Hübenpresse! Drübenpresse!

Dass sich der Journalismus in diesem Lande gerne mit ausländischen Journalisten solidarisiert, die in ihrer Heimat unter Repression leiden, ist positiv. Dass man solche Momente aber nicht zum Anlass nimmt, das eigene schlechte Standing in der Öffentlichkeit hierzulande zu überdenken, zeigt auch, dass man sich selbst nichts vorwirft.

Nein, in Deutschland sperrt man Journalisten nicht ein. So differenziert muss man sein. Deren Kollegen in der Türkei oder China haben da ganz andere Erfahrungen gemacht. Als Journalist oder Blogger lebt man dort weitaus gefährlicher als hier. Von Nachrichtendiensten belauscht hat man aber auch in Deutschland schon Journalisten. Und so ein Gefühl, dass man offen und ehrlich informiert wird, haben im Lande momentan nicht so wirklich viele Menschen. Ob nun von rechts oder links: Der Journalismus hat einen schlechten Stand. Die einen bezichtigen ihn plump der Lüge und glauben, dahinter stecke eine große Verschwörung. Die anderen unterstellen ihm, er würde so sehr materiellen Zwängen unterliegen, dass er Rücksichten auf die Befindlichkeiten der Wirtschaft nähme und Wahrheiten unterschlage.

Dass es eine Vertrauenskrise gibt, haben selbst die Medien mittlerweile bemerkt. Wobei so eine Vertrauenskrise ein ganz falsches Wort für dieses Phänomen ist – man sollte den Berichterstattern als mündiger Rezepient eben nicht vertrauen. Skeptizismus sollte das Miteinander vom Presse und Rezepienten prägen. Prüfung und Abgleich sind kein Misstrauen, sondern Grundlagen der Informationsgewinnung . Dasselbe empfiehlt sich für Journalisten. Der Handel und die Verbreitung mit Informationen ist keine Vertrauenssache, sondern eine Angelegenheit fortwährenden Hinterfragens.

Wie man es nun auch definieren will: Klar ist, dass dieses Gefühl, die Leitmedien hätten über Jahre versagt, nicht einfach nur eine Frustration ist, die die Leute jetzt an einem unschuldigen Opfer austoben. Sie haben begriffen, dass das Netz des Atlantizismus in den letzten Jahren wieder so arbeitete, wie damals im Kalten Krieg, als man im Westen las, man sei das Gute, während der böse Sowjet Kinder fresse. Entspannungspolitiker hatten es damals schwer – und die Berichterstattung zur NATO-Osterweiterung in der Ukraine hat belegt, dass neutrale Medien etwas sind, was man sich auch im heutigen Deutschland nicht leisten möchte.

Die Rolle der Medien in den letzten zwanzig Jahren in puncto Sozialabbau und Arbeitsmarktpolitik, zur Rente und wegen des Gesundheitswesens, wird gemeinhin eher selten thematisiert. Aber diese Verdrossenheit gegenüber den etablierten Medien nahm dort ihren Anfang. Damals verloren sie ihre Reputation. Sie waren so von den neoliberalen Verheißungen gehirngewaschen, dass sie ihren Rezipienten eine neue Zeit unter die Nase publiziert hatten. Und was kam heraus: Der Finanzkapitalismus, auf den das ganze Konzept baute, brach zusammen und führte den Leuten vor Augen, dass sie langfristig um den durch ihre Wertschöpfung entstandenen Wohlstand betrogen wurden.

Journalisten können in den oben aufgezählten Ländern – und auch noch in weiteren – ganz sicher nicht schreiben, was sie wollen. Und hier? Muss man sich nicht die Frage gefallen lassen, ob hier immer geschrieben wurde, was geschrieben werden konnte oder gar sollte? Es ist ja auch nicht einfach für eine Berufsgruppe, die unter Temporärverträgen leidet und dringend auf Anzeigenkunden angewiesen ist. Wer da im Laden bleiben will, der tanzt nach der Pfeife der Leitlinie und nicht nach der der fachlichen Aufrichtigkeit.

