Populismus? Na logo!

Das bürgerliche Lager glaubt schon wieder an einen Betriebsunfall. Jetzt hat es wie aus dem Nichts mit Populisten zu tun. Wie aus dem Nichts? Immer dasselbe: Die haben doch nichts gewusst!

Und plötzlich waren die Populisten da. Rechtspopulisten. Linkspopulisten. Leute, die ohne Fakten auf Emotion trimmen. Bis kürzlich war noch alles im Rahmen. Da waren Fakten Fakten. Populisten gab in jenen Tagen auch. Aber sie standen seitlich, meldeten sich hin und wieder zu Wort, konnten aber politisch kaum punkten. Bis zu einem Moment, den das Bürgertum noch nicht konkret definiert hat. Ab da kamen diese Populisten über die Gesellschaft. Man konnte sich nicht wehren, sie belagerten alle Kanäle, eingeladen hat sie aber niemand. Jetzt heiße es die Populisten wieder zu vertreiben. Die Bürgerlichen können sie sich nur als kurzen Betriebsunfall denken.

Exemplarisch für diese Denkart ist ein Buchempfehlung im Feuilleton der FAZ. Der Philosoph Daniel-Pascal Zorn hat mit »Logik für Demokraten« eine Anleitung gegen den Populismus geschrieben. Der Titel sei hierbei Programm. Man kann was gegen Populisten machen? Na logo! Mit Logik. Ich stelle an dieser Stelle die Frage hintan, ob das Buch was taugt oder nicht. Dazu sollte ich es zunächst lesen. Die Damen und Herren von Klett-Cotta dürfen sich an dieser Stelle einen Ruck verpassen. Meine Adresse für eine etwaige Büchersendung entnehmen Sie dem Impressum. Um was es mir eher geht, das sind die Denkansätze, die der Rezensor der Buchempfehlung offenlegt.

Kurzer Einwurf: Bezeichnenderweise flankierte man den Text mit einem Foto Lafontaines. Des Populisten schlechthin – wenn man bei der FAZ arbeitet. Ob nun von links oder von rechts der Populismus bedient wird, da macht man bei jenem Laden wenig Unterschiede. Die Extremismustheorie um Backes und Jessen ist weit gekommen. Erst durchdrang sie den Verfassungsschutz und trichterte dem ein, dass »politischer Extremismus« unabhängig von seinen Inhalten und mittels formaler Gemeinsamkeiten bestimmt werden könne. Und nun rekrutiert man diese Gleichmacherei gleich noch bei populistischen Strömungen. Als ob die Forderung nach einen Reichensteuer dasselbe wäre, wie Rückführungskonzepte für ausländische Bürger, die sich hier schon vor Jahren ein Leben aufgebaut haben.

Eines kommt bei der Rezension und womöglich im Buch zu kurz. Vielleicht kommt es auch gar nicht vor. Wir sollten uns über die Grundsätze unterhalten. Der Populismus ist eben gar nicht größer geworden in den letzten Monaten. Er hat sich nur gewandelt. Es ist eben verdammt nochmal nicht so, dass Populisten jetzt am Ruder wären – das waren sie schon seit Jahren. Sie haben nur andere Themen populistisch ausgeschlachtet. Der Sozialabbau der letzten Jahrzehnte: Er baute auf populistische Kampagnen gegen die angebliche Faulheit und Verschlagenheit von Leistungsberechtigten. Florida-Rolf, der Kanzler, der sagte, es gäbe kein Recht auf Faulheit oder Wolfgang Clement, der was über Legionen nicht greifbarer Arbeitsloser nuschelte: Was bitte war das? War das etwa der Logos, der jetzt wieder Einzug halten soll in die Debatte?

Was ist mit der Austeritätspolitik, die die Interessen deutscher Firmen in Griechenland sicherstellte? Hat man die mit logischen Argumenten begründet? Ist es das: Sparzwang als Ausdruck höchster Logik? Es waren diese frechen Linkspopulisten, die mit logischen Begründungen klarstellten, dass man so keine Volkswirtschaft rette. Und diese Logikpopulisten von links, die könne man jetzt nur mit der Reaktivierung der Logik eindämmen? Mit einer Superlogik, einer Überlogik? Das ist vermutlich der Moment, in dem Aristoteles Gottlob Frege zuzwinkert und auf die degenerierte Nachwelt anstößt: Musste so kommen, ruft er ihm zu, war nur zu logisch!

Daran mangelt es ganz grundsätzlich, wenn man im bürgerlichen Lager nach Einschätzungen der aktuellen Situation fischt. Zunächst werfen sie Populisten aus allen Lagern zusammen und erzählen einem etwas davon, dass sie umstellt sind von postfaktischen Extremisten. Und daraus filtern sie dann, dass diese Gestalten wie ein Betriebsunfall plötzlich geschehen sind. Vorher war die Welt noch in Ordnung. Wie konnte es denn nur so weit kommen? Mit postfaktischen Populisten haben wir es allerdings schon weitaus länger zu tun, wie oben im populistisch und polemischen Ton angerissen wurde.

