Facebook und die Gemeinschaftsstandards: 10 kleine „Pieeeeeeep“ – sicher ist sicher!

Bestimmt kann man darüber streiten, ob folgendes Posting auf Facebook politisch korrekt ist oder nicht:

Neun kleine Negerlein …

Es entstand nach dem erzwungenen Rückzug von Martin Schulz, nachdem der alles Mögliche sein wollte. Kanzler, Außenminister, SPD-Chef, Kämpfer für die Vereinigten Europäischen Staaten und – natürlich – der Retter für den kleinen Mann. Wurde er alles nicht, aus Mister 100 Prozent wurde Herr Nullnummer. Darüber kann man diskutieren, und man tut es auch, aber ich lasse das an dieser Stelle, denn es geht hier um die „Neun kleinen Negerlein“.

Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass es dem Poster um das Rückwärtszählen ging, und dass sich da der Klassiker der 10 kleinen Negerlein anbietet. Nur sah Facebook das offenbar anders und entfernte das Posting, um den Nutzer dann auch gleich noch für 24 Stunden zu sperren. Dieser war verblüfft und postete daraufhin (nach seiner Sperre):

Facebook und ich haben offenbar eine unterschiedliche Vorstellung davon, was „Rassismus“ ist. Wenn es für Facebook schon rassistisch ist, einen bekannten deutschsprachigen Kinderreim in einem vollkommen unverdächtigen Kontext zu zitieren, dann wird meine Mitgliedschaft in dieser „Community“ wohl nicht mehr lange andauern.

Eine Antwort schrieb der Poster auch, aber wer so etwas schon einmal erlebt hat, weiß, dass es ins Nichts führt, Facebook seine Motivation zu erklären.
Man kann das natürlich als Lachnummer abtun und argumentieren, dass Facebook offenbar nicht kapiert, was rassistisch ist und was harmlos oder gar Satire. Und man kann auch darüber streiten, ob sich so ein Kinderreim eignet, die Situation der SPD bzw. die von Martin Schulz zu kommentieren. Das ist legitim. Aber wenn ein solches Posting gleich in den „Rundordner“ kommt, ist jede Diskussion am Ende.
Und eine weitere Löschung macht deutlich, was für Züge diese Sache annehmen kann und längst angenommen hat.

Hier liegt definitiv kein Missverständnis mehr vor, und lustig ist das auch nicht.
Klar, man kann es satirisch betrachten und der AfD eine Behinderung unterstellen (eine Behinderung geistiger Natur, versteht sich). Man könnte auch die Herkunft des „dummen Deutschen“ in die Waagschale werfen und unterstellen, dass Facebook diesen vor „Angriffen“ schützen will.
Man könnte aber auch – und das liegt durchaus nahe – unterstellen, dass Facebook politische Inhalte, die nicht passen, einfach entfernt und dies so pauschal begründet, wie es auch schon im Posting zuvor geschehen ist.

Es wäre eine genauere Untersuchung wert, wie viele und welche Inhalte Facebook löscht mit der fadenscheinigen Begründung, die wir nun schon zweimal gelesen haben. Und es wäre sehr interessant, in Erfahrung zu bringen, wer welche Inhalte meldet und wie Facebook mit welchen Postings verfährt, welche also gelöscht werden und welche nicht.

Das könnte man tun, und es wäre gut, wenn jemand sich diese Mühe machen würde. Aber im Kern geht es um ein ganz anderes Problem.

Es geht darum, dass ein Unternehmen wie Facebook, das ganz sicher nicht zu den „Guten“ gehört und zweifelsohne ausschließlich – ich betone: ausschließlich! – eigene Interessen verfolgt, dazu genötigt werden konnte, den Job zu übernehmen, der eigentlich dem Gesetzgeber bzw. dem Staat obliegt: nämlich zu prüfen, wer wie und warum gegen Gesetze verstößt. Ein Unternehmen, das darüber hinaus natürlich auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist und sich hüten wird, saftige Geldstrafen in Kauf zu nehmen, die diesem Ziel im Wege stehen.