Berichte über Kollegen aus dem Ausland, die es wirklich schwer haben und teilweise auch um ihr Leben fürchten müssen, kommen dem leitmedialen Journalismus gerade recht. Nicht, dass man kein aufrichtiges Mitgefühl mit ihnen hätte und die Solidarität heucheln würde. Nein, so niederträchtig muss es ja nicht laufen. Aber einen schönen Nebeneffekt hat es doch: Man kann mit dem Finger auf die Missstände in diesen Ländern deuten und deren fiesen Umgang mit dem freien Journalismus zum Sujet machen – und damit auch von den eigenen Problemen und Sorgen ablenken.

Die Sorgen der Drübenpresse, sie macht die Krise der Hübenpresse ein bisschen wett. Bei uns wird ja keiner eingesperrt. Man kann über die Kanzlerin auch mal was Kritisches bringen – den 95 Prozent Lobhudelartikeln zu der Zeit, als sie den Euro auf Kosten Europas rettete, als man sie als eiserne Kanzlerin verehrte zum Trotz. Wer sieht, wie die Megalomanie des Babatürks gegen die Berichterstatter wütet, der lobt sich unsere Berichterstatter, die nicht immer Bericht erstatten. Wie gesagt, wir sind unübertrefflich

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Roberto J. De Lapuente

Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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schwitzig-formerly-known-ach-was-solls :-)
schwitzig-formerly-known-ach-was-solls :-)
7 Jahre zuvor

Ich muss sagen, dass ich es sogar begruessen wuerde, wenn so manchen „Journalisten“ auch hier der Knast winken würde.

Viele „Journalisten“ der Zeit, SZ, SPIEGEL, diversem anderen Müll und der ÖR sind gewissenlose Monster mit Hektolitern Blut an den Händen. Es sind Täter. Schreibtischtäter zwar, aber dennoch Täter die mitverantwortlich oder zumindest billigend für 100.000de Tote, Verstümmelte und Verletzte sind.
Das Problem in Ländern wie der Türkei ist, dass sie für die falschen Taten einfahren – für „Taten“, die eben keine Verbrechen sind. Das Problem in Deutschland ist, dass sie für Taten, die Verbrechen sind, eben nicht einfahren.

Robbespiere
Robbespiere

@schwitzig, der sich für Hans parfümiert:-)

Das Problem in Ländern wie der Türkei ist, dass sie für die falschen Taten einfahren – für „Taten“, die eben keine Verbrechen sind. Das Problem in Deutschland ist, dass sie für Taten, die Verbrechen sind, eben nicht einfahren.

Volle Zustimmung!

Schloti
Schloti

Das ist eine Meute in der Einzelne untergehen und nicht haftbar gemacht werden können; eine Meute aus G8 Abiturienten die nie ein Reifezeugnis bestanden haben, bedingungslose Ja-Sager aus der verschulten und infantilisierten Baureihe Bachelor,
junge Leute die sich für Akademiker halten aber Vollidioten sind die den Pisspott nicht vom Arsch bekommen; egomanische und verantwortungslose Kriecher, Schleimer, Mistkrücken

Mordred
Mordred

für „Taten“, die eben keine Verbrechen sind.

das ist ja das perverse in vielen themenfeldern. bspw. steueroptimierung. oder das geschäftsmodell für abmahnungen bei filesharing und sonstigen urheberrechtsverstößen. oder „heuschrecken“. oder niedrigere besteuerung von kapital im gegensatz zu arbeit.
alles legal, obwohl es der bevölkerungsmehrheit bzw. der gesamtgesellschaft nachweislich schadet.

trackback
Hübenpresse! Drübenpresse! – Tagesticker.net
7 Jahre zuvor

[…] der Öffentlichkeit hierzulande zu überdenken, zeigt auch, dass man sich selbst nichts vorwirft. Weiterlesen bei den neulandrebellen Lesen Sie auch: Das amerikanische Jahrhundert ist vorbei Mit noch was hatte Mister Trump recht: […]

Schloti
Schloti
7 Jahre zuvor

OFF

Das Thema wurde die Tage bei SPON angerissen. Weil aber hinter einer
Paywall für 39 Cent, habe ich zwei ältere Artikel von FAZ und DLF verlinkt.

