich gar kein Türke. Serkan hat den deutschen Pass, seinen türkischen hat er irgendwann nicht mehr verlängert – der bürokratische Aufriss hat ihn genervt. In den Wochen des Referendums fragte ihn jemand am Arbeitsplatz: »Du, sag mal, was ist denn da in deinem Land los?« Bevor er antwortete, fiel ich ihnen unfreundlicherweise ins Wort: »Was in seinem Land los ist? Im September wird die Kanzlerin wiedergewählt, das ist in seinem Land los!«

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Detlef Schulze
Detlef Schulze
6 Jahre zuvor

Wobei man zur Stützung dieser These freundlicherweise unterschlug, dass nur etwa 30 Prozent aller wahlberechtigten Deutschtürken und nur 13 Prozent aller Türkischstämmigen überhaupt im Lande für diesen »größten Türken aller Zeiten« stimmten. Die meisten von ihnen fühlten sich wohl nicht in der Lage, eine politische Entscheidung für ein Land zu treffen, in dem sie gar nicht leben

Schoen, dass das mal gesagt wurde. In der Tat spricht die geringe Wahlbeteiligung fuer eine gelungene Integration. In diesem Sinne ist eine geringe Wahlbeteiligung wuenschenswerter als eine mehrheitliches „NEIN“ zum Referendum.

Allerdings darf man schon die Frage diskutieren, wieviel Integration und Assimilation von Einwanderern die (deutsche) Gesellschaft will. Sollen die Immigranten in der deutschen Gesellschaft aufgehen und ihre Kultur aufgeben. Oder sollte man lediglich die Einhaltung von Gesetzen verlangen und dann riskieren, dass sich Subkulturen bilden.

Braman
Braman
6 Jahre zuvor

Das ist so eine sache mit der Integration. Wie ist sie definiert? Wann ist jemand integriert?
Welche Voraussetzungen müssen denn für eine „vollkommene“ Integration und zwar von beiden Seiten?
Auch ich war schon mal „Ausländer“. nach relativ kurzer zeit konnte ich eine der beiden offiziellen Landessprachen fast akzentfrei sprechen und für Fremde war ich so auf sie Schnelle nicht als Ausländer zu erkennen.
Allerdings die, die mich länger kannten, für die war ich immer noch der „Deutsche“ von dem erwartet wurde, das er sich mit der deutschen Politik, Wirtschaft sowie auch der Auto- und Waffenindustrie detailliert auskennt und entsprechend Auskunft geben können sollte (bis auf die Waffenindustrie konnte ich). Hitler durfte natürlich auch nicht fehlen bei jeder passenden und auch unpassenden Gelegenheit und das in einem ausgesprochenen Einwanderungsland. Also dieses Phänomen das Deutsche mit Migrationshintergrund, auch wenn mans nicht mal sieht und auch der Name eher unverdächtig ist, gelegentlich auf ihre Herkunft angesprochen werden ist nun nichts typisch Deutsches.

MfG: M.B.

ThomasX
ThomasX
6 Jahre zuvor

Integration ist 100%-ig. Bringt eine der beiden Seiten nicht die dafür erforderlichen 50% auf, wird das nix. Das deutsche Recht sieht auf der „Gastgeber“landseite aber eh nur maximal 25% vor (begrenzte oder unterschiedliche Rechte bei Aufenthalt, Arbeit und Strafrecht sowie institutionelle Diskriminierung. Die restlichen 25% müssten von den Leuten hierzulande freiwillig erbracht werden. Das wird allerdings schwer, wenn man Fremdenangst und andere Ressentiments medial wie gesellschaftspolitisch schürt oder durch wirtschaftspolitisch künstlich erzeugten individuellen Konkurrenzdruck sozialisiert hat.
Damit besteht für hier zu integrierende Masse der Ausländer schon mal die nächste Hürde, nach dem Verlassen ihres Heimatlandes, nämlich ihrerseits hier mehr als die eigentlich erforderlichen 50% erbringen zu müssen(!), um ihre Integration zu bewältigen. Es ist ja im Allgemeinen nun nicht so, dass die Leute hier freiwillig aufschlagen. Das sagt schon der Name Flüchtlinge oder Asylsuchende. Sie sind vertrieben worden. Durch Tyrannei, Krieg, Armut, Verfolgung, Rechtsunsicherheit oder irgendwelche anderen Zwänge. Jetzt sind sie hier zumindest erst mal vor Tod und Verletzungen sicher – glauben sie zumindest, da Angela im Fernsehen ja nix von den 25% fremdenfeindlichen Deppen hierzulande erzählt hat, die auch mal gern Asylheime anzünden oder vielleicht sogar Leute für ihre verquere Ideologie umbringen (siehe NSU u.ä.).

Allein die oben gezeigten Sachverhalte, ohne Sicht auf die jeweiligen persönlich evtl. auftretenden Defizite oder kulturellen Unterschiede zu werfen, verunmöglichen in Deutschland erfolgreiche Integration in den allermeisten Fällen. Es kann also politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich bedingt nur zur Assimilierung oder Parallelisierung kommen. Und natürlich ist diese Situation gewollt – das sollte klar sein.