Es sind weitere Postings bekannt, die ebenfalls in diese Richtung abzielen: unliebsame politische Meinungen zu unterbinden, indem die Gemeinschaftsstandards angeführt werden. Mal dreht es sich um Russland, um Putin, um die AfD oder andere mehr oder weniger brisante Themen.
Und womöglich – auch das wäre eine Prüfung und Recherche wert – werden rechtslastige Postings mit der gleichen Methode unterbunden. Das könnte den guten, von seiner Sache überzeugten Linken natürlich freuen, aber es ist wahrlich kein Grund zur Freude.

Denn auch wenn es im Allgemeinen nicht gerne gesehen und gelesen wird, und auch, wenn der politische Gegner gern Dinge postet, die uns Linken nicht gefallen … es läuft doch auf eines hinaus: Die Meinungsfreiheit, der Diskurs, der Streit, die Diskussion, all das wird unterbunden, wenn Facebook bestimmt, was gesagt und nicht gesagt werden darf.

Und dabei sichert sich der Gigant der sozialen Medien lediglich ab. Er will Daten sammeln und verwerten, will Geld machen mit diesen Daten und Werbung verkaufen. Er kennt dabei kein Erbarmen und nutzt jeden kleinen Fetzen an Informationen, um sich weiter zu bereichern.

Die Gedankenpolizei aber, die sitzt im Falle Deutschlands in Berlin und macht sich einen schlanken Fuß. Bei einem Glas teuren Wein wird sie sich denken: Wozu selbst die Drecksarbeit machen, wenn Zuckerberg das übernimmt?

Keine Ahnung, ob dieser Artikel auf Facebook zugelassen wird. Aber falls nicht, Heiko Maas und seine Komplizen wird das nicht stören. Im Gegenteil.  [InfoBox]

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Tom J. Wellbrock

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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Jürgen Schwark-Wallendorf
Jürgen Schwark-Wallendorf
6 Jahre zuvor

Vielleicht wäre es mit 10 kleinen Jägermeistern
Politisch korrekt gewesen

Loco
Loco
Reply to  Jürgen Schwark-Wallendorf
6 Jahre zuvor

Das wäre dann aber eine böse böse Anspielung auf den überwundenen Alkoholismus des „guten“ Herrn Schulz gewesen…

wschira
wschira
Reply to  Jürgen Schwark-Wallendorf
6 Jahre zuvor

Beleidigungen in dieser Form sind aber bei Facebook kein Grund zum Löschen.

Nasigoreng
Nasigoreng
6 Jahre zuvor

Ganz großes Kino !

Loco
Loco
6 Jahre zuvor

Wenn ich sowas lese wird mir klar, warum ich NICHT auf Facebook bin und auch keine Ambitionen habe diese Müllkippe zu betreten! Diese Löschungen sind wirklich mehr als albern, vor allem da die „Alternative“ von Rechts dort scheinbar ungestört ihre geistige Notdurft abseilen darf.

Vielleicht solltest du Facebook einfach den Rücken kehren – zumindestens ich vermisse es nicht 🙂

R_Winter
R_Winter
6 Jahre zuvor

Brauchen wir Facebook wirklich?

Facebook ist doch nur ein angepasster Gehilfe der neoliberalen Finanz-Mafia.

ChrissieR
ChrissieR
6 Jahre zuvor

Guude,
Ich als Meenzerin, habe mitbekommen, dass irgendwelche Ethnologiestudenten das Logo des uralten Mainzer Traditionsdachdeckerbetruebs “ Ernst Neger“, auch als aktiver Fassenachter bekannt, moniert haben, der aNachkomme war übrigens in der TV Fassenacht diesmal nicht präsent! Es ist rein zu soll! In meinem Job hatte ich afrikanische Kollegen, die über so einen Schwachsinn nur lachen konnten!!!
Alloah
Christine Reichelt

Mordred
Mordred
6 Jahre zuvor

Es geht darum, dass ein Unternehmen wie Facebook, das ganz sicher nicht zu den „Guten“ gehört und zweifelsohne ausschließlich – ich betone: ausschließlich! – eigene Interessen verfolgt, dazu genötigt werden konnte, den Job zu übernehmen, der eigentlich dem Gesetzgeber bzw. dem Staat obliegt: nämlich zu prüfen, wer wie und warum gegen Gesetze verstößt. Ein Unternehmen, das darüber hinaus natürlich auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist und sich hüten wird, saftige Geldstrafen in Kauf zu nehmen, die diesem Ziel im Wege stehen.