Es geht um:

Akzelerationismus

„Eine neue linke Theorieströmung will den Kapitalismus beschleunigen
und dadurch zerstören. “

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/manifest-des-akzelerationismus-die-revolution-soll-sich-beeilen-12722218.html

http://www.deutschlandfunk.de/philosophie-das-akzelerationistische-manifest.1184.de.html?dram:article_id=314626

flurdab
flurdab
Reply to  Schloti
7 Jahre zuvor

Vernichtung des Kapitalismus durch Beschleunigung?
Das klingt für mich ein wenig unwahrscheinlich.
Ich denke da wollen nur ein paar prekäre „Geisteswissenschaftler“ auf dicke Hose machen.
Der Link, den die FAZ zum Manifest gesetzt hat, geht in die Leere.
Dieser führt zum „Manifest“.
https://istinalog.net/2013/06/24/beschleunigungsmanifest/

Aber trotzdem Danke für den Hinweis.
Ich werde mich mal durch beißen.

Grüße

Schloti
Schloti
Reply to  flurdab
7 Jahre zuvor

Hast du die innere Logik der Angeegenheit nachvollziehen können ? Ich nicht. Was soll wie und womit bis zum Zusammenbruch beschleunigt werden ?
Klingt alles nach Think-Tank-Kacke um die letzten Widerstände zu brechen. Kann mich aber auch irren.

flurdab
flurdab
Reply to  Schloti
7 Jahre zuvor

Schloti,

„Hier stehe ich nun ich armer Tor und bin so schlau als wie zuvor“.
Nein, bisher nicht. Aber das Manifest habe ich auch bisher nur überflogen.
Ein Logik hat mich jedenfalls nicht angesprungen.

Schloti
Schloti
Reply to  flurdab
7 Jahre zuvor

Durch Überfliegen kann sich dabei nichts erschließen.
Man sollte schon die Wege nachgehen die vorgegeben werden.
Ich bin in einer Sackgasse gelandet.
Das muss nicht jedem passieren.

flurdab
flurdab
7 Jahre zuvor

Hallo Roberto,

“ Klar ist, dass dieses Gefühl, die Leitmedien hätten über Jahre versagt, nicht einfach nur eine Frustration ist, die die Leute jetzt an einem unschuldigen Opfer austoben.“

An welchem Opfer toben sich die Leute aus?
Und ist das Opfer wirklich unschuldig?

Und wenn nur noch eine Meinung vertreten wird, kann man dann noch von Journalismus sprechen?
Bzw. wo soll der Leser bitte die Informationen herholen, wenn er vor einem Wall aus Desinformation und Lügen steht?
Der gemeine Journalist macht sich ja gerne über die Aluhutträger und VT- Spezialisten lustig, aber er verschweigt bei deren Entstehung seinen eigenen Beitrag.

Der bekannte Journalismus ist tot.
Und Blogger haben oftmals nicht die Ressourcen für intensive Recherche.
Es bleiben Glaskugeln und Runensteine.

Sputty
Sputty
Reply to  flurdab
7 Jahre zuvor

Na für die Ressourcen können wir ja jetzt sorgen => siehe gelben Kasten drunter 😉

Und wenn nur noch eine Meinung vertreten wird, kann man dann noch von Journalismus sprechen?
Bzw. wo soll der Leser bitte die Informationen herholen, wenn er vor einem Wall aus Desinformation und Lügen steht?

Ich glaube nicht, dass es Roberto darum ging, dass die Medien nur eine (vermeintlich wahre) Meinung vertritt. Wenn dieser „Wall aus Desinformation und Lügen“ einfach mehr journalistisch belegt wäre, könnte sich jedeR eine eigene Meinung bilden. Quasi die Quintessenz aus allen zusammengetragenen Infos suchen.

flurdab
flurdab
Reply to  Sputty
7 Jahre zuvor

Du meinst etwas in Form von Fußnoten und Quellenangaben?

Sputty
Sputty
Reply to  flurdab
7 Jahre zuvor

Ja, genau.
Wenn du wüsstest, wie z.B. der INSM darauf kommt, dass die Leute gern bis 75 arbeiten, dann könntest du sagen, is ja Beschiss, weil nur reiche Ärsche befragt wurden, die ehrenamtlich zweimal die Woche Rotzblagen Märchen vorlesen.