Die Sache war nur die: Es waren die Populisten des bürgerlichen Lagers. Die eigenen Leute quasi. Haftet einem der Stallgeruch an, dann merkt man nicht gleich, wenn etwas stinkt. Der Populismus gegen faule Arbeitslose war ja nun für das Bürgertum gar nicht populistisch, sondern eher eine höhere Wahrheit. Für die Linkspopulisten, vor denen man sich dann sogar noch mehr fürchtet unter Bürgerlichen, ist die Situation gar nicht neu. Sie leben seit Jahren mit und unter Populisten, die als Meinungsmacher fungieren.

Die vermeintlichen Linkspopulisten hatten auch Lösungsansätze parat: Denkt doch mal logisch nach, rieten sie den Menschen, die den Reformerpopulisten in die Netze gingen. Auch hier postulierte man Logik als Mittel gegen Populismus. Hat es geholfen? Schön wäre es ja. Aber die Logik hat gegen den neoliberalen Populismus leider auch nichts bewirkt.

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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Erwin
Erwin
6 Jahre zuvor

Die Fake-News der Popo-FAZ.
Eine Super-Reichenbesteuerung mit Augenmaß, die keine Kapitalflucht provoziert oder irgendwelche Wirschaftseinbrüche
verursacht, wie oft und sinnfrei behauptet wird, bringt jährliche Steuermehreinnahmen von mindestens und
garantierten 15 Milliarden Euro. Wahrscheinlich das Doppelte, was man in Bildung und Soziales schieben könnte.

Nix Poppolismus !

Mazze
Mazze
6 Jahre zuvor

Angewidert……nicht angewiedert….klugscheiß….

Alles was nicht der Meinung der „Mitte“ entspricht, ist populistisch. Die Mitte also, der Bürger, der Neoliberalverseuchte, gerade er ist doch mit Schuld an der Misere. Er gibt sich den von oben angebotenen Fleischtöpfen hin, nein er hätte sie gerne, der Leistungsträger. Nur die da oben geben nicht gerne was davon ab, die hetzen lieber den aus der Mitte, der eigentlich ganz schön rechts ist, gegen die Minderheiten und finanziell Schwachen auf, nein, er lässt sich aufhetzen, weil er dumm und indoktriniert ist, hat aber studiert….zum totlachen. Er denkt er versteht die Welt mit seinem Maschinenbaustudium, die ja schon immer so war und der Kapitalismus ist das einzige, funktionierende System. Freiheit und Demokratie und so. Selbstreflexion liegt ihm auch nicht, dafür aber ein neuer A6 oder 5er BMW. Die ganzen Flüchtlinge kommen ja nur, um in unser Sozialsystem einzuwandern, sich einzunisten. ‚Es gibt ja echte und unechte von denen.
Der Bundespräsi ist doch auch so einer, der Mitte, er, der als Demokrat den Populisten die Kante bietet, dabei kapiert er nicht, dass er selbst das Problem ist mit seiner Politik, die er ja alternativloserweise verabschiedet hat.

Erwin
Erwin
Reply to  The Joker
6 Jahre zuvor

In Frankreich könnte es nochmal spannend werden:

Im ersten Wahlgang. in etwas mehr als zwei Wochen, schaffen es nur zwei wenn nicht einer die absolute Mehrheit erringt.
Marine Le Pen bleibt mit unverschämt hoher Wahrscheinlichkeit im Rennen sodass Macron ODER Melenchon mit ihr nach dem 23.April. in die Stichwahl käme.
Für die zwei Kandidaten ohne Konkurrenz war die Stichwahl ja bisher Jacke wie Hose.
Ich behaupte, bei der jetzigen Stimmung in Frankreich, dass wenn ein Linker gegen Le Pen anträte, Le Pen garantiert Staatspräsidentin wird. Die Franzosen haben die Schnauze voll vom Europageschwurbel dessen Ende sich abzeichnet, und dessen Verschleppung nur teurer für alle wird. Die Franzosen werden aus Gründen drohender Komkursverschleppung Le Pen wählen. „Make America Sane Again“ funktioniert auch mit Franzosen und ihrer Grande Nation.

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Populismus? Na logo! – Tagesticker.net
6 Jahre zuvor

[…] dem Nichts mit Populisten zu tun. Wie aus dem Nichts? Immer dasselbe: Die haben doch nichts gewusst!Weiterlesen bei den neulandrebellen Lesen Sie auch: Hübenpresse! Drübenpresse! Dass sich der Journalismus in diesem Lande gerne mit […]

R_Winter
R_Winter
6 Jahre zuvor

Kann das „System“ nicht mehr zählen (5 Kommentare, angezeigt 4 Kommentare) oder wurde der erste Kommentar gelöscht?
Wahrheit schmerzt manchmal.

Erwin
Erwin
6 Jahre zuvor

OFF

Frauke Petry will die AfD „koalitionsfähig“ machen

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/alternative-fuer-deutschland-frauke-petry-grundsatzprogramm-alexander-gauland

Augstein meint, dass sich nach Merkel eine rechtere CDU formieren wird.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/islam-gesetz-vorstoss-von-jens-spahn-maria-statt-scharia-kolumne-a-1142137.html

Unterschätzt man die Gefahr einer schwarz-braunen Dauerregierung ?