Dass der Staat sich bei Sachen, die eigentlich in seinem Verantwortungsbereich liegen, nen schlanken Fuß macht, ist nichts neues. Datenschutzbeauftragte in privaten Unternehmen usw. sind ähnliche Konzepte.

Ansonsten frage ich mich, was Kunden von Facebook, Twitter, Youtube… denken, was sie da gerade eigentlich benutzen?! Und auch, wofür (!) sie es benutzen…Völlig behämmert^^
Das sind keine „sozialen“ Netzwerke, sondern Werbeplattformen. Parteien oder Publizisten, die damit selber auch Geld verdienen wollen, müssen sich halt dem Angebot des Anbieters unterwerfen oder spezielle Deals aushandeln. Mir kommt es öfters so vor, als würden die User diese Plattformen als gottgegebene Einrichtungen begreifen, die einfach da und nutzbar sind.
Die Zukunft wird aber wohl eher so aussehen:
https://en.wikipedia.org/wiki/InterPlanetary_File_System
https://d.tube/
https://steemit.com/
etc.
Dezentrale, auf Blockchain basierende Open Source-Plattformen dürften der nächste heiße Scheiß sein.

Jörg Hensel
Jörg Hensel
6 Jahre zuvor

Da werden auch Kommentare gelöscht, die völlig neutral sind. Zum Beispiel zum Arbeitsschutz (na gut der Neoliberale würde es löschen (lassen)). – Hier eine kleine Sammlung …

Nashörnchen
Nashörnchen
6 Jahre zuvor

Neuland unterm Pflug

Die Älteren könnten sich vielleicht noch erinnern: Schon anno 2009, als Fakebook, Twitter & Co. noch praktisch überhaupt keine Geige spielten, gab es erste (bekanntgewordene) Versuche, ein sogenanntes „Zugangserschwerungsgesetz“ (damals bekannter als „Kinderpornosperre“) durchzudrücken. Aber weil es damals noch denkende Menschen gab, die ganz schnell gemerkt und gewarnt haben, daß es dabei nur allenfalls ganz am Rande um Kinderpornos ging, sondern viel mehr um die Einführung einer allgemeinen und blitzschnell ausbaufähigen Zensur, ist die Uschi damit seinerzeit noch krachend gescheitert. Als dann grad vier Jahre später der Bundeshosenanzug vom „Neuland“ gestammelt hat, haben immer noch alle schallend gelacht. Und dann hat sie eben angefangen, dieses Neuland umzupflügen…

Der zugkräftigste Trecker dafür war natürlich der „Kampf gegen Rächtz“: Mit Kinderpornos hätte man ja vielleicht noch leben können – aber eine andere, gar eine EIGENE Meinung? Da MUSS man doch was gegen tun! Also reichte allein schon die Erinnerung, daß es ein verblüffend ähnliches Zensursystem (natürlich noch ohne Internetz) ja schon in der DDR gab, aus, erstmal pauschal quasi alle Ossis zum „Nazi“ zu erklären. Und alle die, die immer noch wie ein paar Jahre zuvor denken konnten und davor gewarnt haben, gleich mit. Und jetzt kommen die, die einst so laut gelacht haben und – wundern sich. Wundern sich, daß irgendein dämlicher Algorithmus partout nicht unterscheiden will zwischen „Gut“ und „Böse“, daß der einfach stumpf ALLES löscht, was in ihn reinprogrammiert wurde. Geliefert wie bestellt.

Und wenn nichts sicher ist auf dieser Welt: Schon in wenigen Jahren werdet Ihr auf die Katzenbilder auf Euren Smartphones starren und denken: „Ach war das eine geile Zeit, als nur Fakebook und Twitter zensiert wurden und es daneben wenigstens noch ein paar andere Webseiten gab“. Tja – dann isses wohl zu spät…

Sukram71
Sukram71
6 Jahre zuvor

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist halt ein Versuch, der immer schlimmer werdenden Hetze bei Facebook und Co. Herr zu werden.

Die Prüfung und Durchsetzung wird privatisiert und bei Facebook sitzen dann (logischerweise) irgendwelche Hiwis und kontrollieren, was geschrieben werden darf und was nicht. FB wird wohl kaum lauter Juristen, Soziologen und Politikwissenschaftler dafür einstellen. 🙂

Aber wer soll das denn sonst machen?
Mehr Kontrolle in den Sozialen Medien ist durchaus richtig und nötig. Der Staat kann und darf das doch erst Recht nicht. Oder sollen Beamte nach Vorgaben der Regierung Zensur ausüben?