Und du könntest andere Berichte und deren Quellen darüber, dass eine allgemein hohe Altersarmut herrscht, auf Validität vergleichen.

(nur so als überspitztes Beispiel)

Schweigsam
Schweigsam
7 Jahre zuvor

Nun wirklich, so beschwichtigend nett der Artikel beschreibt, wie der Zustand unserer MSM zu sein scheint, so sehe ich das nicht! Es ist nach meiner Auffassung viel ernster. U.a. haben diese „Journalisten“ bzw. Redakteure viel mehr Kontakt zu Politik oder Wirtschaft (mit einen kleinen Smalltalk bei Kaffee und Kuchen) als zu „einfachen“ Menschen. Allein mit dieser Tatsache sind solche Figuren recht ungeeignet als Sprachrohr der Mehrheit.

Sputty
Sputty
7 Jahre zuvor

Leider sind viele Leute auch nicht dazu bereit, sich glaubwürdige Arbeiten zu suchen. Was paradox ist, da ja durchaus der Anspruch sein sollte, dass eben jene Medien vertrauenswürdig und fundiert genug sind. Und nicht, dass ich z.B. über Blogs oder ausländischen Zeitungen abgleichen muss, was denn nun wahr und was total falsch dargestellt wird.

flurdab
flurdab
Reply to  Sputty
7 Jahre zuvor

Sputty,

da muss ich dir leider zwischen grätschen.
Es ist vermutlich weniger die mangelnde Bereitschaft, die die Leute hindert, als vielmehr der Mangel an Ressourcen.
Zeit, Geld, Bildung, der fehlende Grenznutzen und vor allem die Gabe „denken“ gelernt zu haben.
Ich habe z.B. Zeit, aber kaum Interesse daran mich mit der Geschichte des nahen Osten und seiner Entwicklung seit Napoléons Ägyptenfeldzug zu beschäftigen. Es ist für mich sinnlos!
Auch wenn das der Rahmen ist, denn man braucht um die heutige Situation zu verstehen.
Mir gehen z.B. Religionen völlig auf den Senkel, Opium fürs Volk. Und trotzdem erlebe ich mich als gezwungen, mich mit dieser unsäglichen Ideologie Islam aus einander zu setzten. Das wird mir aufgezwungen!
Gut habe ich gemacht, ich habe verstanden was für ein Bullshit diese Doktrin darstellt, aber was nützt es mir?
Mein Bild davon lässt sich in keiner Weise mit den im „Journalismus“ dargestellten Bildern in Deckung bringen.
Ich dringe durch den Wall aus Lügen und Desinformation nicht durch!
Mich hört keiner.
Derweil geht das Leben weiter und die Autobahnen werden privatisiert, um zu erkennen das dies Grundgesetzwidrige Enteignung von „Volksvermögens“ ist, brauche ich gar keine Quellen.
Aber wenn ich Quellen suchen sollte, die meine gefühlte Überzeugung bestätigen, müsste ich auch diese erstmal überprüfen.
Im Grunde würde ich aus dem Überprüfen und Quellenstudium garnicht mehr heraus kommen.
Derweil zieht die Karawane weiter.
Gibt es da nicht gerade einen sehr aktuellen Gesetzentwurf/ Gesetz, das jeden Seitenbetreiber in Deutschland haftbar macht für verlinkte Inhalte?
Auch eine Möglichkeit kritische Stimmen aus der Öffentlichkeit zu verbannen.

Nein, für die meisten Abläufe/ Situationen/ Entwicklungen brauche ich einen seriösen Informationsmakler!
Das ist was ich von Journalismus erwarte.
Aber diese Erwartung wird im Regelfall enttäuscht.
Nur, ich kann kaum dagegen an arbeiten.

Es bleibt ein Wall aus Lügen und Desinformation!

Grüße

P.s.: Deshalb ist es wichtig eine Informationsabgabe für die Informationsmakler dieser Seite zu leisten!

Sputty
Sputty
Reply to  flurdab
7 Jahre zuvor

Da gebe ich dir vollkommen recht.
Überwiegend 🙂

ert_ertrus
ert_ertrus
7 Jahre zuvor

Rübenpresse 😉