Eigentlich ist Facebook als Betreiber doch sowieso verpflichtet, rechtswidrige Inhalte zu löschen. Das Gesetz konkretisiert das nur und setzt dafür Fristen. Ansonsten müsste jeder privat vor Gericht klagen, was nahezu unmöglich und viel zu teuer und langwierig ist.

Dabei kommt es zwangsläufig zu unverständlichen Fehlentscheidungen. Vermutlich filtert Facebook auch gezielt nach Begriffen wie „N*ger“ und die Hiwis drücken dann mitunter einfach Strg+A und Entf.

Dafür werden aber wiederum üble Dinge im Grenzbereich stehen gelassen. ZB eine wirklich widerliche FB-Seite (Ich bin Christ), die übelst gegen Flüchtlinge hetzt. (Die hatte ich gemeldet.) Oder die ganzen Nazi-AfD-Seiten. Wir müssen einfach abwarten, wie sich das entwickelt.

Prinzipiell ist es doch sinnvoll, die Betreiber von Sozialen Medien zu verpflichten, Inhalte nach Meldung innerhalb bestimmter Fristen zu prüfen und ggf zu löschen.
Das ist eben NICHT Aufgabe des Staates! Dem ist Zensur sogar ausdrücklich verboten und rechtswidrige Inhalte könnte der Staat natürlich (!) auch nur über den langwierigen Rechtsweg löschen lassen.
Für Facebook ist Facebook verantwortlich und deshalb ist das deren Job.

Dass das alles nicht perfekt ist und dementsprechend Kritik nach sich zieht, war abzusehen. Damit müssen wir aber wohl erstmal leben.

Musil
Musil
6 Jahre zuvor

Die Medien übernehmen stückweise die Aufgaben der Justiz – eine gewollte Privatisierung, die weniger umständlich ist, als der vorgegebene Rechtsweg. Wo Beweise nicht mehr notwendig sind, wenn sich „Journalisten“ und das (Aus)Bildungsbürgertum bzw. die öffentliche Meinung einig sind. Wo es keine Unschuldsvermutung mehr gibt, kein Recht auf Verteidigung. Wo der Beschuldigte/Verurteilte nicht einmal erfährt, was er wann verbrochen haben soll.

Das kommt dem Staat viel billiger, lässt dafür bei den Konzernen die Kasse klingeln.
Und unbequeme Meinungen und Wahrheiten haben erst recht keine Chance mehr.

Die wahren Terroristen sind die Milliardäre und dreistelligen Multimillionäre – sie saugen uns aus, verkaufen uns, töten uns und machen damit auch noch Profit.

Sukram71
Sukram71
Reply to  Musil
6 Jahre zuvor

Bei der Entfernung von strafbarer Hetze und Beleidigungen in den Sozialen Medien kommt es heute auf Geschwindigkeit an. Ne Löschung ein oder zwei Wochen später bringt doch nichts. Bis dahin hat das jeder am Smartphone gelesen und die Verfasser lachen sich und Fäustchen.

Facebook ist doch sowieso für Inhalte bei Facebook verantwortlich, wenn sie Facebook bekannt gemacht werden. Jetzt sind die verpflichtet, ihrer Pflicht innerhalb bestimmter kurzer, aber angemessener, Fristen nachzukommen. Das ist gut und richtig. Ich wüsste auch keine bessere Lösung.

Nur der Betreiber kann schnell und unkompliziert ohne Gerichtsurteil handeln. Und der konnte auch bisher schon (ohne Gesetz und Gericht) selber bestimmen, was er in seinem Dienst duldet und was nicht. Jetzt muss er das nach Meldung innerhalb bestimmter Fristen und kann sich nicht mehr aussuchen, was er lange stehen lässt bzw sich mit zu wenig Personal herausreden.

Das ist sinnvoll und vernünftig. Auch dann, wenn die jetzt ab und an etwas übertreiben und pauschal alles löschen, wo „N*ger“ drin vorkommt, ohne jedesmal den speziellen Kontext zu analysieren. 😉